Arbeitslosigkeit in Bonn Immer mehr Bürger beziehen "Hartz IV"

BONN · Bis vor wenigen Wochen war sein Leben noch in Ordnung. Der Enddreißiger aus Bonn hatte einen guten Job und eine Partnerin. Ein ganz normales Leben eben. Doch dann verließ ihn nicht nur seine Lebensgefährtin von heute auf morgen, auch sein Arbeitgeber kündigte ihm.

Plötzlich war nichts mehr so wie bisher: Kein Geld, keine Anerkennung, kein Selbstwertgefühl, psychosoziale Probleme machten sich breit. "So beginnt in der Regel eine Abwärtsspirale, aus der man ohne fremde Hilfe selten wieder herauskommt", weiß Jörn Unterburger von der Allgemeinen Sozialberatung der Caritas in Bonn. Briefe werden nicht mehr geöffnet, Mahnungen und Aufforderungen der Behörden nicht gelesen. "Eine totale Verweigerung eben."

Für den Bonner hatte das gravierende Folgen: Wegen fehlender Zahlungen sollte der Strom abgestellt werden, der Vermieter kündigte bereits eine Räumungsklage an. In allerletzter Minute schaffte es der Mann schließlich doch, sich professionelle Hilfe zu holen. Das Sozialberaterteam um Jörn Unterburger verhandelte mit den Stadtwerken und dem Wohnungseigentümer, suchte die entsprechenden Unterlagen für den Antrag auf "Hartz IV" zusammen. Eine drohende Obdachlosigkeit war damit zunächst vom Tisch - erst einmal.

Jeder zweite Klient der Caritas ist Hartz-IV-Empfänger

Dieses Schicksal ist jedoch kein Einzelfall. Im Gegenteil. "Es kommen immer mehr Menschen zu uns, die dringend Lebenshilfe brauchen", so Einrichtungsleiter Unterburger. Dabei ist jeder zweite Klient der Caritas ein Hartz-IV-Empfänger, rund 70 Prozent von ihnen sind alleinstehend. Etwa 65 Prozent der Ratsuchenden sind Frauen. Den größten Anteil haben die 40- bis 49-Jährigen (30,6 Prozent) sowie die 50- bis 59-Jährigen mit 27,3 Prozent.

Dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in Bonn immer größer wird, das belegen auch die Angaben des Jobcenters: Waren es im Februar noch 14.086 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, so weist die Statistik des Jobcenters im September 2015 (Daten nach einer Wartezeit von drei Monaten) bereits 14.382 aus. Die Behörde bestätigt auch die Beobachtung der Caritas: denn rund die Hälfte aller Bezieher lebten alleine.

Insgesamt bezogen 29.984 Bonner Hartz-IV-Leistungen. Unter ihnen sind 20.316 erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Die Gruppe der Alleinerziehenden ist zudem immer noch am stärksten auf staatliche Unterstützung angewiesen. "Bonn ist eine boomende Stadt mit wachsender Bevölkerung. Das merken wir allerdings auch an der steigenden Zahl von Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind", erklärt Günter Schmidt-Klag, Geschäftsführer des Jobcenters Bonn.

Schwierigkeiten für Geringqualifizierte Arbeitslose

Was für Bonn als Wirtschaftsstandort grundsätzlich ein Vorteil ist, macht es jedoch für Geringqualifizierte Arbeitslose schwer, eine Anstellung zu finden. "Der Bonner Arbeitsmarkt ist vor allem gekennzeichnet durch hoch qualifizierte Jobs im Bereich wissenschaftlicher und technischer Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheitswesen. Dagegen sind Branchen, die einfache Tätigkeiten auf Helferebene bieten, wie etwa das produzierende Gewerbe, Verkehr oder Lagerwirtschaft, eher schwach ausgeprägt", so Schmidt-Klag.

Natürlich wissen auch die Sozialarbeiter, dass sich nicht alles auf einen Schlag lösen lässt. "In kleinen Schritten versuchen wir, die oftmals komplexen Probleme anzugehen", so Jörn Unterburger. Denn die Arbeitslosigkeit sei oftmals nur der Auslöser. "In der Regel sind zuvor schon viele Lebenssäulen zusammengebrochen." Trennung oder Tod eines Angehörigen hätten das Leben vieler Klienten meist schon lange zuvor aus den Fugen gehoben.

Hilfreich sei für den Betroffenen jedoch die Vernetzung der Caritas. "Wenn wir hier nicht helfen können, dann können wir Ratsuchende schnell und unbürokratisch an eine andere Einrichtung vermitteln", so Unterburger. Wichtig sei allerdings, dass "wir das Gespräch auf Augenhöhe führen", so Heidi Klose, Bereichsleiterin Kinder, Jugend und Familie beim Bonner Caritasverband. Immer sei Hilfe zur Selbsthilfe das oberste Ziel. "Wir möchten dabei helfen, wieder unabhängig und selbstständig zu werden", so die Caritas-Sozialexpertin.

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