Interview: Horst Penzkofer, Mitarbeiter des Ifo-Instituts "Im Stadtsäckel landet nur ein geringer Anteil"

Wenn Kommunen in Messehallen und Konferenzsäle investieren oder Veranstaltungen bezuschussen, argumentieren sie häufig mit den positiven Effekten, die zusätzliche Besucher für eine Stadt haben - so auch im Fall des World Conference Center Bonn (WCCB). "Umwegrendite" heißt das vielzitierte Stichwort. Horst Penzkofer hat mehrere Standorte auf diese Effekte hin untersucht.

 Dass Kongressteilnehmer auch den Umweg durch die Einkaufsmeilen machen, ist die Hoffnung.

Dass Kongressteilnehmer auch den Umweg durch die Einkaufsmeilen machen, ist die Hoffnung.

Foto: Barbara Frommann

Herr Penzkofer, Umwegrendite klingt umständlich, worum handelt es sich genau?

Horst Penzkofer: Hinter dem Begriff verbergen sich drei unterschiedliche Kennziffern: Zum einen Arbeitsplätze, die durch Veranstaltungen wie etwa Kongresse in einer Stadt generiert werden, dann Kaufkrafteffekte, also Ausgaben der Veranstaltungsteilnehmer in der Hotellerie, Gastronomie oder im Einzelhandel, und zuletzt das Steueraufkommen, das durch diese beiden Effekte Kommunen, Land und Bund zugutekommt.

Sie haben für mehrere Standorte Studien zum Thema gemacht. Mit welchem Ergebnis?

Penzkofer: Meist haben Messegesellschaften, die unter anderem auch Kongresse veranstalten, diese Studien in Auftrag geben. In diesem Rahmen hat das Ifo-Institut im Jahr 2011 Köln untersucht, aber auch Düsseldorf, München, Leipzig oder Hamburg. Köln-Kongress sicherte beispielsweise nach unserer Untersuchung über 3300 Arbeitsplätze in Köln; Teilnehmer von Veranstaltungen gaben in der Stadt rund 179 Millionen Euro aus. Allerdings veranstaltet Köln-Kongress nicht nur Kongresse, sondern auch Konzerte im Tanzbrunnen, Tagungen in der Flora, Karnevalspartys im Gürzenich und so weiter. All diese Veranstaltungen in den unterschiedlichen Locations sind in die Studie eingeflossen.

Für diese Städte kann man aber schon generell sagen, dass sich das Engagement lohnt?

Penzkofer: Man kann daraus keine Effizienzkennziffer ableiten, die besagt, dass es sich finanziell lohnt. Was man aber sagen kann, ist, dass natürlich positive Effekte entstehen. Wenn wir von einem internationalen Kongress ausgehen, der drei oder vier Tage dauert, der Besucher aus dem Ausland anlockt, die in der Stadt übernachten, dann profitieren Hotellerie und Gastronomie auf jeden Fall, aber auch der Nahverkehr, Taxifahrer, der Einzelhandel, Handwerksfirmen, wenn noch etwas vorbereitet werden muss, oder Catering-Firmen. Meistens finden aber eben nicht nur hochkarätige internationale Veranstaltungen statt, sondern auch Konzerte, Seminare, Betriebsversammlungen mit überwiegend regionaler Besucherstruktur. Dabei ist der wirtschaftliche Effekt relativ bescheiden. Es ist also wichtig zu wissen, welches Portfolio letztlich in einem Kongresszentrum steckt.

Sie haben es schon gesagt: Zunächst profitieren Hoteliers, Gastronomen, Einzelhändler. Was hat die öffentliche Hand davon?

Penzkofer: Die öffentliche Hand bekommt Steuergelder aus zwei Quellen: Zum einen müssen Hoteliers, Gastronomen und der Einzelhandel Mehrwertsteuer entrichten. Und die Arbeitsplätze bringen Lohnsteuereinnahmen.

Wobei vor allem die Mehrwertsteuer ja zum Großteil in den Bundestopf fließt...

Penzkofer: Genau. Der Kommune kommen nur ungefähr zwei Prozent zugute, von der Lohnsteuer ungefähr 15 Prozent. Der Rest wird auf Bund und Land aufgeteilt.

Von dem, was erwirtschaftet wird, bleibt der Kommune also am Ende nur ein Bruchteil, richtig?

Penzkofer: Die Stadt hat natürlich schon allein den Vorteil, dass Arbeitsplätze durch die Ausgaben der Kongressteilnehmer gesichert werden. Vom Steueraufkommen landet zwar auch etwas im Stadtsäckel, aber das ist eben nur ein geringer Anteil, weil die Steuergesetzgebung die Verteilung so vorsieht. Die Veranstaltungen von Köln-Kongress haben beispielsweise rund 68 Millionen Steuereinnahmen ausgelöst, auf die Stadt Köln entfielen 2,9 Millionen.

Lässt sich beziffern, wie viel ein Kongressteilnehmer am Tag im Durchschnitt ausgibt?

Penzkofer: Das hängt wie gesagt vom gesamten Portfolio ab. Bei unseren Untersuchungen betrachten wir einen Standort, der schon im Betrieb ist, schauen uns an, welche Veranstaltungen dort stattfinden, suchen uns repräsentativ fünf bis zehn aus, deren Teilnehmer wir befragen. Auf dieser Basis wird eine Hochrechnung erstellt. Generell kann man sagen: Eine regionale Veranstaltung, die einen Tag dauert, bringt nicht viel Umwegrendite. Da hat man vielleicht Ausgaben von 50 bis 100 Euro. Bei einem internationalen Kongress, der fünf Tage dauert, gehen die Ausgaben wahrscheinlich in die 1000 Euro. Je erfolgreicher ein Standort internationale Kongresse akquiriert, umso höher sind also die Umwegkennziffern.

Das heißt, am Ende kommt es darauf an, sich als Standort am Markt zu platzieren?

Penzkofer: Die erste Voraussetzung ist, dass man erfolgreich am Markt akquiriert, also gegenüber Mitbewerbern, das kann eventuell auch London und Paris sein, etwas in die Waagschale werfen kann. Da spielen auch die kulturellen Angebote einer Stadt eine Rolle.

Lassen sich denn überhaupt seriöse Prognosen über eine zu erwartende Umwegrendite erstellen?

Penzkofer: Unsere Untersuchungen basieren darauf, dass das Kongresszentrum schon in Betrieb ist. Wir befragen mehrere tausend Kongressteilnehmer dezidiert nach ihren Ausgaben für Übernachtung, Verpflegung, im Einzelhandel, für kulturelle Aktivitäten und so weiter. Wir haben also harte Fakten. Wichtig ist, dass diese Befragungen auf einer repräsentativen Basis gemacht werden. Ohne Daten ist man immer einer sehr hohen Unsicherheit ausgesetzt und kommt schnell in Erklärungsnot. Eine Prognose erfordert etliche Annahmen: Erstens gehe ich davon aus, dass ich am Markt erfolgreich bin. Dann muss ich die Anzahl der Veranstaltungen, Teilnehmerzahl und -struktur und die Veranstaltungsdauer bestimmen. Also beispielsweise: Pro Jahr finden fünf Veranstaltungen mit jeweils 4000 Teilnehmern statt, die mehrheitlich aus dem Ausland kommen und im Schnitt drei Tage in der Stadt bleiben. Auf der Basis solcher Annahmen kann man natürlich ausrechnen, was sich an wirtschaftlichen Effekten ergeben würde. Aber sobald sich eine Annahme als falsch erweist, stürzt das ganze Kartenhaus ein.

Trotzdem wird die Umwegrendite herangezogen, um gerade öffentliche Bauprojekte wirtschaftlich zu rechnen und sie durch die politischen Gremien zu schleusen...

Penzkofer: Es ist ja auch unbestritten, dass wirtschaftliche Effekte auftreten. Allerdings ist fraglich in welcher Höhe. Wenn beispielsweise 20 000 internationale Besucher kommen, wirkt sich das natürlich positiv auf Arbeitsplätze, Kaufkraft und Steuereinnahmen aus. Aber die 20 000 Besucher müssen erst einmal kommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort