Kinos in Bonn Im Kampf gegen das Sofa zu Hause

Bonn · Im Konkurrenzkampf um die Gunst der Zuschauer bieten Bonns Kinobetreiber häufig mehr an als nur den Film. Nur die erfolgreichsten Produktionen sichern das Überleben.

 Die Sneak-Preview im Woki ist immer gut besucht.

Die Sneak-Preview im Woki ist immer gut besucht.

Foto: Benjamin Westhoff

Durch die Kinosäle weht zurzeit der Musical-Wind. Golden-Globe-Preisträger „La La Land“ sorgt für Furore. Auch in Bonn schafft der melancholisch-bunte Kultfilmanwärter, was nur wenigen Streifen gelingt: Er füllt sowohl Programmkinos als auch Multiplexe, die heute in der Stadt um die Zuschauer kämpfen.

„Bereits in der zweiten Spielwoche kamen 1100 Besucher, um den Film zu sehen“, sagt Dieter Hertel, Geschäftsführer des Endenicher Rex und der Filmbühne in Beuel. In wenigen Tagen ist das rund ein Fünftel der durchschnittlichen monatlichen Besucherzahl von 5500. Woki, Stern und Kinopolis sprangen ein wenig später auf den Zug auf – erst in der zweiten Woche des Deutschlandstarts. „Das Marketing von “La La Land„ hatte sich zunächst auf die Vermittlung an Arthouse-Kinos beschränkt“, erklärt Rainer Otto, Geschäftsführer des Woki. Mit solch einem Erfolg hätten kommerzielle Kinos nicht gerechnet, sie nehmen den „La La“-Boom aber gerne mit.

„Wer acht von zehn der weltweit erfolgreichsten Kinoproduktionen eines Jahres in seinem Programm führt, sichert sein Überleben“, sagt Otto. Sein Woki am Bertha-von-Suttner-Platz fahre aber zweigleisig: Blockbuster neben Filmkunst heißt das Motto. Star Wars neben Menschenrechtskino. Das Haus hat in drei Jahren rund zwei Millionen Euro in Umbauten investiert. Aus zwei Sälen wurden drei, größere Entfernungen zwischen den Sesseln sorgen für mehr Komfort beim Schauen. Alles im Kampf gegen den großen Konkurrenten: das Sofa zu Hause.

Wie oft gab es nicht schon ein Kinosterben? Mit den Erfindungen von Fernsehen, DVD, Bluray und Streaming am PC daheim. Zuletzt beschwor man, dass die teure Umrüstung auf digitale Projektoren den Betreibern das Genick brechen könnte. In Bonn ersetzte das Bad Godesberger Kinopolis 2009 bei „Avatar“ die alte Filmrolle durch eine Festplatte. 2012 zogen die anderen Kinos wie das Stern am Marktplatz, Filmbühne, Rex und Woki nach.

Auch die Brotfabrik ist inzwischen rundum digital. Im kleinsten Kino Bonns kann der Besucher jedoch an zwei Terminen im Monat noch 35-Millimeter-Filme von alten Metaprojektoren ansehen. „Wir zeigen Filme auch noch analog. Ob japanische Filme aus den Achtzigern oder Roadmovies, für die es manchmal keine digitale Versionen gibt“, sagt Geschäftsführer Ulli Klinkertz. Ein bisschen Nostalgie für flimmernde Bilder ist auch dabei.

„Die Digitalisierung hat sich bewährt“, sagt Hertel. Für ihn bedeutet sie vor allem Flexibilität. Filme können direkt hintereinander oder sogar parallel – vielleicht auch in unterschiedlichen Sprachen – abgespielt werden. Die Bilderqualität bleibt immer gleich gut. Und vor allem: Das Warten auf eine Filmkopie fällt weg: Es sind genug Festplatten im Umlauf.

2015 war weltweit Kinorekordjahr. In Deutschland setzten die Kinos laut Statistischem Bundesamt rund 1,16 Milliarden Euro um, fünf Jahre zuvor waren es 920 Millionen. 2016 musste der Markt allerdings Verluste einbüßen. „Für 2017 wird jedoch noch ein größerer Umsatz als 2015 prognostiziert. Kino in geraden Jahren hat es wegen Fußballmeisterschaften schwer“, sagt Woki-Betreiber Otto. Doch auch Online-Verleiher und Mediatheken sind große Konkurrenten.

Da reicht es nicht mehr, im Kino einfach nur Filme zu zeigen. So lockt die Sneak-Preview zusätzlich Leute ins Woki. Bei diesen Vorpremieren wissen die Leute nicht, welcher Film gezeigt wird und können ihn am Ende bewerten. Live-Übertragungen von Opern und filmische Rundgänge in renommierten Kunstausstellungen begeistern die Zuschauer in Filmbühne und Rex. „Eventcharakter mit kulturellem Anspruch“, nennt das Dieter Hertel. Auch einer der elf Kinopolis-Säle verwandelt sich seit vier Jahren gelegentlich in eine Opernhalle. „Kino ist heute Entertainment“, sagt Theaterleiterin Friederike Gruner. Gewinnspiele, Kino nur für Ladys, Kindergeburtstag, Seniorenkino, Filme für Berufstätige – das ist der Trend.

Die Technik haben die Betreiber im Griff. 3-D ist längst Standard, die Nachfrage ist laut Woki gleichbleibend hoch. Die letzte technische Neuerung, das High-Frame-Rate“-Verfahren (HFR), zeigt 48 Bilder pro Sekunde. Der Fernseher nur 24. „Das Bild ist so scharf, dass es für die Zuschauer ein völlig ungewohntes Sehen ist“, sagt Rainer Otto. Doch auch in Zukunft zähle: Ein Film muss vor allem eine gute Geschichte erzählen. Es sei ein kollektives Erlebnis, das ein Handy nicht bieten könne. Trotzdem sei es schwer, die Jugendlichen von Smartphones und Computer loszureißen, so die Beobachtung der Cineasten. Am liebsten kämen derzeit die 30- bis 50-Jährigen. Das Publikum wird immer älter. Und wippt bei den Liedern von „La La Land“ mit.

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