Generalsanierung Im Bonner Münster läuten die Glocken zur Klangmessung

BONN · Seit mehr als 250 Jahren verkünden sie frohe und traurige Nachrichten und laden ein zum Gebet: Die acht Glocken des Bonner Münsters. Anlässlich der Generalsanierung des Münsters werden jetzt auch die Glocken in der kommenden Woche untersucht.

Während dieser Zeit werden sie testweise zu unterschiedlichen Zeiten läuten. Die Klanganalyse wird durch das Europäische Kompetenzzentrum für Glocken „ProBell“ der Hochschule Kempten durchgeführt.

Die Fachleute nehmen den gesamten Glockenstuhl und das Geläut mit modernster Technik unter die Lupe. Falsche Aufhängungen oder ein zu starker Anschlag des Klöppels können beispielsweise die Glocke nach und nach unbemerkt beschädigen oder gar zerstören. Damit die Münster-Glocken noch lange läuten können, werden die Experten jetzt einen musikalischen Fingerabdruck jeder einzelnen Glocke erstellen. Dabei analysieren sie nicht nur das Klangverhalten und die Dynamik der Glocke selbst, sondern auch Einflussfaktoren wie die Läutemaschine, Klöppelinstallation und Klöppelaufhängung.

Das Europäische Kompetenzzentrum für Glocken „ProBell“ hat Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, das Gefährdungspotenzial des Läutens für eine Glocke zu bestimmen. Die Beanspruchungen einer Glocke beim Läuten werden mit geeigneten Computermodellen simuliert und anhand von vorliegenden Daten zur Lebensdauer und Ermüdungsfestigkeit der Glockenbronze bewertet. Mithilfe der Computermodelle lassen sich optimale Läutebedingungen und ein auf das jeweilige Glockensystem abgestimmter Klöppel berechnen.

Besonders stark gefährdet sind historische und große Glocken, deren Beanspruchungsgeschichten leider nicht bekannt sind. Um es bei solch wertvollen Glocken gar nicht erst zum Schaden kommen zu lassen, wurde der musikalische Fingerabdruck von Glocken entwickelt, der es ermöglicht, bereits kleinste Anrisse im Materialgefüge festzustellen. In einem derart frühen Stadium eines Schadens kann dessen Ausbreitung noch mit einfachen und kostengünstigen Veränderungen an der Glockenaufhängung und den Läutebedingungen gestoppt oder stark verlangsamt werden.

Die Erkenntnisse der Forschungen wurden bereits bei einer Vielzahl von bedeutenden Glocken in Projekten zur Anwendung gebracht. Der gebrochene Klöppel der Petersglocke im Kölner Dom wurde von den Experten berechnet, um einen erneuten Klöppelbruch auszuschließen und sie in Zukunft schonender zu läuten. Verschiedene historische Geläute – unter anderem im Mittelzeller Münster/Insel Reichenau, im Eichstätter Dom und im Braunschweiger Dom – wurden mithilfe des musikalischen Fingerabdrucks auf Schäden hin untersucht und wo erforderlich wurden Vorschläge für neue Klöppel erarbeitet.

Wegen der bevorstehenden Generalsanierung ist das Münster seit dem 23. Juli geschlossen. Nach dem letzten Gottesdienst läuteten auch ein letztes Mal alle acht Glocken. Sechs stammen aus dem Jahr 1756, eine aus dem Jahr 1757 und die kleinste ist rund 70 Jahre älter. Die sogenannte Kurfürstenglocke wiegt 3,4 Tonnen und hat einen Durchmesser von 1,78 Meter. Insgesamt bringt das Geläut knapp zehn Tonnen auf die Waage.

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