Verfolgte und Ermordete im Vordergrund Gedenkstunde für NS-Opfer im Schauspielhaus

Bad Godesberg · Bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus betont Bonns OB Ashok Sridharan, dass Antisemitismus nie wieder einen Platz in der Gesellschaft haben darf. Jurek Becker überzeugt mit einer szenischen Lesung.

Der Opfer des Nationalsozialismus wurde am Sonntag beim bundesweiten Gedenktag auch in Bonn gedacht. Oberbürgermeister Ashok Sridharan erinnerte im Schauspielhaus in Bad Godesberg an die Verfolgten und Ermordeten und betonte in seiner Rede den Zusammenhang zwischen dem Erinnern und dem Verändern der Gegenwart und Zukunft. Er nahm die Zuhörer und jeden anderen Bürger in die Pflicht, jeden Tag dafür einzustehen, dass Antisemitismus nie wieder einen Platz in der Gesellschaft erhält.

„Judenhass ist im Moment wieder sehr häufig“, bedauerte Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus. Sie lobte auch die Gestaltung der Gedenkstunde durch das Theater Bonn mit einer beeindruckenden szenischen Lesung von Stefan Viering aus „Jakob der Lügner“ von Jurek Becker. „Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt seit vielen Jahren auf der Emotion, weil gerade dieser Aspekt wesentlich ist, um verstehen zu können, was passiert ist und auch was heute passiert“, sagte Mehmel.

Stille im Theatersaal

Und so wurde die Stille im Theatersaal noch intensiver, als Viering vortrug: „Ja, es gab keinen Widerstand in meinem Dorf. Und ja, ich habe bis zum Schluss stillgehalten – ändern kann ich daran jetzt auch nichts mehr“. Er selbst habe sich der Thematik vor allem über die Werke von David Grossmans „Kommt ein Pferd in die Bar“ oder „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ von Amos Oz angenähert, eine persönliche Beziehung gebe es nicht, so der Schauspieler. „Die sollen was mitnehmen“, sagte er, einen Finger auf das Publikum gerichtet, „ich erzähle nur eine Geschichte – genau wie Jakob.“

Lob für die Gestaltung der Gedenkstunde gab es, neben den zahlreichen Organisationen, aus denen sich die Bonner Initiative zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zusammensetzt, auch von eingeladenen Vereinen wie den Zeugen der Zeitzeugen. „Wissensvermittlung ist wichtig, reicht aber nicht aus“, sagte Natalia Part. Der Verein setzt sich dafür ein, die Zeit, die bleibt, um mit Holocaust-Überlebenden zu sprechen, gut zu nutzen und die entstehende Lücke, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, durch Aufzeichnungen bestmöglich zu füllen. „Auch unsere Arbeit zeigt uns immer wieder, wie wichtig es ist, die emotionale Ebene spürbar zu machen.“

Besucherin Degas Mayya kritisierte, dass nur sehr wenige junge Menschen im Publikum saßen. „Ich denke, dass mit der Errichtung eines jüdischen Museums in Bonn sich auch Familien und junge Menschen mehr angesprochen fühlen könnten“, sagte sie. Gefehlt habe ihr auch ein etwas ganzheitlicher Blick: „Nicht nur wir Juden haben Angst vor den aktuellen Geschehnissen“, betonte Mayya.

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