Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Herbert Weffer: Bönnsches Urgestein mit vielen Talenten

BONN · Nur weil Herbert Weffer inzwischen 86 Jahre alt ist, ist er nicht weniger gewitzt als früher. Der Bonner Heimatforscher, Mundart-Experte und Autor von inzwischen 35 Büchern wartet auf die GA-Fotografin, als es klingelt und stattdessen der Werber eines großen Strom-Unternehmens vor der Tür steht.

Er legt gerade los, sein angeblich billiges Strom-Produkt anzupreisen, als Weffer bloß sagt: "Mer sin jo froh, wenn mer Jeld ussjevve künne." Der Werber bekam den Mund nicht mehr zu und zog von dannen. So eine Antwort auf Bönnsche Art hatte er nicht erwartet. Wer Herbert Weffer kennt, ist davon nicht überrascht. In vielen seiner Bücher beschäftigt er sich mit Bönnscher Sprache, und die hat es eben in sich, mit all ihrer Gewitztheit und Schlagfertigkeit.

"Ich kann in Bönnsch Platt jemandem etwas sagen, was in Hochdeutsch nicht geht", sagt er. Wenn man zum Beispiel einen anderen als "Jeck" tituliert, Steigerung: "du ahle Jeck". Jemanden statt dessen in bestem Hochdeutsch als "Narr" zu betiteln, wäre irgendwie unhöflich.

Der Bönnsche an sich weiß also durchaus die Vorteile aus seinem Dialekt zu ziehen. Herbert Weffer auch. Er war schon früh ein ausgeschlafenes Kerlchen. Zum Beispiel, als er in Kindertagen beim "Herzblättchen"-Kartenspiel mit Erwachsenen sein Taschengeld aufbesserte, indem er immer gewann. "Es gab im Krieg keine neuen Karten", klärte er später einmal auf.

"Und ich kannte sie alle von hinten." Unterhaltsam ist eine Unterhaltung mit dem Senior allemal, der seit 1972 in seinem Haus in Limperich wohnt, aber gebürtiger Endenicher ist. "Ich bin nie ein richtiger Beueler geworden", gibt er zu. "Und ich bin noch mehrmals pro Woche in Endenich."

Dann fährt er mit seiner Frau Gisela, mit der er seit 1955 verheiratet ist und vier erwachsene Kinder hat, zum Beispiel ins Gasthaus Nolden zum Essen. Auch um alte Erinnerungen aufzufrischen und womöglich Bekannte zu treffen. Wie den Noldens Hans oder den Roeders Tünn, alles langjährige Mitstreiter. Weffer fährt übrigens noch selbst: "Ich habe 65 Johr de Führersching und keine Schramme am Auto."

Doch die alten Zeiten, von denen Weffer bei den regelmäßigen Mundart-Abenden in Endenich erzählt, sind schon lange her. "Mer han domals als Pänz op de Stroß jespillt und nur Platt jesproche", sagt er. "Und ich kann mich noch erinnern, als die Straßenbahn durch Endenich fuhr."

Vor allem das Bewahren der Mundart liegt ihm nach wie vor am Herzen. Seine Bücher tragen Titel wie "Leck mich en de Täsch", "Behütet, bebombt und Steine geklopft", "Vom Dökes on singem Drömmerömm" oder "Der rheinische Genitiv und seine Mitläufer".Aber es gibt auch noch eine andere Seite des Mundart-Mannes: Weffers Faible für Historie geht so weit, dass er eine Fortsetzungsserie "Bonner Ahnen" und bis jetzt insgesamt 340 Ahnenreihen aufgelegt hat.

Er kann Wappen nicht nur malen wie kein Zweiter, sondern selbst gestalten. Und er übersetzt gerade Grimm'sche Märchen in den Bönnschen Dialekt. Außerdem arbeitet er an einer Ahnentafel seiner eigenen Familie und am Stammbaum einer Familie aus der Eifel. "Ich habe keine Langeweile, das können Sie mir glauben", sagt er und zeigt wie zum Beweis auf seinen gut gefüllten Schreibtisch.

Weffers Lebensweg umfasste viele Tätigkeiten. Erst arbeitete er als Kaufmann im elterlichen Bekleidungsgeschäft, machte mit 31 Jahren eine Ausbildung zum Architekten und war in diesem Beruf zwölf Jahre lang selbstständig. Schon damals aber fiel er durch heimat- und familienkundliche Veröffentlichungen auf.

Einer seiner Freunde hatte ihm gesagt: "Wenn du es nicht machst und das alles aufschreibst, dann macht es kein anderer." Zurück zur Vita: Weffers Tätigkeit fiel dem Rhein-Sieg-Kreis auf, der ihn als Archivar engagierte, wo er von 1971 bis zur Pensionierung 1993 arbeitete und erst mal das vernachlässigte Archiv auf Vordermann brachte.

Für sein ehrenamtliches Engagement gab's viel Lob: Weffer wurde mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet, ist Ehrenmitglied im Bonner Heimat- und Geschichtsvereins und erhielt die Ehrenmedaille der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde. Und er war 2008 Gründer des Arbeitskreises "Bönnsch-Freunde für die Erhaltung der Mundart".

Bönnsch ist für ihn eine sehr blumige Sprache. Mit Tücken und Macken, so gibt es zum Beispiel keinen Genitiv, so dass ein Einheimischer niemals sagen würde, "die Tasche des Kindes". Statt dessen heißt es einfach "dämm Kind sing Täsch". Und der Anfangsbuchstabe G existiert in dem von ihm geschriebenen Bönnschen Wörterbuch nicht, statt dessen benutzt der Bönnsche das J.

Und wer ein Ur-Einwohner Bonns ist und in der Zeit von 1814 bis 1822 Vorfahren in Bonn hatte, findet sie in dem Adressbuch aus dieser Zeit wieder, das Weffer geschrieben hat. Dort findet man zum Beispiel die Information, dass mit der Eröffnung der Bonner Universität im Jahr 1818 in der Straße Am Hof 15 auch schon eine Buchhandlung eröffnet wurde.

Betrieben wurde sie von dem 1793 in Werle (Mecklenburg) geborenen Adolph Marcus. Das Geschäft ist später an Emil Stauß und 1891 an Ludwig Röhrscheid übergegangen. Solche Infos werden im Stadtarchiv von den Besuchern geschätzt. "Mein Adressbuch ist das meistbenutzte Buch dort", ist Weffer ziemlich sicher.

Leider ist das Adressbuch genau wie die meisten seiner anderen Bücher vergriffen. Und die Verlage, so Weffer, seien zu ängstlich, um sie nachzudrucken. Reich ist er mit den 35 Büchern sowieso nicht geworden. Das meiste Honorar investierte er ins nächste Buchprojekt, und manchmal zahlte er auch drauf. "Ävver dat darf ming Frau net wissen", schmunzelt er.

16.000 Exemplare eines Buchs mit Bonner Ansichtskarten, das war die bisher meistverkaufte Auflage. Weffers Meisterwerk allerdings, für das er 20 Jahre lang recherchierte, ist ein anderes. Es war - die alte Heimat lässt grüßen - das große Endenich-Buch. Ebenfalls längst vergriffen.

Weffer und Bonn, das ist eine Liebesbeziehung. Und die daraus resultierenden Ergebnisse werden auch künftige Generationen irgendwann zu würdigen wissen. In den Grundstein der neuen Sparkassen-Hauptstelle am Friedensplatz wurden nicht nur Münzen eingelassen und eine Tageszeitung, sondern auch seine beiden Bönnsch-Wörterbücher. Damit die Vergangenheit bewahrt wird. Bis in die Zukunft hinein.

Typisch Bönnsch

Das sagt Herbert Weffer über seine Heimat:

Mein Lieblingsplatz ist Endenich.

An Bonn gefällt mir, dass es meine Heimat ist, wo ich aufgewachsen bin.

Typisch bönnsch ist für mich Beethoven. Obwohl das ja gar keine Bonner Familie war, sondern aus Holland kam.

Ich vermisse in Bonn eigentlich nur Parkplätze.

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