Flüchtlinge in Bonn Helfer beklagen mangelnde Unterstützung

Bonn · Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit stoßen angesichts der vielen Betreuten immer wieder an Grenzen. Einige von ihnen werfen der Stadtverwaltung mangelnde Unterstützung vor. Diese kontert: Betreuende Lotsendienste könne man nicht leisten.

 Karin Schüler (2. von links) mit Salah (von links), Aysha, Hussein, Jalal und Nessrin Shikho.

Karin Schüler (2. von links) mit Salah (von links), Aysha, Hussein, Jalal und Nessrin Shikho.

Foto: Ronald Friese

Wenn Karin Schüler erzählt, wie prächtig sich viele von Flüchtlingshelfern betreute Asylsuchende schon integriert haben, dann gerät sie ins Schwärmen. „Integration heißt Bildung plus Arbeit plus Wohnung. Vielen in Bonn haben wir dazu schon verholfen“, sagt die Ex-Fachfrau des Deutschen Entwicklungsdienstes. Auch die syrische Familie in ihrer Nachbarschaft sei eine Freude: Gerne besucht Karin Schüler die Familie in deren gepflegtem Gemüsegarten.

Wenn Schüler aber von von „unnötigen Hürden“ berichtet, die die gut 30 Ehrenamtlichen ihrer Flüchtlingshilfe Friesdorf im Kontakt mit der Stadtverwaltung zu überspringen hätten, schüttelt sie den Kopf. „Was wir seit Monaten mit nicht miteinander kooperierenden Ämtern erleben, ist ein zeitraubendes Ping-Pong-Spiel.“

"Für jede Kleinigkeit Klinken putzen"

Aber Zeit dürfe in der Flüchtlingshilfe nicht verloren werden. Etwa auf der Suche nach Schulplätzen oder Wohnungen finde ihr Team, in dem unter anderem Pädagogen und Juristinnen mitarbeiten, zu wenige und zudem überforderte Ansprechpartner, die meist an andere Stellen weiterverwiesen. „Warum müssen wir für jede Kleinigkeit immer wieder Klinken putzen?“, fragt Schüler. Es fehle Transparenz. „Es fehlt eine koordinierende Taskforce, die die rund 80 Bonner Initiativen endlich untereinander kurzschaltet und konzentriert weiterarbeiten lässt.“

Andere Ehrenamtliche wie Birgit Thielmann von der Flüchtlingshilfe der evangelischen Heiland-Kirchengemeinde äußern sich zurückhaltender. Thielmann berichtet von guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Sozialamt und Jobcenter und dass die sehr belasteten Ehrenamtlichen hier gewürdigt würden.

„Daneben spüre ich aber hin und wieder, dass die Behörden sich in gewisser Weise abgrenzen wollen. Ich erkläre mir dies damit, dass auch dort die Arbeiten und Verantwortlichkeiten sich häufen.“ Kritisch sieht Thielmann die Situation bei der Suche nach Wohnungen. „Bei der Wohnraumsuche fühle ich mich, fühlen sich viele Ehrenamtliche alleingelassen. Hier gibt es keinen direkten Ansprechpartner, der bei der Suche behilflich ist“, klagt sie.

Monika Bühler von der Beueler Initiative gegen Fremdenhass verweist auf einen anderen, „ganz wunden Punkt“ fest: der bundesweit umstrittenen Gültigkeitsdauer von Verpflichtungserklärungen für Syrienflüchtlinge, die viele Ehrenamtliche gegeben hätten. „Wir wurden von Beratungsstellen, Rechtsanwälten und auch von Mitarbeitern des Ausländeramtes dahingehend beraten, dass diese Verpflichtung nach erfolgter Asylanerkennung erlischt. Nun ist die Frage, wie sich diese Leute verhalten, wenn es demnächst zu Klagen kommen wird. Ob sie dann zu ihren Aussagen stehen werden?“, fragt Bühler.

Stadtdekanat: Gute Zusammenarbeit mit der Stadt

Eine vorsichtige Einschätzung kommt vom katholischen Stadtdekanat. „Es gibt einen intensiven Austausch und eine gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und den ehrenamtlichen Strukturen in der Aktion Neue Nachbarn Bonn“, sagt Sprecher Reinhard Sentis. Dass so kompetente Arbeit von so vielen gut organisierten ehrenamtlichen Kräften geleistet werde, sei für die Stadt sicher ein Novum. Deshalb tauschten sich beide Seiten aus, „wie sie ihr Miteinander in der Flüchtlingsarbeit noch besser vernetzen können“.

Auch Jessica Hübner-Fekiri, Koordinatorin der evangelischen Flüchtlingshilfe Bad Godesberg, sieht nachvollziehbare Reibungspunkte. Gerade Ehrenamtliche verliehen den Flüchtlingen eine Stimme und arbeiteten eben sehr mit Eigeninitiative. Sie reagierten unkompliziert auf den Bedarf an Ort und Stelle, wovon auch die Ämter profitieren könnten. „Aber dies ist aus verschiedenen Gründen noch nicht immer möglich“, so die Koordinatorin. Hübner-Fekiri spricht von einer Herausforderung für die Verwaltung angesichts dieses neuen Gegenübers.

„Zu loben ist vor allem die Zusammenarbeit mit den städtischen Sozialarbeiterinnen in den kommunalen Unterkünften. Die Bereitschaft zur Kooperation und die Wertschätzung der Einzelfallbegleitung sind hier offensichtlich und gut“, so Hübner-Fekiri. Andererseits sieht sie Handlungsbedarf für Schulen und Kindergärten. „Sie sollten vor dem Bezug großer Unterkünfte die Gelegenheit bekommen, sich zu vernetzen und gemeinsame Herangehensweisen zu entwickeln. Die Verantwortung sollte nicht beim Ehrenamt liegen.“

Stadt: Ein Lotsendienst ist nicht leistbar

Marc Hoffmann, Vizesprecher der Stadt Bonn, sagte zu den Vorwürfen, Ämter kooperierten nicht miteinander und Ehrenamtliche würden hin und her geschickt: "Manche Ehrenamtliche – aber auch Hauptamtliche – erwarten eine Art Lotsendienst durch die Verwaltung, damit ein Fall koordiniert bearbeitet wird. Das ist leider nicht leistbar."

Zu der Kritik, dass es an Transparenz fehle und wertvolle Zeit verrinne, meinte Hoffmann: "In regelmäßigen Abständen finden Gesprächsrunden mit Ehrenamtlichen statt; Ansprechpartner, E-Mailadressen und Telefonnummern sind bekannt." Ein weiterer Vorwurf: Es fehle bei der Stadt (über die Integrationsbeauftragte hinaus) eine koordinierende Taskforce. Hoffmann: "Wenn mit der 'koordinierenden Taskforce' Verwaltungslotsen durch die Ämter gemeint sind, samt Verknüpfung und Bündelung der notwendigen Schritte für einen Einzelfall und ein abgestimmtes Vorgehen und Erledigen, ist dies aufgrund der Arbeitsweise und der Personalressourcen der Verwaltung nicht möglich."

Hoffmann weiter: "Das Engagement der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe wird von der Stadt ausdrücklich und bei vielen Gelegenheiten gewürdigt und in vielerlei Hinsicht auch unterstützt." Regelmäßig fänden große und kleine Gesprächsrunden mit Ehrenamtlichen statt, um Fragen und Kritik aufzugreifen und sich auszutauschen. Dabei seien zahlreiche städtische Ämter und sonstige Behörden präsent. Auch in vielen Einzelfällen und Detailfragen bemühten sich Ämter und Dienststellen um konstruktive Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern. "Die Stadtverwaltung bittet aber um Verständnis, dass sie die gesamte Bevölkerung im Blick haben muss."

Einige Ehrenamtliche fühlen sich bei der Wohnraumsuche für Flüchtlinge alleingelassen. Hoffmann: Die Stabsstelle Integration und das Amt für Soziales und Wohnen haben kürzlich zu einem intensiven Austausch mit Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingshilfe, die sich insbesondere um das Thema Wohnungssuche kümmern, eingeladen. Dies wird fortgesetzt.

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