Nach 80 Jahren nicht mehr in Bonn Haribo Kastanien-Aktion zum ersten Mal auf der Grafschaft

BONN/GRAFSCHAFT · Zum ersten mal seit 80 Jahren findet die Haribo Kastanien-Aktion nicht in Bonn statt. Kastanien werden gegen Gummibärchen getauscht. Viel Platz und schnelle Abfertigung sorgen für reibungslosen Ablauf.

Keine nervenden Wartezeiten, keine langen Schlangen. „Das geht wirklich ruck, zuck hier“, schwärmt Thorsten Muss. Mit der vierjährigen Mia war der Familienvater aus Köln-Pulheim gekommen, um am neuen Haribo-Werk in der Grafschaft Kastanien und Eicheln gegen Süßes einzutauschen. Kaum war das Wiege- und Ausgabegeschäft erledigt, strahlte Mia über das ganze Gesicht: Neun Kilo Gummibärchen und Lakritz konnte sie mit in die 70 Kilometer entfernte Heimat nehmen.

„Teilen, teilen, das macht Spaß, dann hat jeder was“, dichtete die kleine Mia. In ihrem Kindergarten möchte sie die süßen Leckereien nämlich in ihrer „Frosch-Gruppe“ aufteilen.

Seit mehr als 80 Jahren gibt es die von Hans Riegel senior 1936 aus der Taufe gehobene Tauschaktion, die bislang stets in Bonn stattfand. Begonnen hatte alles mit einem Sammel- und Tauschspaß für Kinder aus der Haribo-Nachbarschaft in Friesdorf, im Norden von Bad Godesberg gelegen. Dort hatte der Süßwarenkonzern bislang seinen Hauptsitz.

Im Laufe der Jahre ist daraus eine Großveranstaltung geworden, die weit über die Grenzen der Region hinaus Bekanntheit erlangt hat. Kein Wunder also, dass auch diesmal wieder Freunde des Gummibären und der Lakritzschnecke von weither anreisten.

So rückte eine Familie beispielsweise gar aus Wilhelmshaven an, eine andere kam aus Bielefeld. „Seit Jahrzehnten ist das ein Publikumsmagnet für Jung und Alt“, so Haribo-Sprecher Sven Jacobsen.

Das war diesmal nicht anders, zumal das Familienevent von einem bunten Programm flankiert war. Eine Hüpfburg war aufgebaut, es gab eine Mal- und Bastelecke, ein Glücksrad, ein kleines Karussell drehte Runde um Runde, ein großer Haribo-Gummibär ließ sich mit den kleinen Kastaniensammlern gerne fotografieren. Und das bei nass-kaltem Wetter und stürmischem Wind.

Klar im Vorteil waren die Kastaniensammler aus Rheinland-Pfalz. Dort sind zurzeit – anders als im benachbarten Nordrhein-Westfalen – schon Herbstferien, so dass die in den vergangenen Tagen eingesammelten Kastanien am Morgen oder am Vormittag abgeliefert werden konnten. Damit auch Kinder aus NRW an der Tauschaktion teilnehmen können, hatte man zumindest am Donnerstag bis 18 Uhr die Waagen geöffnet. Freitag um 16 Uhr endet die Aktion.

Norman Zöllig hat ein Heimspiel: Mit Sohn Max und dessen Schulfreund ist er aus Gelsdorf gekommen: „Für uns ist das natürlich sehr bequem“, so der junge Familienvater, der die Kisten voll bepackt mit Kastanien tragen darf.

Mit Schubkarren, fahrbaren Mülltonnen, Boller- oder Schiebebügelwagen ging es vom Parkplatz zum Abwiegeplatz. Zur Freude der Kinder wurde von den Haribo-Mitarbeitern nicht nur großzügig aufgerundet, auch durfte sich so mancher kleiner Sammler flott mal mit auf die Waage stellen, um so das Gesamtgewicht etwas positiver zu gestalten.

Bereits vor Tag und Tau waren die ersten Familien in den Grafschafter Innovationspark gekommen. Als um sieben Uhr die aufgebauten Waagen freigegeben wurden, ging alles schnell. 50 Kilo Kastanien und Eicheln dürfen maximal abgegeben werden. „Das nehmen wir aber nicht so genau“, meinte Sven Jacobsen. In einem Verhältnis von 10:1 beziehungsweise 5:1 werden die Waldfrüchte auf geeichten Waagen gegen vorgepackte Mischware von Haribo eingetauscht. Erstmals fand die Aktion am neuen Sitz der Firmenzentrale statt. „Das geht hier alles viel schneller als in Bad Godesberg“, freute sich Jacobsen.

Fast 70 Helfer waren im Einsatz

Die gesamte Logistik sei völlig unproblematisch. „Wir haben hier viel Platz, es gibt keine Parkraumprobleme und keine Nachbarn, die sich wegen der früher üblichen langen Warteschlangen und davon ausgehendem Lärm und Beeinträchtigungen beschweren“, erklärte der Haribo-Sprecher. Das bestätigt eine junge Mutter, die mit ihren zwei Kindern aus Bonn gekommen war: „Hier müssen wir nicht lange im Regen stehen. Alles ist bestens organisiert. In Bonn hatte ich mit den Kindern eine Wartezeit von vier Stunden.“

Fast 70 Helfer waren im Einsatz, um für einen reibungslosen Ablauf des ersten Tauschtages zu sorgen. Die Grafschafter Feuerwehr fungierte als An- und Abfahrt- und Parkplatzlotse, Ehrenamtliche des Roten Kreuzes standen für etwaige Notfälle bereit.

Die Waldfrüchte werden an Tier- und Wildparks in Deutschland und Österreich zur Fütterung während der Winterzeit gespendet. Es werden grundsätzlich nur Rosskastanien und Eicheln ohne Kappen und Hüllen entgegengenommen. Diese sind zum Abwiegen unbedingt voneinander zu trennen. „Wichtig ist, dass die Waldfrüchte nicht schimmeln, weil sie sonst nicht zur Fütterung genutzt werden können.

Daher ist eine kühle, trockene und dunkle Lagerung empfehlenswert“, erklärte Jacobsen einigen Eltern, die so schon wertvolle Tipps für künftige Kastanienaktionen bekamen. Insgesamt waren es in den vergangenen Jahren stets rund 10 000 Sammler, die sich zu Haribo aufmachten, um Kastanien und Eicheln gegen Goldbären zu tauschen. 200 Tonnen Kastanien und 70 Tonnen Eicheln kommen Jahr für Jahr zusammen. 2009 war das bisherige Rekordjahr: 20 000 Sammler lieferten damals 260 Tonnen Kastanien und 150 Tonnen Eicheln ab.

Die Wartezeit betrug acht Stunden. Dank besserer Logistik und guter Organisation war das diesmal anders. Warten musste keiner. Allerdings gab es auch weitaus weniger Kastanien. Schuld ist ein unangenehmer Schädling: die Rosskastanienminiermotte. Deren Larven fressen sich genüsslich durch Ober- und Unterhaut eines Blattes. Befallene Kastanien verlieren bereits vorzeitig ihr Laub und weisen weitaus weniger Kastanien auf. „Der gesamte Kastanienertrag liegt wegen des Schädlings bis zu 50 Prozent unter dem des Vorjahres“, erklärte Haribo-Sprecher Jacobsen.

Am Abend waren dennoch zig Container voll und die Sammler zogen voll bepackt vondannen. Motto der glücklichen Topifrutti-, Color-Rado- oder Berries-Empfänger: Lakritz und Weingummi haben halt wenig Vitamine. Deshalb muss man so viel davon essen.

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