Universität Bonn Goldfuß-Museum zeigt Schönheit und Ästhetik der Seeigel

Bonn · Eine Ausstellung im Goldfuß-Museum in Bonn zeigt 500 Exemplare der stacheligen Schönheiten. Als der Arzt Volker Thiel seinen Kittel an den Nagel hängte, begann er mit dem Studium der Palöontologie.

 Der Paläontologe Jes Rust (links) mit seinem ehemaligen Studenten, dem Arzt, Geologen und Paläontologen Volker Thiel.

Der Paläontologe Jes Rust (links) mit seinem ehemaligen Studenten, dem Arzt, Geologen und Paläontologen Volker Thiel.

Foto: Stefan Hermes

Es gibt sehr unterschiedliche Arten, sich mit Seeigeln vertraut zu machen. Die schmerzhafteste Begegnung ist sicherlich, auf ihn zu treten, die bekömmlichste, ihn aufzuschneiden und ihn dann – wer‘s mag – genüsslich auszulöffeln. Die beschaulichste Art, Schönheit und Ästhetik der uns meist verborgen bleibenden Formenvielfalt von Seeigeln zu begegnen, ist noch bis zum Juni des Jahres im Goldfuß-Museum der Bonner Universität möglich, das man in der ersten Etage des Steinmann-Instituts an der Nussallee findet.

Die Ausstellung zeigt weit über 500 bis zu 400 Millionen Jahre alte Seeigel aus dem Rheinischen Schiefergebirge genauso wie Exemplare der bis heute lebenden Arten aus den Weltmeeren. Die in 55 Vitrinen vorzüglich aufbereitete Schau ist für den Laien ebenso interessant wie für den Experten. Dass sie bereits wenige Tage nach der Eröffnung viele Besucher angezogen hat, überrascht weder den Paläontologieprofessor am Steinmann-Institut Jes Rust, noch den Sammler Volker Thiel. „Es geht in der Ausstellung ja nicht nur um Aufklärung, sondern auch um die Vermittlung von Schönheit und Ästhetik“, so Rust.

Das Leben des Arztes Volker Thiel scheint in hohem Maße durch seine Sammelleidenschaft gestaltet zu sein. Schon als 20-Jähriger war der in diesem Jahr 80 Jahre alt werdende Orthopäde auf den Kalktrockenrasen der Eifel unterwegs, um Orchideen zu kartieren. Als er mit seinem Arbeitskreis etwa 40 Arten gefunden und veröffentlicht hatte, erschöpfte sich das Thema für ihn. Doch die spezielle Geologie der Eifel brachte ihn auch mit dem Reichtum von Fossilien in Berührung, die sich in dem dort vor rund 350 Millionen Jahren vorhandenen Korallenriff zuhauf finden ließen.

Bis zu 40.000 fossile Exemplare

Irgendwann traf er die Entscheidung, sich auf Seeigel zu konzentrieren, was dazu führte, dass er heute über eine Sammlung von etwa 30.000 bis 40.000 fossiler Exemplare und weiterer 4000 Seeigel von den etwa 800 noch lebenden Arten verfügt. Mit einem Kleinlaster verfrachtete er die Ausstellungsexemplare von Düsseldorf, wo er bis 2003 eine Orthopädie-Praxis unterhielt, in das Bonner Goldfuß-Museum. Unweit davon hatte er in den 60er Jahren als Student der Medizin im Anatomie-Saal an der Nussallee gesessen. Als Thiel am 30. September 2003 seinen Arztkittel für immer auszog, begann er am nächsten Tag ein Studium der Geologie/Paläontologie am Steinmann-Institut und vertiefte damit auch sein Wissen um die Stachelhäuter, nach denen er inzwischen weltweit auf die Suche geht.

Von den Erdpolen bis zum Äquator, im Flachwasser und in der Tiefsee: Seeigel finden sich fast überall. Meeresströmungen, klimatische Faktoren und geographische Einflüsse sorgen für die globale Verbreitung der Seeigel, die für Wissenschaftler der verschiedensten Fakultäten sehr aufschlussreich sein kann. Man findet Seeigel in Größen von wenigen Millimetern bis zu etwa 30 Zentimetern Durchmesser. Ihr Skelett umschließt den Körper fast vollkommen. Eine Besonderheit der Seeigel ist ihr Kauapparat, von Plinius als „Laterne des Aristoteles“ bezeichnet, dem die Ausstellung eine Vitrine mit aus dem 3-D-Drucker nachgebauten Modellen widmet. Die „Laterne“ ist wie der gesamte Körper der Seeigel pentamer (griechisch für fünfteilig) gebaut und besteht aus fünf Zähnen, die in fünf Kiefern sitzen. Mithilfe des Zahnapparates können Seeigel Oberflächen abschaben oder Nahrungsteile zerkleinern, einige Arten bohren sich mit ihm auch in Gesteine ein. Das Skelett des Seeigels ist mit seinem modularen Aufbau aus polygonalen Platten schon frühzeitig eine Inspiration für Künstler und Architekten gewesen – lange bevor in den 60er Jahren der Begriff der „Bionik“ eingeführt wurde.

Neben den vielen faszinierenden Seeigel-Exemplaren, die Thiel für die Bonner Schau zusammengestellt hat, zeigt er auch den Seeigel als Vorbild für die Architektur. Gebäude wie das Pantheon in Rom (128 n.Chr.) oder das knapp zwei Jahrtausende später entstandene Ozeaneum in Spanien sind Konstruktionen, die als Schalentragwerke große Spannweiten durch die leichte und materialsparende Bauweise möglich werden ließen, die dem Seeigel abgeguckt wurden.

Die Ausstellung „Seeigel – stachelige Schönheiten“ ist noch bis Juni 2019 im Goldfuß-Museum im Steinmann-Institut an der Nussallee 8 zu sehen. Öffnungszeiten von Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr und sonntags von 13 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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