Zwei Entscheidungen stehen aus Bonn soll zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntag erhalten

Bonn · Seit Jahren streiten die Gewerkschaften mit den Kommunen um die Zulässigkeit von verkaufsoffenen Sonntagen. Die Änderung des Ladenöffnungsgesetzes hat daran bisher nicht viel geändert. Eine Klage gegen die Stadt Bonn ist noch nicht entschieden.

Immer wieder sonntags: Obwohl das neue Ladenöffnungsgesetz der CDU/FDP geführten Landesregierung dem Einzelhandel in Sachen Ladenöffnung am Sonntag mehr Rechts- und damit Planungssicherheit geben sollte, gelingt es der Gewerkschaft Verdi in jüngster Zeit immer öfter, die Sonntagsöffnungen zu kippen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im März hat Verdi nach eigenen Angaben im Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen von 180 Klagen gegen die Sonntagsöffnung nur vier verloren.

Aktuell stehen zwei Entscheidungen an: über den verkaufsoffenen Sonntag anlässlich des Weihnachtsmarktes in der Bonner Innenstadt am 9. Dezember und den zum Nikolausmarkt in Bad Godesberg am 16. Dezember. Eine dritte Klage, die sich gegen einen verkaufsoffenen Sonntag in Duisdorf richtete, lief ins Leere: Der war gar nicht geplant. Anhängig sind die Klagen beim Verwaltungsgericht Köln. Dort will man, so sagte eine Gerichtssprecherin dem General-Anzeiger, alsbald entscheiden, damit beide Seiten – je nach Urteil – noch die Möglichkeit haben, in die zweite Instanz zu gehen.

Bei Verdi im Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen beschäftigt sich seit Jahresbeginn federführend Britta Munkler mit den Anträgen auf Ladenöffnungen an Sonntagen, die die Kommunen genehmigen und deshalb auch Klagegegner der Gewerkschaft sind. Geht es nach Munkler, muss am Sonntag niemand einkaufen. „Ich bezweifele, dass die Läden bei 320 Tagen, an denen die Menschen einkaufen können, unbedingt die Sonntagsöffnungen benötigen, um ihre Umsätze zu retten.“ Die „Entgrenzung“ von Öffnungszeiten führe dazu, dass möglicherweise auch Kindertagesstätten rund um die Uhr geöffnet haben oder der Nahverkehr ständig fahre – zum Schaden der Gesellschaft. „Die Menschen müssen mindestes einen freien Tag in der Woche haben, den sie zusammen verbringen können“, sagt Munkler. Davon ausgenommen seien Berufe, die der Daseinsfürsorge dienten, etwa Ärzte oder Krankenschwestern.

Über die Haltung der Gewerkschaft ist der Einzelhandel verärgert. Zumal mit dem neuen Gesetz den Kommunen deutlich mehr verkaufsoffene Sonntage ermöglicht wurden, die wenigsten Kommunen aber die volle Zahl in Anspruch nähmen, erklärte Karina Kröber vom Verein City-Marketing Bonn. Als einige Warenhausketten im vergangenen Jahr forderten, künftig nach Belieben auch sonntags öffnen zu dürfen, waren viele Einzelhänder strikt dagegen. Sie fürchteten, der Schuss könnte nach hinten losgehen, weil diese Initiative den Gewerkschaften Munition biete, gegen verkaufsoffene Sonntage vorzugehen.

Harry Benzrath, Geschäftsführer der Galeria Kaufhof in Bonn, widerspricht Munklers Aussagen in Bezug auf die Umsatzsteigerungsmöglichkeit an verkaufsoffenen Sonntagen. „Wir verzeichnen an diesen Tagen sehr wohl hohe Umsätze. Wenn die wegfielen, würde uns das schmerzlich treffen.“ Und in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz sagte er: „Die Arbeit an den verkaufsoffenen Sonntagen geschieht auf freiwilliger Basis. Bisher haben wir nie ein Problem gehabt, genügend Mitarbeiter zu finden.“ Schließlich erhielten diese für ihren Einsatz an den Sonntagen mehr als doppelten Stundenlohn.

Ärger über fehlende Planungssicherheit

Ärgerlich findet Benzrath vor allem, dass wegen der Verdi-Klage für sein Unternehmen keine Planungssicherheit besteht: „Wir haben die Verträge mit den Mitarbeitern für den verkaufsoffenen Sonntag am 9. Dezember schon unterschrieben. Sollten wir nicht öffnen dürfen, müssen wir die Beschäftigten trotzdem entlohnen.“

Ärger herrscht auch beim Verein Stadtmarketing Bad Godesberg. „Es ist kurz vor knapp, das ist eine Unverschämtheit“, sagt der Vorsitzende Jürgen Bruder. Schließlich stünde der Zeitpunkt des verkaufsoffenen Sonntags bereits seit einem Jahr fest. 4000 Euro habe der Verein investiert, unter anderem in Flyer und Plakate. Doch nicht nur das: Die Geschäfte hätten Waren gekauft, Inhaber und Mitarbeiter müssten planen. Geld, Engagement, Einsatz – alles wäre „futsch“.

Auch die Geschäftsleute zeigen sich wenig begeistert über die Klage und die (noch) herrschende Ungewissheit. „Der verkaufsoffene Sonntag ist ein wichtiger Tag für uns, gerade in Zeiten des Online-Handels“, sagt Irmgard Schugt, die mit ihrem Mann den Laden „Schugt Trends aus Leder“ leitet.

Im Internet könnte man rund um die Uhr einkaufen. Was gerne genutzt werde. Deshalb müsse man Anreize bieten, um die Kunden in die Stadt zu ziehen. Dazu gehöre der verkaufsoffene Sonntag. Hinzu komme, dass Geschäftsführung und auch Mitarbeiter nicht planen könnten – was die Arbeit, aber auch Aktionen am 16. Dezember angehe. Und: Ein Prospekt, in dem der verkaufsoffene Sonntag beworben wird, ist bereits gedruckt.

Dieses Problem sieht auch Klaus Krosanke von Bücher Bosch. Der verkaufsoffene Sonntag werde kommuniziert – und dann seien die Geschäfte geschlossen. Außerdem sei es schwierig für die Mitarbeiter, die ihre Freizeit – oder Arbeitszeit – planen wollten. Bei Bücher Bosch bekämen sie für einen Arbeitstag am Sonntag eineinhalb Tage frei. Dies müsste der Gewerkschaft, der viel an Erholungsphasen liege, entgegenkommen. Und: Weil Nikolausmarkt sei, könne man theoretisch mit einem Stand vor der Geschäftstür vertreten sein, wenn die Sonntagsöffnung verboten werde. Das sei erlaubt. „Dafür brauche ich aber auch Mitarbeiter. Das hat keine Logik, wenn man an die Freizeit der Mitarbeiter denkt.“

Verkaufsoffener Sonntag braucht Anlass

Seit das Bundesverwaltungsgericht Ende 2015 in einem Urteil festgestellt hatte, dass ein verkaufsoffener Sonntag einen Anlass benötigt und kein Selbstzweck sein darf, haben die Gewerkschaften Rückenwind bekommen. Daran hat auch das neue Gesetz nichts geändert, das eher zu einer weiteren Zunahme an Klagen geführt hat. „Das Gesetz ist einfach schlecht gemacht“, sagt Munkler. Es habe nicht zu mehr Planungssicherheit, sondern eher zu mehr Verunsicherung geführt. „Jetzt soll zum Beispiel auch die Profitförderung eine Ladenöffnung an Sonntagen rechtfertigen. Das widerspricht eindeutig dem Grundgesetz.“ Auch die Konkurrenz durch den Internethandel werde als Begründung im neuen Gesetz eingeführt. „Das ist Unsinn“, sagt Munkler. Sie erinnert an den Fall in Bornheim-Roisdorf, als wegen des Martini-Markts der dortige Möbelmarkt sonntags öffnen sollte. Verdi klagte dagegen mit Erfolg.

Guido Déus hat als CDU-Landtagsabgeordneter an der Änderung des Ladenöffnungsgesetz mitgewirkt. „Unser Ziel ist es, die Lebendigkeit der Innenstädte zu stärken“, erklärt er. Auf Nachfrage im NRW-Wirtschaftsministerium seien die Zahlen von Verdi hinsichtlich der gewonnenen Klagen zwar nicht bestätigt worden. „Da muss es sich wohl auch noch um viele alte Klagen handeln. Sollte sich jedoch herausstellen, dass das neue Gesetz gewisse Unschärfen bietet, werden wir nachjustieren“, versichert Déus.

Hinsichtlich der Anträge, wie etwa in Bornheim, gibt er Verdi sogar recht: „Es kann nicht sein, dass aus nichtigem Anlass ein Möbelmarkt auf der Grünen Wiese am Sonntag verkaufen darf.“ Das konterkariere das Anliegen des Einzelhandels. „Wir nehmen den Sonntagsschutz sehr ernst und wollen nicht, dass er ausgehebelt wird.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort