Woki in Bonn Gespräche an der Popcornmaschine

Bonn · Trotz seiner geringen Deutschkenntnisse gab das Woki Rami Hanna eine Chance. Der Syrer lernte durch seinen Aushilfsjob dort Deutsch - und kam mit vielen Menschen ins Gespräch.

 Lebensnaher Sprachkurs: Der Student Rami Hanna übt Konversation beim Job im Kino.

Lebensnaher Sprachkurs: Der Student Rami Hanna übt Konversation beim Job im Kino.

Foto: Nicolas Ottersbach

Es ist kein guter Start für ein Bewerbungsschreiben. Schon im ersten Satz gestand Rami Hanna, dass er nicht gut Deutsch spricht. Er hatte schon unzählige Absagen bekommen. Niemand hatte ihn zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Doch Woki-Theaterleiter Felix Bresser war neugierig. Ihm war sofort klar, dass etwas Besonderes hinter dieser Bewerbung für eine studentische Aushilfe steckte. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal wusste, ob Rami ein Männer- oder ein Frauenname ist.

Die Begegnung der beiden ist ein Jahr her. "Dieses Jahr hat allen Woki-Mitarbeitern viel abverlangt, uns aber auch unglaublich bereichert", berichtet Bresser. Der Eindruck ist so nachhaltig, dass er die Geschichte in einem Facebook-Post aufschrieb - und dafür mehr als 1600 Likes erhielt.

Rami Hannas Geschichte beginnt in Damaskus. Dort ist er aufgewachsen, dort studierte er IT-Technik und machte seinen Bachelor. "Dann arbeitete ich im Telekommunikationssektor, aber durch den Krieg gab es keine Chance, Karriere zu machen", erzählt er. Hanna ging in den benachbarten Libanon und versuchte, Geld in der Tourismusbranche zu verdienen. "Das hatte für mich aber keine Zukunft." So kam er auf die Idee, im Ausland zu studieren.

"Der Vorteil in Deutschland ist, dass das Bildungssystem kostenlos und trotzdem sehr gut ist", sagt Hanna. Doch auch die Lebenshaltungskosten waren für den 29-Jährigen entscheidend. Eine Wohnung in London, wo er eigentlich hin wollte, hätte er sich nicht leisten können. Geschweige denn das Studium, das schnell mehrere Zehntausend Euro verschlingt. Bei seiner Suche stieß er auch auf Bonn, die Stadt, in der sein Großcousin schon seit mehr als 30 Jahren lebt.

Bevor er mit dem Studium beginnen durfte, musste er einen Sprachkurs in Deutsch besuchen. Er wollte aber auch Geld verdienen, bewarb sich deshalb auf mehrere Aushilfsjobs. "Dass ich die Chance im Woki bekam, war riesiges Glück für mich", sagt Hanna. Auch wenn er manchmal fast verzweifelte. "Am schwierigsten waren Unterhaltungen mit umgangssprachlichen Begriffen", berichtet Hanna. Er musste sich erklären lassen, was das Wort "Alter" am Ende eines Satzes bedeutet. Und als ein Kunde nach dem "Klo" fragte, konnte Hanna ihm nicht weiterhelfen. "Bis dahin kannte ich nur das Wort Toilette."

Bei Witzen sei es noch schwieriger gewesen. "Wenn ich dachte, dass es um etwas lustiges ging, habe ich einfach gelacht. Das passte nicht immer", sagt er. Trotz dieser Probleme findet Felix Bresser auch jetzt noch, dass es die richtige Entscheidung war, Hanna sofort einzubinden und "ins kalte Wasser zu werfen". Das Kino sieht er als idealen Ort, um Sprache und Menschen kennenzulernen. "Denn hier kann sich niemand verstecken. Täglich hat man Kontakt zu über 1000 Gästen, muss auf jede Menge Fragen individuell eingehen und sprachlichen Freestyle an den Tag legen." Hanna mochte den Trubel und begegnete ihm mit Gelassenheit: beim Kartenabreißen, als Einweiser oder an der Popcornmaschine. "Nur Nachos habe ich nicht gerne verkauft. Das ist mit der Soße ist immer eine Sauerei", sagt er.

Es gibt nicht viel, was die Gelassenheit von Rami Hanna erschüttern kann. Schließlich hat er viel Leid gesehen - was er aber nicht gerne in den Vordergrund stellt. "Wenn ich erzähle, dass ich aus Syrien komme, werde ich oft darauf reduziert, Flüchtling zu sein", sagt er. Dann fragen die Leute, ob er nach Deutschland geschwommen sei. Das nervt ihn. "Ich bin mit dem Flugzeug gereist. Und ein ganz normaler Student."

Bresser hat aus der Begegnung mit Hanna drei Lehren gezogen. "Sorgen und Ängste bauen sich extrem schnell ab, wenn man mit Menschen aus anderen Kulturkreisen in Kontakt tritt", sagt er. Zusammenarbeit sei der beste Weg, einen Menschen willkommen zu heißen und ihm die Chance zu geben, sich in einem fremden Land zurechtzufinden. "Und aus Fremden werden schnell Freunde, man muss es nur zulassen." Umso schwerer fällt es ihm und seinen Kollegen, Rami Hanna jetzt zu verabschieden: Er hat einen Studienplatz in Berlin bekommen.

Ob er noch einmal nach Bonn zurückkommt, weiß er nicht. "Langfristig will ich wieder nach Syrien. Da ist meine Heimat, da lebt meine Familie", sagt er. Was dort durch den Krieg zerstört wurde, möchte er wieder aufbauen. "Aber erst, wenn dort Frieden herrscht."

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