Bonn Gesellschaft für Bipolare Störungen startet "Bipolar Roadshow"

BONN · Mit 22 Jahren kam der erste Schub: "Ich hatte hochfliegende Pläne, schlief nicht mehr. Doch dann vernachlässigte ich mich. Nach zwei Wochen brachten mich Freunde in die Klink", erzählt Martin Kolbe nachdenklich.

 Selbst betroffen: Musiker Martin Kolbe.

Selbst betroffen: Musiker Martin Kolbe.

Foto: Horst Müller

Der heute 57-Jährige war in den 70er Jahren im Gitarrenduo "Kolbe & Illenberger" im In- und Ausland unterwegs. Da konnte er keine Krankheit gebrauchen. Zumal seine manischen Depressionen, die heute Bipolare Störungen genannt werden, lange kein Arzt diagnostizierte.

"Erst fühlst du dich fantastisch und denkst, du fliegst. Plötzlich bist du klein, schuldig, und alles um dich herum geht kaputt", beschreibt Kolbe die Abstürze. 1987 unterbrach er die Karriere. "Ich musste mein Leben auf die Reihe bringen", sagt der Künstler, der heute als Betroffenenvertreter im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS) mitarbeitet.

2003 sei er dann endlich bereit gewesen, sich die Depressionen einzugestehen. "Da hatte ich keine Partnerin, keine Freunde, keine Wohnung, kein Geld mehr. Ich musste erst so tief stürzen, um mich behandeln zu lassen." Seit 2012 ist Kolbe wieder als Musiker aktiv. Gerade ist seine neue CD "Songs from the Inside" mit berührenden Liedern zur Krankheit herausgekommen.

Und mit denen geht er mit ebenfalls betroffenen Freunden wie dem Regisseur Sebastian Schlösser nun auf Tournee durch acht deutsche Städte, die ihn am 22. Mai auch in die LVR-Klinik Bonn führt. "Die Bipolar Roadshow, unser Programm aus Musik und Buchlesung, möchte auf unsere Problematik aufmerksam machen. Anders als mit Fachvorträgen versuchen wir, das Publikum auf einer emotionalen Ebene zu erreichen", so Kolbe.

Krankheitsbilder wie Schizophrenie oder Bipolare Störungen hätten immer noch ein starkes Stigma. "Das Bild des gefährlichen Irren geistert durch viele Köpfe", bedauert er. Dabei seien eine ganze Reihe Prominenter wie die Schauspielerin Katherine Zeta-Jones und die verstorbenen Sänger Kurt Cobain und Amy Winehouse als Betroffene bekannt.

"Man geht von einem Anteil von ein bis zwei Prozent in der Bevölkerung aus, wobei die Dunkelziffer schätzungsweise bei 50 Prozent liegt", erläutert Kolbe. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei die Suizidrate deutlich erhöht. Dass nach dem Freitod des Profifußballers Robert Enke über das Thema offen gesprochen werde, sei, so traurig der Anlass war, ein Fortschritt.

Seit 2003 wisse er, wie er mit den Schüben der Anfälligkeit umgehe, berichtet Kolbe. Der eine vertraue auf Medikamente, der andere schaffe es auch ohne. "Wichtig ist, darüber zu reden und sich Rat zu holen." Vor der Bonner LVR-Klinik brauche niemand Berührungsängste haben. In Selbsthilfegruppen, die es auch in Bonn gebe, finde man Ansprechpartner. "Ich sage mir jeden Tag: Ich habe halt diese Macke, aber ich kann was, und ich bin genauso viel wert wie ohne Macke."

"Bipolar Roadshow" mit Martin Kolbe, Peter Autschbach, Sebastian Schlösser und Ralf Illenberger, 22. Mai, 20 Uhr, Festsaal der LVR-Klinik, Kaiser-Karl-Ring 20, Karten für zehn Euro, Vorbestellung bei der Buchhandlung Böttger unter der Rufnummer 0228/3502719 oder brief@buchhandlung-boettger.de.

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