Ausstellung Generation Gold

Bonn · Man nennt sie längst schon nicht mehr verächtlich „Silberrücken“ oder „Alte“, sondern „Best Ager“ und „Generation Gold“. „Alte Menschen brechen zunehmend aus traditionellen Rollenmodellen aus“, sagt Thorsten Smidt, der neue Ausstellungsleiter im Haus der Geschichte.

 Ute Mahler: Zwei ältere Zwillingsschwestern im Partnerlook, bei der Potsdamer Schlösserfahrt, Eis essend auf dem Schiffsdeck, Juli 2001, Potsdam, Brandenburg, Deutschland

Ute Mahler: Zwei ältere Zwillingsschwestern im Partnerlook, bei der Potsdamer Schlösserfahrt, Eis essend auf dem Schiffsdeck, Juli 2001, Potsdam, Brandenburg, Deutschland

Foto: OSTKREUZ - Agentur der Fotografen GmbH

Sie rücken immer mehr ins Blickfeld der Politik, der Konsumwelt – und der Museen. „Vielleicht müssen wir dann mal unsere Beschriftungen vergrößern“, sagt er. Vorerst widmet sich das Haus der Geschichte in seiner U-Bahn-Galerie den „Neuen Alten“, den Aktiven, die ihrem Leben nach der Arbeitsphase eine neue Wendung geben. Die kleine Ausstellung konfrontiert Fotografien von Ute Mahler mit witzigen, eigenwilligen Objekten – es sind individuell veränderte Rollatoren – von Edith Micansky. Dokumentarfotografie trifft auf spielerische Ironie, eine interessante Mischung.

Wir sehen Senioren im Fitnesscenter oder beim Karatetraining, zwei Herren, die gut gelaunt im Pool der Kleingartenanlage „Gleisdreieck“ in Berlin-Kreuzberg planschen, Damen, die sich für den Auftritt ihrer Bauchtanzgruppe „Orient Goldies“ vorbereiten, hochkonzentrierte Mitglieder des Spandauer Seniorenorchesters und die Teilnehmer eines mondänen Tennisturniers. Ute Mahler, die für die legendäre DDR-Modezeitschrift „Sibylle“, später für den „Stern“ fotografierte und seit 2000 Dozentin an der renommierten Ostkreuz-Schule für Fotografie ist, pflegt einen klassischen, ernsten Dokumentarstil. Sie zeigt ihre Senioren bei deren Aktivität, nichts wirkt inszeniert. Mahlers Bild des Alters folgt einer anderen Perspektive als viele andere Beispiele einer gesellschaftspolitisch engagierten Fotografie, die etwa Altersarmut und Krankheit in den Vordergrund rücken.

Mahlers Farbfotorecherche „Neue Alte“, aus der man gern mehr Bilder sähe, knüpft an großartige Fotozyklen wie „Zusammenleben“ (DDR, 70er/80er-Jahre) an. Wobei ihre Stärken eindeutig in der Schwarz-Weiß-Fotografie liegen. Das Kontrastprogramm zu Mahlers Fotos und auch ein Stückchen Kommentar dazu liefert die Allgemeinmedizinerin und Künstlerin Edith Micansky. Sie verfremdet ein Gerät, das gemeinhin mit Hinfälligkeit in Verbindung gebracht wird: Vier Rollatoren stehen als Ausbund der Fantasie und als kühnes Lebensmotto in den Wandvitrinen der U-Bahn-Galerie. Da ist „Pimp My Ride“ ein Exemplar mit schrillem Spoiler und Fuchsschwanz an der Antenne – vielleicht der Rollator als Lebensabendsbegleiter eines ehemaligen Opel-Manta-Fahrers. Jedes Objekt erzählt eine eigene kleine Geschichte.

Wen mag etwa Edith Micansky im Sinn gehabt haben, als sie das Modell „Tigerlilly“ ersann: einen Rollator mit Leopardenfell-Chassis, einem Piccolo-Fläschchen auf dem Tablett und einem winzigen Dessousteil an der Lenkstange. Das Exemplar „Reiselust“ hat sogar einen Anhänger mit Schwimmbrett und Koffer. Das „Suchtmobil“ schließlich bietet ein reichhaltiges Inventar bekannter und undefinierbarer Genussmittel.

Die vier witzigen Rollatoren könnten manchen Ausstellungsbesucher animieren, seine eigene Gehhilfe ästhetisch zu optimieren und aufzuhübschen, sinniert Smidt. Anregungen genug gibt es jedenfalls.

Haus der Geschichte, U-Bahn-Galerie; bis 5. Juni 2017

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