Im World Conference Center Gemischte Gefühle vor dem SPD-Bundesparteitag

BONN · Vor dem SPD-Bundesparteitag am Sonntag im World Conference Center in Bonn herrschen gemischte Gefühle. Delegierte aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis beziehen Stellung zu den Sondierungsgesprächen.

Einen Tag vor dem Bundesparteitag der SPD im World Conference Center (WCCB) wollen die Bonner Genossen über das Für und Wider einer Neuauflage der Verhandlungen für eine große Koalition in Berlin beraten. Der SPD-Unterbezirk Bonn ist mit drei Delegierten beim Bundesparteitag vertreten. Delegierte Gabi Mayer, die auch SPD-Ratsfraktionsmitglied ist, ist äußerst skeptisch: „Stand heute werde ich gegen eine Große Koalition stimmen“, sagte Mayer. Die Vereinbarung zur Rente beispielsweise sei „ein Scheinriese“, so Mayer. Das Rentenniveau auf 48 Prozent des Einkommens bis 2025 festzuschreiben, sei von der letzten Groko bereits bis 2024 vereinbart worden.

Unentschlossen ist Gabriel Kunze, wie er entscheiden soll. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende ist ebenfalls Delegierter und will die Beratungen der Mitgliederversammlung am Samstag abwarten. Die Bonner SPD zählt 2774 Mitglieder und ist stärkste Partei in Bonn. Die CDU hat rund 2500 Mitglieder. Grundsätzlich sei er eher skeptisch, sagte Kunze, denn nach den Sondierungsverhandlungen vermisse er eine deutlichere Handschrift der SPD. „Ich muss schon sagen, ich bin regelrecht enttäuscht“, so Kunze, der sich unter anderem gewünscht hätte, die Bürgerversicherung hätte Eingang in die Ergebnisse der Sondierungsverhandlung gefunden.

Enttäuscht zeigte sich auch Jessica Rosenthal, stellvertretende Juso-Vorsitzende aus Bonn. Die Jungorganisation der SPD hat sich gegen eine Groko ausgesprochen. „Unsere Erwartungen wurden noch untertroffen“, sagte Rosenthal. Die Bürgerversicherung habe ebenso wenig Berücksichtigung gefunden wie eine Erhöhung des Mindestlohns. Was Flüchtlinge angehe, habe die Sondierung „faktisch eine Obergrenze ergeben, die ich nicht mittragen kann.“ Unentschieden ist Ratsfraktionsvorsitzende Bärbel Richter. „Egal wie wir uns entscheiden, es wird kompliziert“, sagte sie.

von Grünberg sieht Nachverhandlungsbedarf

Hans-Walter Schulten, von 1991 bis 1997 SPD-Chef in Bonn, sieht dagegen „ausreichend viel SPD-Programmatik in den bisherigen Ergebnissen und meinte, „es lohnt sich auf jeden Fall weiter zu verhandeln. Dafür spricht sich auch der Bonner SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber aus: „Ich bin der Meinung, die Sondierungsverhandlung hat so wichtige Ergebnisse geliefert, die die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen rechtfertigen.“

Er verwies auf für Bonn wichtige Festlegungen wie den Ausbau von Kita-Plätzen und den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen sowie den Willen aller drei Verhandlungspartner, den sozialen Wohnungsbau auf jeden Fall fortzusetzen. Beim Wohnungsbau sieht Bernhard „Felix“ von Grünberg, früherer SPD-Landtagsabgeordneter, dagegen noch Nachverhandlungsbedarf. Die Finanzierung der Tilgungsfristen für die Wohnungsbauförderung an die Bundesländer sei „nur bis 2021“ vereinbart. „Das ist kein Zeithorizont für den Wohnungsbau“, so von Grünberg.

Im SPD-Kreisverband Rhein-Sieg sind die Meinungen über das Ergebnis der Sondierungsgespräche wie anderswo geteilt. „Bei uns gibt es Fans der Groko ebenso wie ausgewiesene Gegner“, sagt Kreisgeschäftsführer Günter Freitag. Am Wochenende fahren vier Delegierte zum Parteitag. Sie würden nach der Aussprache ihrem Gewissen folgend abstimmen. Da sei kein Votum vorhersagbar. Unterdessen sprechen sich die Vertreter der Siegburger Jusos gegen die große Koalition aus. „Die Ergebnisse zeigen keinen politischen Wandel“, so Juso-Vorsitzender Lukas Wagner.

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