Sexuelle Bedrängung und Misshandlung Gastregisseur an der Bonner Oper wird Belästigung vorgeworfen

Bonn · Gegen Philipp Kochheim, Gastregisseur an der Bonner Oper, haben Künstlerinnen schwere Vorwürfe erhoben. Der 47-Jährige soll Frauen misshandelt und sexuell bedrängt haben.

Wenn sich an diesem Sonntag Theatermacherinnen aus ganz Deutschland unter anderem auf Einladung der Bonner Schauspielchefin Nicola Bramkamp in den Kammerspielen treffen, geht es den Frauen vor allem um die Dominanz von Männern bei den Intendanzen an Theatern und Opern. Mehr als 70 Prozent der Inszenierungen stammen von Männern, hat eine Studie des Bundes ergeben. Einer dieser Männer ist Philipp Kochheim. Der Regisseur wird demnächst die Verdi-Oper „I due foscari“ an der Bonner Oper inszenieren. Gegen Kochheim haben Künstlerinnen an seinen früheren Wirkungsstätten in Braunschweig und in Graz schwere Vorwürfe erhoben. Der 47-Jährige soll Frauen misshandelt und sexuell bedrängt haben. Das berichten Journalisten aus Braunschweig und Graz. Die Artikel hat Generalintendant Bernhard Helmich diese Woche anonym zugespielt bekommen.

Helmich hat sich zwar, wie er sagt, darüber geärgert, dass der Absender des Briefes mit den Berichten anonym bleiben wolle. Dennoch ist er der Sache nachgegangen und hat mit Kochheim sowie dem Personalrat an der Oper, der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Brigitte Rubarth sowie anderen Kollegen Rücksprache gehalten. „Wir sehen keinen Anlass, in den Vertrag mit Herrn Kochheim einzugreifen“, sagte er am Freitag dem GA. Wenn es in Braunschweig und Graz Probleme mit Kochheim gegeben habe, so müsse man sie dort lösen. „Uns sind von vorherigen Inszenierungen von Herrn Kochheim in Bonn keine Fälle bekannt, in denen er weibliche Ensemblemitglieder belästigt hat“, sagte Helmich.

Kochheim war zuletzt 2013 für Bonner Oper tätig

Opern-Personalrat Thomas Schröder bestätigte diese Auskunft. „Ich bin schon sehr viele Jahre hier im Personalrat“, sagte er, „Herr Kochheim war zuletzt 2013 für die Oper tätig, und es sind uns keine entsprechenden Vorwürfe gegen ihn bekannt“, versicherte Schröder. Wie Helmich verwies auch er auf ein „gut funktionierendes Beschwerdemanagement“ an der Bonner Oper. Nichtsdestotrotz soll es nun im Zusammenhang mit der „#MeToo“-Debatte – ausgelöst durch die Vorwürfe gegen den amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein – noch einmal eine Überprüfung der Strukturen und eventuelle Verbesserung des Beschwerdemanagements im Haus geben, sagte Schröder.

Helmich betonte, dass diese Überlegungen bereits länger liefen und „nichts mit Herrn Kochheim und den Vorwürfen gegen ihn“ zu tun hätten. Brigitte Rubarth verwies auf die von der Stadt und Polizei vor Karneval gestarteten Kampagne „ Nein heißt Nein!“ gegen Gewalt und sexuelle Übergriffe. „Das gilt in Bonn nach wie vor in allen Bereichen“ , sagte sie.

Kochheim selbst wollte sich zu den Vorwürfen auf GA-Nachfrage nicht äußern. „Da ich in den letzten Wochen die Erfahrung machen musste, dass gegenwärtig an eine vorurteilsfreie und unaufgeregt diskursive Berichterstattung nicht zu denken ist“, hätten er und die Danish National Opera entschieden, die Vorwürfe nicht zu kommentieren. In einem Artikel der Braunschweiger Zeitung vom 15. Februar heißt es, Kochheim habe während seiner Zeit als Operndirektor in Braunschweig – er war dort von 2013 bis August 2017 tätig und ist jetzt Chef der Den Jyske Opera im dänischen Aarhus – unter anderem zwei Frauen tätlich angegriffen. Beide Frauen hätten Anzeige erstattet. Eine habe die Anzeige wieder zurückgezogen, im anderen Fall sei es zu einer Mediation gekommen. Zudem soll er mit zahlreichen jungen Mitarbeiterinnen „angebandelt“ und sie unter Druck gesetzt haben. „Der Mann wird bei uns nicht mehr inszenieren“, sagte Sonja Pallasch, Gleichstellungsbeauftragte und Personalentwicklerin am Staatstheater Braunschweig auf GA-Nachfrage.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort