Grabungen in Bonn Frauenskelett lag unter der Römerstraße in Bonn

Bonn · Auf der Großbaustelle in der Römerstraße hat es viele Funde aus der Römerzeit gegeben. Sie ermöglichen Rückschlüsse auf das Leben am Rhein vor zwei Jahrtausenden.

Die Geschichte Bonns lässt sich in der Römerstraße auf drei Metern Erde ablesen. Erst der moderne Asphalt mit seinem Unterbau, dann der dunkle Boden eines mittelalterlichen Weges und schließlich helle Schichten von Kies und Sand, die sich viermal abwechseln. Von wann die unterste Lage wohl stammen mag? Archäologin Bettina Carruba will sich nicht genau festlegen. „Etwa 50 nach Christus müsste es sein“, sagt sie. Fest steht jedenfalls, dass sie in der Anfangszeit des alten römischen Legionslagers entstand und als Via Principalis die Hauptstraße des Militärstützpunktes war.

In einem Rucksack hat die Ausgrabungsleiterin ein paar Funde von der Baustelle an der Römerstraße verstaut. Dort wird seit Mitte 2015 der Kanal saniert, bis vor wenigen Monaten begleiteten sie und ihre Kollegen der Kölner Fundort GmbH die Baumaßnahme. „Es gab die einmalige Chance, auf der gesamten Länge von 1,6 Kilometern das Lager zu queren“, sagt Carruba.

Nacheinander holt sie ein paar ihrer Funde aus Plastiktüten heraus und legt sie vorsichtig auf den Tisch. Eine Münze mit dem Konterfei Constantin I., die Pfote einer Kalksteinskulptur, das Fragment eines Ziegels und einen Schmuckstein, den das Porträt einer jungen Frau ziert. „Das ist nur ein Bruchteil von dem, was wir bei den Kanalbauarbeiten ausgegraben haben“, erzählt sie. In mehr als 150 Kisten, die in Köln und Meckenheim lagern, liegen Tausende Fundstücke. Und es wird noch zwei weitere Jahre dauern, bis sie alle gereinigt, katalogisiert und untersucht sind.

Der Militärstandort Bonna, der namentlich auf eine viel ältere keltische Siedlung zurückgeht, gilt als der Ursprung der Stadt. Erstmals wird das römische Erkundungslager Zwölf bis neun Jahre vor Christus erwähnt. Die meisten Überreste des späteren rund 28 Hektar großen, schwer befestigten Legionslagers finden sich in Bonn-Castell. Etwa 400 Jahre lang, bis zum Ende der römischen Herrschaft in Niedergermanien, ist Bonna einer der wichtigsten Soldatenstützpunkte entlang des Rheins gewesen. Die Lage ist für die Römer perfekt: Die Siedlung ist vom Rhein und der Gumme, einem alten Rheinarm, zu beiden Seiten von Wasser umgeben und geschützt. Von hier lässt sich die Hauptverkehrsstraße aus dem Bergischen Land ideal überwachen. Bonna ist zweigeteilt: in das eigentliche Lager, das sich im jetzigen Bonn-Castell konzentriert, und in die Vorstadt.

Schädel erst Monate später ausgegraben

Heute ist es das besterhaltene Lager nördlich der Alpen, nur etwa 17 Prozent sind zerstört. Obwohl Jahrhunderte und zwei Weltkriege dazwischenliegen. Wo man auch gräbt: Fast überall haben die Römer ihre Spuren hinterlassen. In den vergangenen 200 Jahren hat es immer wieder Ausgrabungen gegeben, nicht nur in der Römerstraße. „Man muss sich das wie ein gigantisches Puzzle vorstellen, zu dem über Jahrzehnte neue Teile dazukommen“, sagt Carruba. Die Therme unterhalb des World Conference Centers oder Bonns wohl älteste Brauerei an der Adenauer-allee gegenüber des früheren Bonn-Centers sind nur zwei der vielen Funde, die für Aufsehen gesorgt haben.

Bei solchen Entdeckungen möchte man meinen, dass archäologische Grabungen immer Priorität haben. „Die Wahrheit ist aber, dass wir nur baubegleitend arbeiten und Funde schnell bergen. So, dass die Bauzeit kaum verzögertwird“, sagt Carruba. Es wird also ausschließlich da gesucht, wo der Bagger die Schaufel ansetzt. Das kann die weitläufige Umgebung eines Kanalschachtes sein, aber auch ein 60 Zentimeter schmaler Schacht, der von Leitungen gekreuzt wird.

Oft sei diese Arbeit frustrierend, weil man Funde ausgraben will, sie aber nicht erreicht. Das beste Beispiel ist das Skelett einer jungen Frau, das nahe der Nordstraße entdeckt wurde. Anfang 2017 stießen die Archäologen auf den Körper, der durch die Spundwand der Baustelle durchtrennt worden war. Erst Monate später, als die Baustelle die Seite wechselte, konnten die Forscher den Schädel von der anderen Seite aus freilegen. „Sie scheint bestattet worden zu sein, wir haben schon mehrere Skelette in diesem Bereich gefunden“, erklärt Carruba.

Weitere Hinweise zum Leben der Römer

Egal, wer etwas in Bonn bauen möchte: Im LVR-Amt für Bodendenkmalpflege an der Endenicher Straße wird überprüft, ob es archäologische Funde geben könnte. Der Bauherr – im Fall der Römerstraße die Stadt Bonn – muss dann eine Spezialfirma beauftragen. „Unsere Aufgabe ist es, die Dinge vor der Zerstörung zu retten“, sagt Fundort-Geschäftsführerin Rut Wirtz. Grundsätzlich sei es am besten, wenn die Denkmäler im Boden blieben. „Das ist aber nicht möglich, wenn wie hier die Straße aufgerissen und ein Kanal verlegt wird.“ Die wichtigste Dokumentation sind Zeichnungen. Anhand dieser erstellen Archäologen originalgetreue digitale Modelle, die im Landesamt archiviert und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Von der jetzigen Grabung erhoffen sich die Archäologen weitere Hinweise zum Leben der Römer in Bonn. „Die Schwerpunkte haben sich mit den Jahrzehnten verändert, auch durch neue technische Methoden“, erzählt Carruba. Waren früher große Funde interessant, schauen die Forscher heute vor allem auf die kleinen Dinge und stellen sie in Bezug zum Gesamtkontext. „Das ist sehr komplex.“ Deshalb hält sich Carruba mit neuen Erkenntnissen, die es schon gibt oder die noch erlangt werden könnten, zurück. „Es wird in die Richtung gehen, dass wir Zeiträume genauer eingrenzen und somit bisheriges Wissen ergänzen können.“ Dann klärt sich vielleicht auch, was es mit dem Skelett der jungen Frau auf sich hat.

Für diesen Freitag lädt die Bonner SPD zu einem Vortrag über die Funde ein. Beginn ist um 19.30 Uhr im Haus Rosental, Rosental 80-88.

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