Erzählnachmittag in Poppelsdorf Früher war alles anders

Poppelsdorf · Beim Quartierprojekt Aquarius tauschen Teilnehmer ihre Erinnerungen an eine lebendigere Nachbarschaft aus. Früher traf man sich in Metzgereien zum Informationsaustausch.

 28. Juni 1956: Im Vorgarten des Hauses Kessenicher Straße 30/Ecke Hermann-Milde-Straße begutachteten Kessenicher die Trümmerteile des Düsenfliegers.

28. Juni 1956: Im Vorgarten des Hauses Kessenicher Straße 30/Ecke Hermann-Milde-Straße begutachteten Kessenicher die Trümmerteile des Düsenfliegers.

Foto: Repro: GA

„Gab es eigentlich in Poppelsdorf ein Kino?“, fragte eine ältere Dame in die Runde. Sofort antworteten gleich mehrere andere: Natürlich gab es eins, das Union-Theater an der Ecke Clemens-August-/Kekuléstraße. „Damals hatte ja jeder Stadtteil sein eigenes Kino“, merkte Rolf Becker an. Er war – wie viele andere auch – in den Saal des Margarete-Grundmann-Hauses gekommen, weil es dort um die Orte „Poppelsdorf, Kessenich, Reutersiedlung früher und heute“ ging.

Den Erzählnachmittag hatte das Quartierprojekt Aquarius, kurz für „Anlaufstelle Quartier in unserem Stadtteil“, des Paritätischen Sozialdienstes organisiert. Quartiersmanager Michael Moldenhauer wollte von den Besuchern hören, woran sie sich noch aus früheren Zeiten erinnerten, und hatte dafür auch einige Bilder mitgebracht: Straßenzüge, Kirchen, die Reutersiedlung zwischen Reuter- und Luisenstraße, all das weckte bei den älteren Leuten Erinnerungen.

In der Reutersiedlung, die ab 1951 zunächst für Bundesbeamte errichtet wurde, habe es auch ein sechsstöckiges Wohnhaus gegeben, das „Ledigenheim“ genannt wurde, sagte Gisela Matrisch, die den Nachmittag angeregt hatte. Dort hätten Unverheiratete gewohnt, im Erdgeschoss habe es Geschäfte gegeben, ein ihrer Meinung nach kluges Konzept, dessen Abriss sie bedauerte. „Das war eine politische Entscheidung.“

Die Zahl der Geschäfte in den Stadtteilen habe stark abgenommen, beklagte Becker. „In Kessenich gab es früher 48 Geschäfte, davon 18 Metzgereien und eine Apotheke. Heute gibt es drei Apotheken, aber keine Metzgerei mehr.“ Dabei seien das damals gute Treffpunkte gewesen.

Auch Bilder von den Nissenhütten, halbrunde Wellblechhäuschen, in denen nach dem Krieg Flüchtlinge untergebracht waren, zeigte Moldenhauer, und eine Aufnahme vom Absturz eines Düsenjägers in der Kessenicher Straße, bei dem niemand ums Leben kam. Einige Teilnehmer erinnerten sich noch an die Beschädigungen. Und man sah die alte Sporthalle der heutigen Nikolausschule in Kessenich. Die hieß früher Südschule, berichtete Becker, der dort zur Schule gegangen war. Dort habe es einen Sportlehrer gegeben, der viele Übungen vormachte, obwohl er nur noch ein Bein hatte.

Nachbarschaft sei früher anders gewesen, stellten die Anwesenden fest. Früher habe jeder jeden gekannt, man habe mal eben bei den Nachbarn geklingelt, konnte die Türen offen lassen, es gab Sicherheit, Unterstützung und Miteinander. „Ich glaube, das ist heute ein bisschen verloren gegangen“, meinte Matrisch. Als Gründe führten die Teilnehmer vor allem das Aufkommen des Fernsehers an. „Heute holen wir uns die Abwechslung ins Haus“, sagte eine Dame – ganz zu schweigen von Internet und sozialen Netzwerken. Zudem würden die Mietparteien in größeren Häusern zu oft wechseln, und dadurch, dass heute die meisten Menschen berufstätig seien, habe man kaum noch Gelegenheit, sich auf dem Spielplatz oder beim Einkaufen zu treffen und entspannt miteinander zu plaudern. (GA)

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