Mit dem Tablet von Baum zu Baum Forstchefs untersuchen Bäume im Kottenforst

Bonn · Forstchefs aus dem deutschsprachigen Raum haben eine Testfläche im Kottenforst besichtigt. Die Trockenheit bereitet dem Wald Probleme.

 Eher Habitat als Bauholz: Die Forstchefs des deutschsprachigen Raums lernen das "Materoskpe"-Konzept kennen, das die Einschätzung zur Nutzung von Bäumen schulen soll.

Eher Habitat als Bauholz: Die Forstchefs des deutschsprachigen Raums lernen das "Materoskpe"-Konzept kennen, das die Einschätzung zur Nutzung von Bäumen schulen soll.

Foto: Knopp

In der Rinde von Baum Nummer 132 klafft eine tiefe Öffnung, das Kernholz ist freigelegt. Der ökonomische Nutzen dieses Baumes dürfte gering sein, aber er steckt voller Leben und beheimatet gleich mehrere Mikrohabitate für Insekten. Dass dieser Baum nicht gefällt wird, um ihn zu Geld zu machen, war den Menschen klar, die ringsherum standen. Denn sie alle, die am Freitag den Kottenforst besuchten, sind ausgewiesene Fachleute, genauer gesagt die Forstchefs der deutschsprachigen Länder.

Die waren auf Einladung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und eben Deutschland zu einer zweitägigen Fachveranstaltung beim Bonner Büro des European Forest Institute, die seit 30 Jahren durchgeführt wird. Dazu gehörte auch die Besichtigung einer Marteloskop-Fläche im Wald zwischen Röttgen und Meckenheim. Auf dieser Fläche sind alle Bäume erfasst worden, man kann detaillierte Informationen über ihren Zustand über die Marteloskop-Software einsehen – idealerweise nimmt man also ein Tablet mit in den Wald.

Es ist eine Übungsfläche, wie Uwe Schölmerich, Leiter des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft – das zweitgrößte in NRW –, erklärte. Auf der können Forstleute den Blick dafür schärfen, ob ein Baum mehr Nutzen bringt, wenn man ihn fällt und weiterverarbeitet, als dass man ihn stehen lässt, um Nützlingen im Wald eine Unterkunft zu bieten oder das Wachstum anderer Bäume zu unterstützen. Die Fläche wurde im Winter 2016/17 eingerichtet, als die Fachleute die blätterlosen Bäume besser begutachten konnten.

Schätzungen im Wald

Seitdem gab es schon viele Exkursionen mit Forstwirten und Studierenden, die eigenständig die Bäume schätzen sollten. Anschließend wurde ihre Schätzung mit der der Gutachter verglichen. Schölmerich möchte das auch der Öffentlichkeit ermöglichen, sodass Laien sich daran versuchen können und zugleich einen Eindruck von Forstarbeit erhalten. Man könne damit auch Verständnis für die Nutzung von Holz anstelle anderer Materialien wecken, da es ein starker CO2-Speicher ist.

Er wies auch auf andere Aktivitäten hin, die Wald und Holz NRW auf den Staatswaldflächen in der Region durchführt. Etwa „Life+“ linksrheinisch, mit dem durch das Projekt „Villewälder – Wald- und Wasserwelten“ die Stieleichen- und Hainbuchenwälder geschützt werden, und „Chance7“ auf der rechten Rheinseite zur Förderung besonderer Lebensräume zwischen Rhein und Sieg. Es gehe um den Erhalt der Artenvielfalt, aber man will auch die Wälder für den Klimawandel rüsten.

Denn dieser ist in vollem Gange, das bezweifelt niemand, und um den Wald zu schützen, so Schölmerich, müssen mehr Mischbestände her. „Wir versuchen, mindestens drei Baumarten auf einer Fläche zu haben.“ Das stabilisiere den Boden und sorge auch für mehr Artenvielfalt bei Insekten, Vögeln und Waldtieren.

4000 Kubikmeter Holz beschädigt

Ein weiteres Thema waren die Folgen der Stürme Burglind und Friederike im Januar. „Im Kottenforst wurden 4000 Kubikmeter Holz beschädigt“, sagte Schölmerich. Viele Fichten seien umgestürzt und müssten jetzt aus dem Wald geholt oder für Schädlinge wie Borkenkäfer und Buchdrucker unattraktiv gemacht werden. Letzteres würden sogenannte Harvester erledigen: Die Fahrzeuge für die Waldarbeit zerstören die Rinde, unter der sich die unerwünschten Käfer so wohlfühlen.

Deren Ausbreitung werde auch durch die momentane Hitzewelle gefördert. Die bereitet Schölmerich große Sorge. Nach leichten Regenfällen sei zwar die Waldbrandgefahr derzeit etwas reduziert und die Wasserreserven im Waldboden reichten momentan noch aus, aber er erinnert sich noch an die letzte Dürreperiode. „2003 hatten wir sechs Wochen Trockenheit.“ Das wolle er nicht wieder erleben. Aber um ihm die Sorge zu nehmen, müsste es jetzt eine Woche am Stück regnen – worüber sich ja auch die Landwirte freuen würden.

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