Das war Rhein in Flammen 2017 Flower Power am Bonner Nachthimmel

Bonn · Vor dem Feuerwerk gibt es eine große Party mit 40 Bands auf drei Bühnen. Während Zehntausende Gäste in der Bonner Rheinaue feiern, tun Sicherheitskräfte und ehrenamtliche Helfer ihre Arbeit.

Zwei Jugendliche stolpern Arm in Arm die Imbissbuden entlang, klick. Die Masse klatscht zu Kasalla, klick. Ein Kind rollt den Hang hinunter, klick. Alle 30 Sekunden schießt Malte Kerstan per Selbstauslöser ein Foto, das später Teil eines Zeitrafferfilms wird. Der Abiturient sitzt auf einer Anhöhe in der Rheinaue, hat alles im Blick. "'Rhein in Flammen' ist ja nicht mehr nur ein Feuerwerk, das ist ein Volksfest, ein riesiges Festival", erklärt er. Und das biete Tausende Möglichkeiten, um Aufnahmen zu machen.

Vor allem an den drei Bühnen, auf denen an zwei Tagen 40 Bands und Künstler auftreten. Für jeden Besucher soll etwas dabei sein: Im Süden legen DJs auf, im Norden bekommen Nachwuchsbands eine Chance, mittendrin am Kirmesplatz spielen die Großen wie Querbeat, Kasalla und Klüngelköpp.

Die Rheinimpuls-Bühne unterhalb der Südbrücke ist dabei diejenige, die sich in den vergangenen Jahren am meisten verändert hat. "Wir haben diesmal alles umgestellt", sagt Mitorganisator Julian Reininger, der auch das Green Juice Festival in Beuel veranstaltet. Bisher stand die Bühne so, dass die Besuchermassen direkt davor entlang gingen. "Eine blöde Situation, denn dadurch hatte man immer Passanten im Rücken, wenn man zuhören wollte." Jetzt ist die Bühne gedreht, und das passiert nicht mehr. Der Effekt ist sofort spürbar: Es sammeln sich mehr Leute vor den Künstlern, es ist mehr Platz zum Tanzen. Und wer es gemütlich mag, kann das Programm von den Bierbänken und dem Hang aus beobachten.

Chance für Bonner Bands

Das ist fast ausschließlich aus Bonner Bands zusammengestellt. "Das hat zwei Vorteile", sagt Reininger. Zum einen bekomme man Künstler zu hören, die sonst nicht so häufig spielten. Die Künstler hätten wiederum die Chance, überhaupt vor größerem Publikum aufzutreten. "Und wer wirklich gut ist, den merken wir uns dann auch für andere Veranstaltungen." Deshalb nennt er das Rheinimpuls-Festival, das es mittlerweile seit fünf Jahren bei "Rhein in Flammen" gibt, gerne "Nachwuchs-Talentschmiede". Es bewerben sich viele Bonner Bands, die bekannter werden wollen. Eine Gage gibt es nicht. Sonst würde das Prinzip "umsonst und draußen" auch nicht funktionieren.

Umsonst ist auch die Hauptbühne, obwohl da schon wieder alles ganz anders aussieht: viel größer. Dort ziehen Bands wie Kasalla die Massen in ihren Bann. Der neunjährige Luca Oedekoven steht deshalb mit seiner Mutter Bianka seit Stunden in der ersten Reihe, um den besten Blick auf die Kölner zu haben. "Das Feuerwerk ist mir egal, ich bin nur wegen Kasalla hier", brüllt der Junge. Gerade wurde sein Lieblingslied "Pirate" gespielt, er ist noch völlig aufgeputscht. Heiserkeit? Fehlanzeige.

Hinter der Bühne bereiten sich gerade Querbeat vor. Was sie mit "Rhein in Flammen" auf besondere Weise verbindet: Früher pilgerten die Bonner selbst in die Rheinaue. "Da war unser Traum, irgendwann mal auf der Bühne zu stehen", erzählt Sänger Jojo Berger. Was sich seitdem nicht verändert habe, sei die Offenheit und Lebensfreude, mit der gefeiert werde. "Das Publikum geht richtig ab." Gegen den Vorwurf, dass nur Karnevalsbands auftreten würden, wehrt Berger sich. "Unsere Songs drehen sich ja nicht nur um Karneval."

Mit der Dunkelheit strömen die Jugendlichen

Etwas abseits, am Teich gegenüber vom Feuerwerk, ist von Feierstimmung wenig zu spüren. Dort brutzeln Würstchen auf dem Grill, aus fast jeder Sitzgruppe klingt leise Musik. Unter den vielen Decken verschwindet das Gras. Die meisten haben sich ihren Platz schon am frühen Abend gesichert, um den besten Blick auf das Feuerwerk zu erhaschen. So wie Christoph Steeg und seine Freunde. Sie sitzen so nah am Wasser, dass sie ihren Bierkasten zum Kühlen in den Teich stellen können. "Was nicht fehlen darf, ist die Wasserpfeife", erzählt Steeg. Er hat gleich sieben verschiedene Tabaksorten dabei. "Wir sitzen hier ja schließlich noch ein paar Stunden, da brauchen wir Abwechslung."

Je dunkler es wird, desto mehr Jugendliche strömen vor die Rheinevents-Bühne. Hier drücken sich laute Bässe der DJs in die Magengegend, es riecht nach Cannabis. Plastikflaschen fliegen in die Luft, Wodka-Orange tropft auf die plattgetanzte Wiese, alle paar Lieder schießt glitzerndes Konfetti von der Bühne in die Menge. Mittendrin steht Josef Laqua. Der 63-Jährige wirkt etwas verloren zwischen all den Teenagern, es ist es aber nicht: "Ich mag auch mal härtere Musik, das bieten die anderen Bühnen nicht." Er beschreibt das Gefühl, mit dem sich die Massen bewegen, als eine Mischung aus "Exstase und Eskalation, die selbst ohne Alkohol und Drogen berauscht".

Sicherheitsmänner bringen Ordnung ins Chaos

Das bekommen auch die Sicherheitsmänner an der Bühne zu spüren. Sie sind bemüht, Ordnung in das Chaos zu bringen. Sie holen im Minutentakt Mädchen und Jungs von den Schultern ihrer Freunde herunter. Aber kaum hat sich einer absetzen lassen, steigt der nächste wieder auf. Ein Kampf gegen Windmühlen, bei dem keine der beiden Seiten kapitulieren will. "Wir wollen einfach nicht, dass jemand stürzt", erklärt einer der Ordner. Trotz der mahnenden Worte ist niemand schlecht auf die Männer in Schwarz zu sprechen. "Sie machen doch auch nur ihren Job", sagt eine junge Frau.

Es gibt sogar Helfer, die sich freiwillig für die Jobs beim Festival melden. Einer von ihnen ist Sebastian Siekmann (22), der werktags im Büro sitzt und für das Wochenende im Schankbereich mit anpackt. "Hier zu arbeiten ist anstrengend. Aber es ist eine gute Art Anstrengung, weil sie Spaß macht und für mich Abwechslung bedeutet", erzählt der 22-Jährige, der sich für den Auf- und Abbau Urlaub genommen hat. Ohne Freiwillige wie ihn würde Vieles hinter den Kulissen nicht funktionieren. Und was ein Mitarbeiter nicht kostet, müssen die Veranstalter nicht verdienen, was wichtig ist, damit "Rhein in Flammen" kostenlos bleibt.

Ohne 'Rhein in Flammen' wäre Bonn nicht Bonn"

"Nur so können wir mit unserer ganzen Familie hierhin kommen", sagt Ahmed Majidyar, der "Rhein in Flammen" besucht, seit er vor ein paar Jahren in die Bundesstadt gezogen ist. 30 Verwandte sitzen im Stuhlkreis auf der Wiese, haben für ihr Picknick Essen und Trinken mitgebracht. Die weiteste Anfahrt haben Cousins aus Erfurt.

Ihre Kinder tanzen zur Bühnenmusik, die Erwachsenen spielen Volleyball, am Abend gucken alle gemeinsam das Feuerwerk. "Diese Atmosphäre gibt es in der Stadt sonst nicht. Ohne 'Rhein in Flammen' wäre Bonn nicht Bonn", findet Ahmed Majidyar.

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