GA-Serie Bonner Köpfe Feuer und Flamme für Beethoven

Bonn · Crêpesverkäufer Hermann Hergarten stellt regelmäßig Kerzen auf das Grab der Mutter des Komponisten. Die 9. Sinfonie hat er ständig im Ohr.

 Hermann Hergarten bringt frische Blumen ans Grab von Beethovens Mutter Maria Magdalena auf dem Alten Friedhof.

Hermann Hergarten bringt frische Blumen ans Grab von Beethovens Mutter Maria Magdalena auf dem Alten Friedhof.

Foto: Barbara Frommann

Beethoven ist für ihn der Größte. Er liebt besonders den dritten Satz der 9. Sinfonie, hört ihn zu Hause oder im Auto. Hermann Hergarten erweist Bonns großem Komponisten regelmäßig die Ehre, indem er alle zwei Tage das Grab von Beethovens Mutter auf dem Alten Friedhof besucht. Eine Herzensangelegenheit für den 54-Jährigen, der in der Stadt wahrlich kein Unbekannter ist. Jahrelang hat er in der Remigiusstraße Crêpes verkauft, heute tut er das bisweilen noch in seiner geliebten Altstadt oder an Schulen.

An diesem Tag geht es wieder ans Grab von Maria Magdalena van Beethoven, die am 17. Juli 1787 starb. „Eine Kerze steht schon da“, sagt Hergarten. Die hatte er beim letzten Besuch mitgebracht, wird jetzt aber selbstredend ausgetauscht. Ein paar Blümchen hat er auch dabei. Auf dem Nachbargrab entdeckt er Erdbeeren. „Das ist ja ein Ding.“ Dann hält der gläubige Katholik kurz inne, denkt an gute Freunde und Bekannte, die schon gestorben oder vielleicht krank sind.

Um die geht es auch, wenn Hergarten jeden Tag eine Kerze in der Marienkirche an der Adolfstraße anzündet. Auf einer Ahnentafel dort ist auch der Name seines Onkels Wilhelm Hergarten eingraviert, der 1918 gefallen war. Montags ist das Gotteshaus geschlossen. So kam der 54-Jährige im vergangenen Herbst auf die Idee, das Grab in der Innenstadt regelmäßig zu besuchen.

Zur Ruhestätte von Bonns großem Sohn in Wien hat er es bis heute noch nicht geschafft, besitzt aber eine Grableuchte vom dortigen Friedhof. Reisen ist sowieso nicht sein Ding, er bleibt am liebsten am Rhein. Seine Ausrede: „Ich habe zwei Hunde.“

Eine Klavierlehrerin bekam irgendwann mit, dass Hergarten regelmäßig Kerzen aufstellt. Sie überzeugte daraufhin ihre Musikschüler, wöchentlich je selbst eine zu spenden. „Beethoven wird in Bonn viel zu wenig wahrgenommen“, denkt der „Crêpes Maker“, wie es auf seinem roten Poloshirt steht. Er wünscht sich so sehr, dass Beethoven zum großen Jubiläum 2020 zu einer Marke wird, wie es sich auch der Oberbürgermeister vorstellt.

Hermann Hergarten ist eine Institution in der Fußgängerzone, wie es zuletzt wohl nur der 2009 gestorbene Mandel-Hein war, der am Markt und in der Beethovenhalle seine Brezeln verkaufte. In der Remigiusstraße traf man immer Hergarten mit seinem Rad, das mit den beiden Gasflaschen und den flachen Crêpespfannen 250 Kilo wiegt. Alle 20 Minuten musste er sich um 50 Meter wegbewegen – so die Auflagen der Stadt.

„Gute Crêpes müssen schön dünn sein“, sagt er. Sie schmecken ihm selbst auch immer noch, vor allem mit Käse und Gemüsestreifen. Seine Kunden lieben sie vor allem mit Zimt und Zucker sowie natürlich mit Nutella. Wenn ein Kind an seinem Rad steht, „dann nehme ich mir vor, dass es gleich den besten Crêpe des Tages von mir bekommt“. Leidenschaft ist immer dabei.

Dabei wollte Hergarten eigentlich in die gehobene Küche einsteigen. Nach einer Lehre als Fleischereiverkäufer und einer Kochlehre in der Badischen Weinstube an der Friedrichstraße landete er 1987 im Beueler Bahnhöfchen. Irgendwann merkte er dann: „Ich bin ein Kind von der Stroß. Un ich blieve op der Stroß. Das ist mein Leben.“

Des Geldes wegen bestimmt nicht. „Ich kann gerade so leben.“ Auch wenn ihm das nicht jeder glaubt. Doch sollte ihm einer sagen, dass er sich doch bestimmt eine goldene Nase verdiene, kann er ganz schön fuchsig werden. Das ist er sowieso, oder fussich, wie es im Rheinland heißt. Seine rotblonde Haarfarbe ist sein Markenzeichen.

Der 54-Jährige ist in Bonn geboren und an der Viktoriastraße (heute Heerstraße) aufgewachsen. Nach dem Tod der Eltern zog er mehrfach in der Stadt um und wohnt heute mit seiner Frau in Niederkassel. Ihn reizt klassische Literatur, etwa von Dostojewski, Joseph Roth und Camus.

Egal, wie es um ihn selbst steht: Der 54-Jährige denkt oft an die, denen es schlechter geht. Spricht regelmäßig mit einem Obdachlosen in der Altstadt und freut sich über einen anderen aus dem Prälat-Schleich-Haus der Caritas, der regelmäßig der Beethoven-Mutter einen bunten Strauß bringt. „Ich werde nie mehr in der Remigiusstraße stehen“, sagt der Crêpesverkäufer angesichts seines Alters.

Dafür tingelt er nun mit einer Drehorgel durch den Rhein-Sieg-Kreis bis runter nach Königswinter und Bad Honnef. Er hat dabei natürlich auch die „Ode an die Freude“ auf seiner Lochrolle, die er sich aus England hat kommen lassen. Dieser neue Job gefällt ihm. „Die Pänz fangen an zu wippen und die Oma hat Spaß daran. Wenn man zusammen Musik hört, hat man eine Verbindung.“

Im Hinblick auf den 250. Geburtstag Beethovens 2020 zeigt sich der Klassikfan, der am liebsten das Festspielhaus gehabt hätte, pessimistisch. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Beethovenhalle bis dahin renoviert ist. „Ich fürchte, dass die Firma Wolter ein Festzelt aufbauen muss.“ Wirklich? „Der Mensch hat Hoffnung, von der Geburt bis zum Tod“, sagt Hergarten und verlässt den Friedhof.

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