Interview mit IHK-Chef Grießl und CDU-Ratsmitglied Gilles Festspielhaus: "Es wird auf jeden Fall eng"

Bonn · Die Vision eines Beethoven-Festspielhauses beschäftigt die Bonner Kulturpolitik und die öffentliche Diskussion seit vielen Jahren. Von leidenschaftlicher Unterstützung bis kategorischer Ablehnung reicht die Palette der Meinungen.

Der General-Anzeiger hat den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, Wolfgang Grießl, und den Fraktionsvorsitzenden der Bonner CDU, Klaus-Peter Gilles, gebeten, ihre Positionen zum Festspielhaus darzulegen. Grießl vertritt das bürgerschaftliche Engagement, Gilles die Sicht eines Ratspolitikers.

Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und IHK-Chef Wolfgang Grießl sind sicher, dass die private Finanzierung eines Festspielhauses in Bonn machbar ist. Glauben Sie das auch, Herr Gilles?
Klaus-Peter Gilles:
Klar ist, dass die Finanzierung bisher noch nicht gesichert ist. Wenn das Geld jetzt noch nicht auf dem Tisch liegt, heißt das nicht, dass die Finanzierung nicht machbar ist. Bis zur eigentlichen Investitionsphase ist allerdings noch einiges zu tun.

Halten Sie es denn für realistisch, bis zum Herbst zu klaren Aussagen zu kommen?
Gilles:
Es handelt sich ja hier um eine privatwirtschaftliche Investition, die professionell betrieben wird. Insofern gehe ich auch davon aus, dass alle Beteiligten schnellstmöglich zu klaren Aussagen kommen wollen und auch müssen.

Wie viel fehlt denn?
Gilles:
Es fehlt noch viel. Entscheidend ist, ob wir das Projekt auf der derzeitigen Daten- und Informationsgrundlage weiterbetreiben können. Da sehe ich durchaus Chancen, auch wenn wir noch vieles klären müssen. Das weiß jeder, der schon mal ein Haus gebaut hat. Die Finanzierung klärt man erst, wenn man einen konkreten Plan hat.

Herr Grießl, jetzt müssen Sie Ihre Zuversicht konkretisieren.
Wolfgang Grießl:
Ich gehe davon aus, dass der „Beethoventaler“ kommt, also ca. ein Euro fürs Festspielhaus pro Hotelübernachtung. Wir sprechen mit den Hoteliers, und ich bin sicher, dass wir das in eine rechtssichere Form bringen können. Geschätzte Einnahmen zwischen 1 und 2 Millionen Euro jährlich sind eine gute Basis, um einen Betrag von etwa 25 Millionen Euro zu finanzieren.
Ich habe mit der Aktion „5000 mal 5000 für Beethoven“ schon 5 Millionen sicher, das macht 30 Millionen. Wir haben 30 Millionen von der Post …

Sie liegen jetzt schon bei fünf Millionen?
Grießl:
Drei Millionen sind derzeit sicher, der Rest kommt bis Jahresende. Stand heute fehlen uns – vorausgesetzt, wir einigen und mit den Hoteliers und meine Sammelaktion hat Erfolg –, dann fehlen uns zu den geplanten 80 Millionen Baukosten noch 20 Millionen. Wir sind also heute in einer deutlich besseren Situation als vor einem halben Jahr.
Wir werden jetzt mit der Post über die Gründung einer juristischen Person, einer Gesellschaft, sprechen, die formal die nötigen Anträge an die Stadt Bonn stellen kann. Ich gehe davon aus, dass auch die Deutsche Post DHL die Erfüllung einiger Voraussetzungen sehen will, bevor sie konkrete, formale Schritte mit uns gemeinsam geht.

Wieso sind Sie sicher, dass die breite Masse der Hoteliers beim „Beethoventaler“ mitmacht?
Grießl:
Wir haben 1,3 Millionen Übernachtungen pro Jahr in Bonn. Wir haben knapp 500.000 im Rhein-Sieg-Kreis, die sind da gar nicht eingerechnet. Man kann natürlich niemanden zwingen. Aber ich habe mit vielen Hoteliers gesprochen, und die haben mir alle signalisiert: Ja, wir machen auch mit.
Dazu kommt die Bereitschaft des Beethovenfestes, des Beethoven-Hauses und des Beethoven Orchesters, sich ebenfalls zu beteiligen; dem müssen die jeweiligen Gremien allerdings noch zustimmen. Das erbrächte sicherlich noch einmal rund 200.000 bis 300.000 Euro.

Herr Gilles, was halten Sie vom „Beethoventaler“?
Gilles:
Eine innovative Idee. Dahinter steckt privates Engagement der Bonner Hoteliers und das kann man nur begrüßen.

Verstehen Sie die Skepsis mancher Ratsmitglieder, denen die Ausführungen des Oberbürgermeisters zum Festspielhaus zu vage erscheinen? Er konnte nicht den erwarteten weiteren Großsponsor präsentieren.
Gilles:
Ja, die Skepsis kann ich durchaus nachvollziehen. Hinsichtlich der Finanzierungsfrage bin ich selbst jedoch pragmatisch. Zum einen ist es nicht der Rat der Stadt Bonn sondern die finanzierende Bank, die überzeugt werden muss, dass das Projekt machbar ist. Zum anderen engagieren sich Personen, die als erfolgreiche Unternehmer bewiesen haben, dass sie etwas bewegen können.

Denen braucht die Politik nicht zu sagen, wie man Projekte umsetzt und Finanzierungsfragen löst. Was wir jetzt brauchen, sind weitere Schritte zur Projektkonkretisierung. Hierzu gehört zum Beispiel die Einleitung der Bauleitplanung und zwar in Form eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans und hierfür braucht man einen rechtlich handlungsfähigen Vorhaben-Träger, der auch die im Vorfeld der eigentlichen Bauinvestition anfallenden Kosten übernimmt.
Grießl: Jetzt kommt die erste richtige formale Phase. Bis jetzt haben wir nur über Visionen geredet.

Wann muss der Antrag für den Bebauungsplan gestellt werden?
Grießl: Nach meiner Meinung in diesem Jahr.
Gilles: Wir dürfen keine Zeit verschenken. Die formalen Schritte zur Etablierung eines rechtlich handlungsfähigen Vorhaben-Trägers für die anstehende Bauleitplanung und die weiteren Aufgaben muss schnellstmöglich erfolgen.

Brauchen Sie nicht erst einmal das grundsätzliche Bekenntnis des Rates?
Grießl: Das gibt es ja.

Unter stark einschränkenden Voraussetzungen…
Gilles: Es wäre ja schlimm, wenn der Rat einer Stadt sagen würde: Wir folgen bedingungslos nur mit Herz aber ohne Verstand. Ich erwarte von einem Rat verantwortbares Handeln und kritisches Hinterfragen. Die Grundsatzentscheidung ist im November 2011 gefallen. Klare Bedingung: Keine Beteiligung der Stadt an der Bauinvestition, mit Ausnahme eines Engagements im Bereich städtebaulicher Umfeldmaßnahmen.

Grießl: Zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen wir transparent darlegen, dass die Finanzierung da ist. Und wenn wir es nicht schaffen, ist das Thema tot. Nur, die Leute, die so halb dafür und halb dagegen sind und meinen Plan jetzt nicht unterstützen, die müssen sich jetzt überlegen: Was machen wir denn mit unserem Gut Beethoven? Wenn Sie Beethovens 250. Geburtstag 2020 feiern wollen, müssen Sie schon sagen, wo und wie.

Ist geklärt, wie viel Geld die Stadt in den Betrieb eines Festspielhauses stecken müsste?
Gilles: Nein. Auch inhaltlich gibt es noch offene Fragen.

Die Betriebskosten sollen laut Kulturdezernent Schumacher zu keiner zusätzlichen Belastung des Haushalts führen. Also: In welchen Bereichen würden Sie zugunsten eines Festspielhauses Leistungen streichen?
Gilles: Da werden Sie von mir jetzt keine konkrete Antwort erwarten können. Denn wir haben noch zu viele offene Fragen und Probleme in unserer Haushalts- und Finanzplanung. Denen müssen wir uns stellen und die müssen wir in den Griff bekommen. Wenn uns das nicht gelingt, sind wir ohnehin handlungsunfähig auch in Bezug auf neue Projekte.

Sie weichen aus, Herr Gilles.
Gilles:
Wir müssen für die Zukunft Schwerpunkte setzen und unsere begrenzten Kräfte auf Projekte konzentrieren, die für unsere Stadt wichtig sind. Für mich ist das hier anstehende Projekt eines der wichtigen für die Zukunft unserer Stadt.
Grießl: Seit einigen Wochen beschäftigen wir uns intensiv mit Businessplänen für den Betrieb des Festspielhauses. Mein persönliches Ziel ist, den laufenden Betrieb nach Möglichkeit ohne einen direkten zu verbrauchenden Zuschuss der Stadt Bonn hinzubekommen. Also nicht nach dem Motto: Wir rechnen zusammen, Einnahmen und Ausgaben, uns fehlen 1,5 Millionen Euro, liebe Stadt, mach mal.
Damit würde man der Stadt das gesamte Restrisiko aufbürden. Wenn wir die 39 Millionen Euro vom Bund für die Betriebsstiftung bekommen wollen, muss die Stadt aber nach meinem Kenntnisstand einen nennenswerten, zusätzlichen Beitrag zur Beethovenpflege leisten. Meine Idealvorstellung ist die: Wir schaffen den Betrieb ohne konsumptiven Zuschuss der Stadt. Stattdessen soll die Stadt einen nennenswerten fixen Betrag jährlich in die Stiftung, in den Kapitalstock, geben. Dann kriegt das Kind Junge, das ist nachhaltig.

Welche Summe erwarten Sie?
Grießl: Etwas unter einer Million wäre lächerlich, wenn ich das so sagen darf. Durch die Umwegrendite bekäme die Stadt ja auch etwas wieder. Ich habe außerdem schon Zusagen von Unternehmern aus der Region, in den ersten zehn Jahren den Betrieb durch zusätzliches Sponsoring zu unterstützen.

Über das Schicksal der Beethovenhalle, deren Aufrüstung zur hochwertigen Konzerthalle laut Gutachten auf 42,2 Millionen Euro veranschlagt wird, sagte der Oberbürgermeister nur wenig. Herr Gilles, ist die Beethovenhalle für Sie eine echte Alternative zum Festspielhaus?
Gilles: Ich bin immer vorsichtig, wenn ich Zahlen im Zusammenhang mit Sanierungsaufwand höre, auch wenn ich nicht an der Kompetenz der beteiligten Büros zweifle. Einordnen kann ich die Zahlen eigentlich nur, wenn ich die Datengrundlage und die technisch-wirtschaftlichen Handlungsalternativen kenne.

Kernfrage: Wäre die Stadt in der Lage, einen 43-Millionen-Kredit aufzunehmen, um die Beethovenhalle adäquat zu ertüchtigen?
Gilles: Angesichts unserer Finanzprobleme bin sehr skeptisch, ob wir einen Mehrheitsbeschluss im Rat hinbekommen, der darauf hinausläuft, diesen Aufwand zu tragen. Wir haben auch bei anderen städtischen Gebäuden erheblichen Sanierungsbedarf aber keinerlei Rücklagen für Instandhaltung.

Grießl: Gehen Sie mal nur von 30 Millionen Euro für den Umbau aus. Nehmen wir an, dass die Stadt, die einen solchen Kredit aufnimmt, jetzt auch ansatzweise über Tilgung nachdenkt. Bei vier Prozent Zinsen inklusive Tilgung sind Sie bei einem jährlichen Kapitaldienst von 1,2 Millionen Euro. Da haben Sie noch keine Rücklagen gebildet. Da würde der Kämmerer vermutlich fragen: „Habt ihr sie noch alle?“ Aus dieser Situation rührt ja meine Aussage, dass es für die Stadt teurer wird, das Festspielhaus nicht bauen zu lassen.
Außerdem hätte die Beethovenhalle bei akustischer Optimierung nach diesen Plänen nur noch 1000 statt bisher 1900 Sitzplätze. Beim Beethoven-Fest hat sie eine Auslastung von etwa 80 bis 90 Prozent. Wenn Sie die Zahl der Plätze so reduzieren, entsteht ein finanzielles Loch, an dem möglicherweise das Beethovenfest scheitern könnte.

Gilles: 43 Millionen Euro für die Beethovenhalle wird die Stadt nicht stemmen können. Oder man müsste die Bevölkerung davon überzeugen, dass wir alle Kraft darauf konzentrieren und andere Projekte nicht weiter verfolgen. Dann rüsten wir irgendwann das Stadthaus ein und demontieren die Glasscheiben, damit niemandem etwas auf den Kopf fällt. Eine Vorstellung, die ich schwierig finde. Ich sehe Chancen für das Festspielhaus. Ich denke, dass wir in Bonn und Umgebung ein großes Potenzial haben. Aber die Welt wird auch nicht untergehen, wenn dieses Projekt nicht zum Tragen kommen sollte.

Grießl: Völlig korrekt. Die Stadt würde vermutlich die auch jetzt jährlich zur Verfügung stehenden Mittel verbrauchen, um an der alten Beethovenhalle einiges in Form zu bringen und dann würden wir 2020 vermutlich dort Beethovens Geburtstag feiern. Aber das ist nicht meine Vision. Meine Vision ist, dass sich Bonn als Beethovenstadt positioniert und Kulturtouristen anlockt.

Als Standorte in der Rheinaue sind der Blindengarten und der Rheinland-Pfalz-Pavillon im Gespräch: Was wäre Ihre erste Wahl?
Grießl: Das Landschaftsarchitekturbüro Hansjakob hat da ein Wörtchen mitzureden. Nahe am Post Tower, sagt Herr Hansjakob, ist es relativ eng. Das Festspielhaus würde den Rheinauenpark zusätzlich von der Stadt abschließen. Außerdem wären die Umfeldarbeiten an diesem Standort für die Stadt teurer als im Blindengarten. Ich bin da pragmatisch. Wenn das da (Blindengarten) hinpasst und die Post als weiterer Hauptsponsor das mitträgt, dann sollten wir diesen Standort nehmen.

Wie sehen Sie das, Herr Gilles?
Gilles: Die Beteiligten haben sich positiv geäußert. Nach der landschaftsarchitektonischen Grundanalyse muss im Detail geklärt werden, an welchem Standort in der Rheinaue das Projekt wirklich passt. Ich glaube aber, dass das kein Punkt ist, über den man streiten könnte.

Herr Gilles, wie geht es im Herbst im Rat weiter?
Gilles: Die Stadtverwaltung muss klären, welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen aus ihrer Sicht für die weitere Projektrealisierung erforderlich sind und wie das Zusammenwirken mit dem noch zu etablierenden Vorhaben-Träger geregelt werden soll. Das Projekt muss weiter konkretisiert. Hierzu gehören: Einwerbung von städtebaulichen Fördermitteln für die Umfeldmaßnahmen in der Rheinaue, abschließende Klärung der Standortfrage, Einleitung der Bauleitplanung, etc..

Erwarten Sie nur eine Mitteilungsvorlage der Verwaltung oder eine Beschlussvorlage?
Gilles:
Eine Beschlussvorlage.

Der Rat muss also doch eine Art Grundsatzbeschluss fassen. Die Grünen sehen das Festspielhaus aber kritisch: Wie wollen Sie einen gemeinsamen Beschluss hinkriegen?
Gilles: Die Abstimmungen in der Fraktion und der Koalition sind wegen der Ferien noch nicht erfolgt. Wir werden bis September gemeinsam klären, welche Fragen noch offen sind und welche konkreten Beschlüsse wir zur weiteren Klärung brauchen.
Die entscheidende Frage wird letztlich sein, ob der Rat überzeugt werden kann, dass Plan A greift. Wenn der Plan nicht greift, muss schnellstmöglich geklärt werden, welche Handlungsoptionen noch bestehen. Wenn Sie die bis 2020 noch verbleibende Zeit sehen, wird es auf jeden Fall eng.

Klaus-Peter Gilles ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt Bonn. Er wurde 1950 in Köln geboren und lebt seit 1964 in Bonn. Er ist Vater dreier erwachsener Kinder. Neben seiner kommunalpolitischen Tätigkeit engagierte er sich zehn Jahre lang in einem großen Bonner Sportverein.
1974 schloss Gilles sein Ingenieur-Studium an der Technischen Hochschule Aachen ab. Gilles promovierte 1978. 1979 gründete er zusammen mit anderen Gesellschaftern ein international tätiges Beratungsunternehmen, das weltweit mit Projekten im Bereich Infrastruktur und Umwelt befasst ist. In diesem Unternehmen ist er heute noch als geschäftsführender Gesellschafter tätig.

Wolfgang Grießl wurde am 18. Dezember 1948 in Euskirchen geboren, besuchte das Altsprachliche Gymnasium Euskirchen. Grießl hat Informatik und Mathematik an der Universität Bonn studiert. Seit 1980 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Phoenix Software GmbH, seit 2010 Geschäftsführer der Phoenix Technologie.
Seit 2002 ist Grießl auch in verschiedenen Gremien der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK) tätig. Im Februar 2012 wurde er als IHK-Präsident wiedergewählt. Grießl gehört mit seiner im November 2011 gestarteten Spendenaktion „5000 x 5000 für Beethoven“ zu den maßgeblichen Unterstützern der Festspielhaus-Idee.

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