Luftverschmutzung Fahrverbot in Bonn nicht ausgeschlossen

BONN · Wie bekommt die Stadt reinere Luft? Die Beantwortung der Frage kann dauern. Die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den Bonner Luftreinhalteplan liegt vorerst auf Eis.

Die Stadt, das Land und der Bund halten sich bedeckt, in einer Projektgruppe der Bezirksregierung wird unterdessen ein Diesel-Fahrverbot diskutiert. Denn der Druck wächst. Die Europäische Kommission hat vor wenigen Wochen ein zweites Mahnschreiben an NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) geschickt und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Im Anschluss an eine Stellungnahme des Ministeriums entscheidet Brüssel, ob die EU klagt. Am Ende könnten Strafzahlungen stehen, die teilweise die Kommunen zu begleichen haben.

Hintergrund: Seit 2010 gilt eine EU-Umweltvorschrift, nach der in der Luft im Jahresmittelwert nicht mehr als 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter stecken dürfen. In vielen Städten wird diese Obergrenze nicht eingehalten, auch in Bonn nicht. 2016 hatte es dazu eine vielbeachtete Entscheidung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts gegeben. Die Richter urteilten, die Stadt Düsseldorf müsse in ihrem Luftreinhalteplan Fahrverbote in der Innenstadt zumindest prüfen. Die Deutsche Umwelthilfe als Klägerin bekam damit Recht. Das Kölner Verwaltungsgericht muss sich mit einer Klage für Bonn und Köln zu deren Luftreinhalteplänen befassen. Sie hat aber laut einer Gerichtssprecherin am 9. März den Beginn der Verhandlungen auf Eis gelegt, bis das Bundesverwaltungsgericht ein Grundsatzurteil fällt.

Ausdehnung der Umweltzone?

Der Handlungsbedarf bleibt: Die Kölner Bezirksregierung bestätigt, dass sie die Projektgruppe zum Bonner Luftreinhalteplan Ende 2016 einberufen hat. Neben der Stadt sitzen dort Umweltverbände, Handelsvertreter, Verkehrsunternehmer und die Messbehörde für Schadstoffe, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), an einem Tisch, um Lösungen zu diskutieren. Dirk Schneemann, Sprecher der Bezirksregierung: „Es werden durch die Projektgruppe zum Luftreinhalteplan Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffdioxid-Belastung geprüft.“ Wie aus dem Protokoll des jüngsten Treffens hervorgeht, wurde auch ernsthaft über ein Diesel-Fahrverbot in die Bonner Umweltzone nachgedacht.

Die Bürgeraktion Umweltschutz Bonn, Mitglied in der Projektgruppe, fordert neben einer Ausdehnung der Umweltzone weitere drastische Maßnahmen. Beispielswiese eine City-Maut, wie sie Anfang März der Kölner Umweltdezernent (erfolglos) ins Gespräch gebracht hatte, und ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge, von denen gerade die älteren mehr gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid ausstoßen als Otto-Motoren. Öffentlicher Nahverkehr und Radverkehr müssten verbessert, Anreize für Autoverkehr wie zusätzliche Parkhäuser verhindert werden. „Die Wirtschaftsverbände und die Stadt ignorieren, dass die dicke Luft in hohem Maße die Gesundheit der Bonner gefährdet“, sagt Manfred Roth von der Bürgeraktion. Industrie- und Handelskammer sowie Kreishandwerkerschaft lehnen Fahrverbote ab und setzen auf Anreize für umweltfreundliche Verkehrsmittel.

Schadstoffwerte sinken zu langsam

Die Bezirksregierung stellt fest, dass die Schadstoffwerte in der Bonner Luft zwar sinken, „aber zu langsam“, so Schneemann. Tatsächlich hat das Lanuv an der Reuterstraße 2013 einen Durchschnittswert von 57 Mikrogramm gemessen, 2016 waren es 49 Mikrogramm. An der zweiten Messstelle auf der Bornheimer Straße waren es in den vergangenen beiden Jahren je 41 Mikrogramm. Als einen Grund, warum die Grenzwerte gegen die Prognosen des Lanuv nicht längst eingehalten werden, führt Behördensprecherin Birgit Kaiser de Garcia den Pfusch bei Dieselfahrzeugen in der Autoindustrie an. Das sieht das NRW-Umweltministerium genauso.

Dessen Sprecherin Tanja Albrecht stellt auf Nachfrage klar: „Wir können nicht ausschließen, dass es im Rahmen der rechtlichen Klärung zu Fahrverboten kommen muss, um die Grenzwerte einzuhalten. Wir wollen dies aber verhindern, damit die Autofahrer nicht für illegale Machenschaften der Automobilhersteller bezahlen.“

Die Stadt sieht als oberstes Ziel, den Autoverkehr zu mindern und ÖPNV sowie Radverkehr zu stärken. Sie arbeitet an einem Mobilitätskonzept, für das der Rat eine Stelle genehmigt hat. Für ein Fahrverbot oder eine Citymaut fehlen laut Umweltamt bundesgesetzliche Regeln. „Es sollte die Schadstoffbekämpfung an der Quelle, also bei den Emissionen der Fahrzeuge, Vorrang haben, bevor zu so drastischen Maßnahmen wie Fahrverboten gegriffen wird“, sagt Stefanie Zießnitz vom Presseamt. Förderung schadstoffarmer Verkehrsmittel wäre eine Maßnahme. Der Schlüssel für eine weitere Absenkung liege aber in Förderprogrammen für die Nachrüstung alter Autos. Auch die Privilegierung von Dieselwagen bei der Energiesteuer sei zu hinterfragen. Das müsse aber auf Bundesebene geschehen.

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