Übergriffe an Bonner Schulen Expertin hält Schutzkonzept in Förderschulen für unerlässlich

Bonn · Heike Fröhlich ist Diplom-Sozialarbeiterin und arbeitet bei der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt. Sie hält ein Schutzkonzept in Förderschulen für unerlässlich.

 Heike Frohlich

Heike Frohlich

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

In den Fällen sexueller Übergriffe zwischen Schülern der Christophorus-Förderschule wurde ab 2014 von der Schulleitung auch die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt eingeschaltet. Deren Mitarbeiterin Heike Fröhlich klärt Sachfragen zum Thema Grenzverletzungen unter behinderten Schülern.

Sind Behinderte eigentlich noch gefährdeter, Opfer sexueller Gewalt zu werden?

Heike Fröhlich: Ja, Studien haben ergeben, dass Mädchen und Frauen mit Behinderung zwei bis drei Mal häufiger sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind als nichtbehinderte. Auch behinderte Männer sind häufiger betroffen.

Und da können auch selbst Behinderte zu Tätern werden?

Fröhlich: Ja, auch sie können Vertrauen, Unterlegenheit und (emotionale) Abhängigkeit anderer bewusst missbrauchen. Es gibt aber auch solche, die aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen unbewusst übergriffig sind.

Welche Symptome könnten bei Behinderten auf Missbrauch schließen lassen?

Fröhlich: Albträume, Ängste, Konzentrationsstörungen, Rückzug, sexualisiertes, distanzloses oder aggressives, aber auch überangepasstes Verhalten, Einnässen, Einkoten, Bauchschmerzen, Essstörungen, Selbstverletzung, Depressionen, Suizidgefährdung oder Verletzungen im Intimbereich. Da können aber auch andere Gründe vorliegen. Wichtig ist, Verhaltensänderungen ernst zu nehmen.

Müssen nicht gerade Förderschulen intensiv auf das Verhalten von behinderten Schülern untereinander schauen?

Fröhlich: Grundsätzlich sollte in allen Schulen ein Klima herrschen, in dem (verbale) Demütigungen und (sexuelle) Grenzverletzungen nicht toleriert werden. Übergriffe unter Schülern sind keine Seltenheit. Daher sollte auf das Verhalten untereinander geachtet werden, und bei Menschen aus Risikogruppen noch sensibler.

Was raten Sie also den Pädagogen an solchen Schulen?

Fröhlich: Sich mit den Themen sexualisierte Gewalt, Nähe und Distanz, Grenzen und Regeln auseinanderzusetzen. Ich rate zur Entwicklung eines Schutzkonzepts. Der erste Baustein dabei besteht aus einer Risikoanalyse, also der Überlegung, wo es strukturelle, räumliche oder personenbezogene Schwachstellen gibt, die Übergriffe ermöglichen könnten, und wie man diese beseitigen kann.

Und was raten Sie Eltern behinderter Schüler?

Fröhlich: Eine liebevolle, wertschätzende Beziehung zu führen, in der sich das Kind auch bei schwierigen Themen traut, diese zu äußern. Das Selbstwertgefühl zu fördern. Nachzufragen, wenn das Kind irgendwo nicht hingehen möchte. Andeutungen, Gefühle und Verhaltensänderungen ernst zu nehmen und sich bei Unsicherheiten Rat zu holen.

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