Diskussion um städtische Gebäude Experte: Bonner Oper genießt keinen Bestandsschutz

Bonn · Brandschutz muss auch in alten Häusern eingehalten werden, sagt der Jurist Norbert Küster. Die Stadtverwaltung widerspricht. Letztlich liegt die Entscheidung bei der Oberen Bauaufsichtsbehörde in der Bezirksregierung Köln.

Die Wandverkleidung im Opernsaal – brennbar. Die Teppiche in den Foyers – brennbar. Die Türen, die Fluchtwege über die Treppenhäuser sichern sollen – nicht rauchdicht. Die Rauchabzugsanlage im oberen Foyer – nicht zugelassen. Die Stahlträger unterm Dach – „ohne jegliche Feuerwiderstandsqualität“. Eine Anlage für Warndurchsagen an bis zu 1000 Gäste im Haus – nicht vorhanden. Die Liste der Brandschutzmängel in der Oper ließe sich fortsetzen (siehe „Aus dem Instandsetzungskonzept der Oper“). Viele davon sind seit Jahren bekannt, doch erst jetzt beginnt die Stadt, sie systematisch zu beseitigen.

Dabei existiert seit 2005 ein Brandschutzkonzept, mit dem das städtische Theater auf die im Lauf der Jahrzehnte verschärften Brandschutzvorschriften reagieren sollte. Umgesetzt wurde es nicht. Zwar gab es regelmäßige Begehungen der Bauaufsicht und der Feuerwehr, die mit Mängelberichten endeten. Doch die Liste blieb lang. Die Sicherheit von Besuchern und Mitarbeitern sei trotzdem nicht gefährdet, betonte die Stadtverwaltung zuletzt mehrfach.

Stadt sieht auch Schulen unter Bestandsschutz

Im Übrigen gelte für die 52 Jahre alte Oper Bestandsschutz aufgrund der damaligen Baugenehmigung. Dasselbe Argument verwendet die Stadt für andere Gebäude, die sanierungsbedürftig sind. Beispielhaft fragte der GA nach Brandschutzmängeln in der Bad Godesberger Stadthalle (Baujahr 1955), dem Stadthaus (1977) und dem Rathaus Beuel (1960). „Diese Gebäude haben Bestandsschutz“, antwortete Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann. „Sie müssen daher nicht allen heutigen Vorschriften unterliegen.“

Aber ist das wirklich so? Offenbar bewegt sich die Stadt Bonn damit juristisch auf dünnem Eis. Bestandsschutz sei in keinem Gesetz geregelt, sondern werde aus Artikel 14 des Grundgesetzes abgeleitet, erklärt der Bonner Rechtsanwalt Norbert Küster, der sich seit mehr als 20 Jahren mit Brandschutz befasst und Weiterbildungsseminare für Sachverständige an Hochschulen gibt. Artikel 14 schützt das Eigentum gegen hoheitliche Eingriffe – allerdings nur für Privatpersonen oder Firmen, wie Küster unterstreicht.

Für Gebäude einer Gebietskörperschaft, zum Beispiel einer Kommune, könne es keinen Bestandsschutz geben, weil es ein Schutz gegen das eigene Handeln wäre – in diesem Fall der Bauaufsicht. „Die Stadt Bonn kann für keines ihrer Gebäude Bestandsschutz in Anspruch nehmen“, sagt Fachmann Küster.

Stadt Bonn verteidigt Rechtsauffassung

„Das gilt auch für Brandschutzmaßnahmen.“ Die öffentliche Hand wolle jedoch häufig die notwendigen Investitionen vermeiden und beharre deshalb auf dem angeblichen Bestandsschutz.

Die Stadt Bonn verteidigt ihre Rechtsauffassung. „Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung leitet sich der Bestandsschutz aus einfachem Gesetzesrecht ab, nicht jedoch unmittelbar aus der Verfassung“, so Vize-Stadtsprecher Hoffmann. „Anders als die Grundrechte gelten einfache Gesetze jedoch auch für Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.“ Die Stadt beruft sich dabei auf den Nassauskiesungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1981.

Ein Kiesgrubenbetreiber hatte gegen eine Behörde wegen einer nicht erteilten Genehmigung geklagt. Ein Bezug zur Frage, ob Städte auf Bestandsschutz pochen können, ist in dem Fall nicht erkennbar. Anwalt Küster hält die Antwort der Verwaltung für „groben juristischen Unsinn“.

„Brandschutzvorschriften müssen eingehalten werden"

Wenn es hart auf hart kommt, wird Bestandsschutz ohnehin irrelevant. Entscheidend ist aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster der Paragraf 87 der NRW-Bauordnung. Falls Gebäude nicht den Vorschriften des Gesetzes entsprechen, heißt es dort, „kann verlangt werden, dass die Anlagen diesen Vorschriften angepasst werden, wenn dies im Einzelfall wegen der Sicherheit für Leben oder Gesundheit erforderlich ist“.

Damit sei juristisch unerheblich, ob sich Kommunen überhaupt auf Bestandsschutz berufen könnten, sagt Ulrich Lau, Vorsitzender Richter und OVG-Sprecher. Der Bestandsschutz werde vom Paragrafen 87 „durchlöchert“ Lau: „Leben und Gesundheit wiegen in jedem Fall schwerer als der Schutz von Eigentum.“

Für den Bonner Anwalt Küster ist klar: „Brandschutzvorschriften müssen eingehalten werden, um eine latente Gefahr für Leben und Gesundheit zu vermeiden.“ Ob ein Mangel aber so erheblich ist, dass Maßnahmen im Sinn der Bauordnung in städtischen Häusern „erforderlich“ sind, entscheidet die städtische Bauaufsicht selbst. Die erklärt über das Presseamt: Sofern keine konkrete Gefahr bestehe, „kann bei rechtmäßig bestehenden Gebäuden keine Anpassung gefordert werden“. Das gelte zum Beispiel auch für jahrzehntealte Schulen. Auch eine Anpassung alter Brandschutztüren, die nicht mehr „heutigen Qualitätsansprüchen“ entsprechen, könne das Amt nicht verlangen.

So kontrolliert die Stadt

Kontrollinstanz ist die Obere Bauaufsichtsbehörde in der Bezirksregierung Köln. Die Fraktion der Sozialliberalen, die im Rat erfolglos die Schließung der Oper aus Sicherheitsgründen beantragt hat, schaltete die Aufsicht bereits vor einigen Wochen ein. Inzwischen liegt den Kölnern eine Stellungnahme der Stadt zur Oper vor. Welche Rechtsauffassung die Bezirksregierung zum Bestandsschutz für Kommunen hat, wollte Sprecher Dirk Schneemann auf Nachfrage nicht beantworten. „Wir prüfen jeden Einzelfall“, erklärte er.

Die Feuerwehr prüft den Brandschutz in besonders sensiblen Gebäuden wie Schulen, Kindergärten oder Versammlungsstätten alle sechs Jahre. Das Bauordnungsamt unterzieht sie alle sechs Jahre zudem der sogenannten wiederkehrenden technischen Prüfung (bei Versammlungsstätten alle drei Jahre).

Werden wesentliche Mängel festgestellt, ist das Bauordnungsamt dafür zuständig, die Beseitigung durchzusetzen. Die Stadtverwaltung betont, dass „in der Regel betriebliche und einfache bauliche Mängel“ in kommunalen Häusern sofort behoben würden. Das gelte auch für die Oper.

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