Schießerei Ex-Bandido: Schüsse in Godesberg waren Irrtum

Bonn · 34-jähriger muss sich vor dem Schwurgericht verantworten. Bonner Rockerkrieg tobt im Hintergrund. Der Beschuldigte, ein arbeitsloser Trockenbauer, legt ein Geständnis ab.

Es ist Mitternacht, als auf der schnurgeraden Deutschherrenstraße im Godesberger Ortsteil Pennenfeld zwei Autos mit über 100 Sachen hupend über den Asphalt jagen. Schließlich überholt der hintere den roten Citroën mit Kölner Kennzeichen, bremst ihn aus und bringt ihn zum Stoppen. Es folgt – mitten in Lannesdorf – eine gespenstische Szene: Der Verfolger steigt aus, zieht eine Pistole, zielt und schießt. Der Fahrer des Citroëns bekommt Panik, schützt sich – „so wie wir es aus Krimis kennen“ – hinterm Lenkrad und gibt zugleich Gas. Der fremde Schütze feuert drei weitere Schüsse ab. Der 30-Jährige hat Glück: Keine Kugel trifft ihn; er wird durch Splitter des durch die Einschüsse berstenden Fensterglases leicht verletzt. Eineinhalb Tage später meldet sich ein 34-jähriger Bonner bei der Polizei, legt ein Geständnis und die Waffe ab.

Vor dem Bonner Schwurgericht muss sich seit Donnerstag der mutmaßliche Schütze wegen versuchten Totschlags sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. „Das Ganze war ein Irrsinn. Ich wollte mich für die Tat entschuldigen“, eröffnete der arbeitslose Trockenbauer sein Geständnis. „Aber ich habe niemanden verletzen, geschweige denn töten wollen“, den Fahrer des roten Autos habe er „nur etwas erschrecken wollen.“

Einen Denkzettel verpassen, bezeichnete es der Angeklagte später. „Wenn ich den Fahrer hätte töten wollen, dann wäre das ein einfaches Spiel gewesen. Ich stand keine zwei Meter von ihm entfernt.“ Später stellte sich heraus, dass der Angeklagte den Mann am Steuer verwechselt hatte. Die Wild-West-Szene in der Nacht zum 16. März 2016 war offenbar Teil eines erbitterten Kriegs zwischen zwei Rockerbanden: An dem Abend, erzählte der 34-Jährige, der selber ein Jahr lang Anwärter bei den „Bandidos“ gewesen war, wären rund 15 Mitglieder der „Fist Fighters“ überraschend in drei Autos vorgefahren; schreiend seien sie mit Schlagstöcken und Baseballschlägern auf ihn losgegangen.

Im Hof seiner Eltern habe er sich retten und in einer Garage verstecken können; da hätten die „Fighters“ die Aktion abgebrochen. Später, nachdem er sich Verstärkung von „Freunden“ (ebenfalls eine Gruppe von rund 15 Mann) geholt hatte, sei ihm der rote Pkw aufgefallen, der kurz vor Mitternacht die Straße entlang kam, vor ihnen wendete und dann wieder wegfuhr. „Nicht schon wieder“, habe er gedacht. „Nach dieser extremen Sache war ich so aufgewühlt, dass ich dachte, der Fahrer sei einer der Typen, die mich zuvor gejagt hatten.“

Daraufhin habe er sich „ohne nachzudenken“ ins Auto des Vaters gesetzt, die Pistole – eine die umgebaute Glock, die auch Dauerfeuer abgeben kann – hatte er bereits eingesteckt. Besorgt hatte er sich die Waffe angeblich drei Monate zuvor, weil er wiederholt Morddrohungen bekommen habe.

Warum er in der Nacht von den „Fist Fighters“ angegriffen wurde, konnte der 34-Jährige angeblich selber nicht verstehen. Er habe mit niemandem Streit gehabt. „Grundlos passiert so was nicht“, meinte Kammervorsitzender Josef Janßen. Aber eine Antwort blieb der Angeklagte am ersten Prozesstag schuldig.

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