WCCB in Bonn Eva Zwiebler kannte vor der Grundsteinlegung die Schwachstellen des Projekts

BONN · Die alte Frage "Wer wusste wann was?" beantwortet der dritte WCCB-Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) ab Seite 149 unverhofft und deutlich. Dabei geht es weniger um "wissen" als um "erkennen". Eva-Maria Zwiebler, Mitglied der WCCB-Projektgruppe, beschäftigt sich am 5. Mai 2007 mit den Risiken des Projekts.

Das RPA: "Der Vermerk trägt den handschriftlichen Hinweis: "'Vermerk nicht in den Akten - nur auf meinem PC gespeichert - nur StD Hübner ausgehändigt.'" Dabei steht "StD" für Stadtdirektor. Arno Hübner leitete 2007 darüber hinaus damals auch die WCCB-Projektgruppe. Damit hatte Zwiebler ihrem damaligen Vorgesetzten ihre Erkenntnisse mitgeteilt - Erkenntnisse über Risiken, wie sie später Realität wurden. Auszüge:

"Das Misstrauen gegenüber Kim ist berechtigt, denn der Nachweis über 30 Mio. Euro sollte bereits mit Beginn der Bauarbeiten (Februar 2007) erbracht werden. Nur mit viel Mühe und hohem Druck der Sparkasse wurden 10 Mio. Euro eingebracht. Angeblich stammt dieses Geld aus dem Vermögen von Frau Kim (...) weitere 10 Mio. sind von Kim als Sicherheit bei der Sparkasse hinterlegt worden (Darlehen Arazim zu 60 Prozent Zinsen/Anm. d. Red.), wobei noch nicht ersichtlich ist, wie viel davon (von den ersten 10 Mio./Anm. d. Red.) tatsächlich auch in der berechtigten Höhe in das Projekt geflossen ist."

Exkurs eins: Für die ersten 10 Millionen reichte Kim beim WCCB-Kontrolleur Friedhelm Naujoks, Leiter des Städtischen Gebäudemanagements (SGB), Rechnungen ein, die höchst zweifelhaft waren, aber vom SGB akzeptiert wurden (s. Millionenfalle 36). Das war vom RPA im ersten WCCB-Report bemängelt worden. Experten sprechen von "Geld am Gummiband", das man sich später durch fingierte Rechnungen zurückholt (s. Millionenfalle 36).

Zwiebler weiter: "Alle bislang von Kim/C. (C.: Rechtsberater Kim/Anm. d. Red.) vorgelegten Finanzierungsgeschäfte erwiesen sich als nicht brauchbar (...) nach wie vor fehlen aber 20 Mio." Zwiebler schlägt vor: "Sparkasse und Stadt müssen Druck auf Kim erhöhen, zumindest erkennbar wird, woher die 20 Mio. kommen sollen (Gespräche von Sparkassenvorstand und Frau OB mit Kim). Es muss auch klar werden, wie teuer dieses Eigenkapital ist, dass sich dies auf die laufenden Betriebskosten ab 2009 auswirkt. Solange dieses Eigenkapital nicht eingezahlt ist, muss das Controlling intensiviert werden (...) Es kann nicht sein, dass der Investor, der bislang von den 150 Mio. Gesamtkosten 'lediglich' 20 Mio. eingezahlt hat, die wichtigen Entscheidungen alleine trifft! Stadt muss derzeit für 35,79 Mio (bei Heimfall für 74 Mio.) und Sparkasse derzeit für 90 Mio. Verantwortung tragen."

Exkurs zwei: Weil das restliche Eigenkapital von Kim nicht mehr kam, sprang 2009 die Stadt ein (s. Millionenfalle 32 und 34). SGB-Chef Naujoks begründete das gegenüber dem Rat mit "erhöhten Baukosten" und Planungsänderungen, etwa einer höheren Zahl von Hotelzimmern (s. Millionenfalle 8). Der Rat erhöhte darauf die bürgschaftsähnliche Nebenabrede der Stadt gegenüber der Sparkasse von 74,3 auf 104,3 Millionen Euro.

Zwiebler führt weiter aus: "MK Kim ist zwar der Investor und der Visionär, aber seine Aussagen sind nur begrenzt glaubwürdig und realistisch. (...) Es ist zu vermuten, dass er die Gesamtsituation und auch die einzelnen vertraglichen Regelungen nicht genau kennt und sich bislang nur auf Aussagen von C. verlassen hat. Bei C. wissen wir zwischenzeitlich, dass er an diesem Projekt gut verdient hat (...) Im Nachhinein ist daher zu verstehen, dass er bei den Vertragsverhandlungen für die Stadt ein sehr angenehmer Partner war und alle Bedingungen der Stadt fast problemlos akzeptiert hat (ist ja nicht sein Geld!) (...) Thielbeer (erst Investorenauswähler der Stadt, später Kim-Mitarbeiter/Anm. d. Red.) ist Wirtschaftsberater und hat keine praktische Erfahrung im Kongress- und Veranstaltungsgeschäft (...) Problematisch könnte werden, dass er umfangreiches Wissen aus seiner Beratertätigkeit für die Stadt Bonn hat und somit weiß, dass die Stadt bei einer Fehlentwicklung des Projektes gar nicht anders kann, als einen Betriebskostenzuschuss zu zahlen! (...) Wir dürfen uns nicht mehr nur auf Auskünfte verlassen, sondern müssen tiefer einsteigen."

Das RPA resümiert: "Dieser Vermerk zeigt, dass Frau Zwiebler weder Vertrauen in die Finanzierung des Projektes noch in die handelnden Personen hatte." Und das 10 Tage vor der Grundsteinlegung, bei der OB Bärbel Dieckmann (SPD) Kim als "Glücksfall für Bonn" bezeichnete.

Am 31. August 2009, nach "Millionenfalle IV" im GA, bittet Zwiebler OB Dieckmann, sie von ihrem "Nebenjob", inzwischen leitete sie die WCCB-Projektgruppe, "bald möglichst zu entbinden". Die Leiterin des Bürgeramtes (Hauptjob) begründete ihren Wunsch - unter anderem - so: "Ich hatte Sie aber auch schon vor geraumer Zeit darum gebeten, dass weiterer juristischer und betriebswirtschaftlicher Sachverstand für dieses Projekt benötigt wird, da ich dieser Aufgabe alleine nicht mehr gewachsen bin. (...) Mehrfach habe ich in der Vergangenheit auf die Probleme bei diesem Projekt hingewiesen."

Der GA berichtete unwidersprochen am 3. Mai 2012 in Millionenfalle 76, dass "Dieckmann nach GA-Informationen mit dem ersten “Kündigungsschreiben„ inhaltlich nicht einverstanden gewesen sein und Korrekturen vorgenommen haben soll". In der zweiten Version, ebenfalls datiert auf den 31. August 2009, tauchen die zitierten Sätze nicht mehr auf. Stattdessen ist jetzt als Begründung zu lesen: "(...) da ich nervlich nicht mehr in der Lage bin, diesen Arbeitsdruck und auch die öffentliche Diffamierung auszuhalten".

Die ursprüngliche Kündigung ist von Zwiebler unterschrieben, die korrigierte Version nicht. Heute, vier Jahre später, gibt es noch einen Unterschied: Hübner und Zwiebler sind angeklagt, Dieckmann nicht.

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