Bundespräsident Gauck informiert sich über Folgen des Kindesmissbrauchs Erst zur Klinik, dann zurück nach Berlin

BONN · Für den letzten Termin seiner Tage in Bonn hatte sich Bundespräsident Joachim Gauck gestern ein ernstes Thema ausgesucht. Quasi fußläufig von seinem Zweitamtssitz - der Villa Hammerschmidt - entfernt, besuchten er und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt gestern die Uni-Kinderklinik an der Adenauerallee.

 Bundespräsident Gauck klatscht sich mit der vierjährigen Finja, die vor der Klinik gewartet hat, die Hand ab.

Bundespräsident Gauck klatscht sich mit der vierjährigen Finja, die vor der Klinik gewartet hat, die Hand ab.

Foto: dpa

Dort ließ sich Gauck die Arbeit der Kinderschutzgruppe erklären. Die hilft Mädchen und Jungen beim Verdacht auf körperliche Misshandlung, sexuellen Missbrauch oder Vernachlässigung.

"Erst mal habe ich hier Menschen aus unterschiedlichen Berufen gesehen, die sich nicht scheuen, fächerübergreifend zusammenzuarbeiten", sagte der Bundespräsident nach seinem Rundgang und Gespräch mit Dr. Ingo Franke, dem Gründer der Kinderschutzgruppe, Uni-Rektor Professor Michael Hoch und Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Bonn (UKB).

So sitzen in dem 2006 als Pionierarbeit ins Leben gerufenen Programm Vertreter aus Medizin, Psychologie, Pflege, Sozialdienst und Seelsorge an einem Tisch.

Es gibt nur einen von innen abschließbaren Raum

"Dies ist der einzige Raum, den man von innen zuschließen kann", sagte Franke im bunt eingerichteten Behandlungsraum. Die Kinder haben da die Schlüsselgewalt, "das ist für viele Mädchen wichtig". Die meisten würden sich so auf die Untersuchungen einlassen, die ihnen mit Puppen vorher erklärt werden. Am Bildschirm können sie dasselbe sehen wie der Arzt.

Franke erklärte, dass zwischen 2006 und 2013 insgesamt 330 Fälle behandelt wurden. Bei 110 davon bestand der Verdacht auf sexuellen Missbrauch, 20 Prozent davon seien auch diagnostiziert worden. Meist würden weitaus weniger Fälle erkannt, denn bevor die Kinder zur Klinik kommen, seien viele Wunden oft schon verheilt.

Bei körperlichem Missbrauch liegt die Aufklärungsquote deutlich höher, "60 Prozent der Fälle bestätigen sich", sagte Franke. Bis 2017 arbeiten die Fachleute nun an einer Leitlinie, damit betroffene Mädchen und Jungen nach den höchsten Standards behandelt werden können.

Bis zu acht Stunden nehmen sich die Ärzte für ein Kind Zeit, was derzeit laut Holzgreve mit gerade mal 92 Euro vergütet werde. Er hofft, später kostendeckend arbeiten zu können. Gauck bot an, in seiner Rolle als Bundespräsident mit den Abgeordneten sprechen zu wollen.

Auch wenn er nicht so oft an den Rhein komme, sei es wichtig, seinen Dienstsitz hier zu erhalten. Gauck lobte die Bonner, die schon seit Jahren nicht mehr zurückschauen, sondern wüssten, ihre Chance zu nutzen.

Bevor er dann in seinen Dienstwagen einstieg, um nach Berlin zurückzureisen, bückte er sich noch zu Finja (4) hinunter, die zu einer Untersuchung in die Klinik kam. "Tschüss Mäuschen, mach noch mal winke." Das tat das Mädchen und klatschte die Hand des Bundespräsidenten ab.

Mehr zum Thema gibt es auf www.kinderschutzgruppe.de

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