Karolina R. bricht in Düsseldorf ihr Schweigen Ernüchtert vom "Leben nach islamischen Regeln"

DÜSSELDORF · Es ist die erste faustdicke Überraschung im Prozess gegen die 26-jährige Karolina R. aus Bonn. Nicht nur, dass die jüngsten Verhandlungstage vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf das Attribut "turbulent" verdienen.

 Karolina R. äußerte sich jetzt erstmalig im Prozess zu den Vorwürfen gegen sie.

Karolina R. äußerte sich jetzt erstmalig im Prozess zu den Vorwürfen gegen sie.

Foto: dpa

Erstmals äußert sich die Angeklagte, die sich seit September wegen der mutmaßlichen Unterstützung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verantworten muss, jetzt zur Sache - und eröffnet dabei einen Einblick in die Welt der aus Deutschland in die Bürgerkriegsgebiete ausgereisten Dschihadisten.

Die Unterstützung des IS gründet nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft darin, dass die Bonnerin Geld und Kameras an ihren Mann Fared S. geschickt habe, der in den Reihen des IS kämpft.

Ja, so bestätigt die Frau nun über ihre Verteidiger, sie sei gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in Syrien gewesen. Auch räumt sie ein, von Bonn aus Geldtransfers in die Krisenregion veranlasst zu haben. Inwieweit ihre Aussagen nun der Anklage in die Hände spielen, ist offen.

Denn: Soweit ihr bekannt, habe das Geld nur der Bestreitung des Lebensunterhalts gedient, lässt Karolina R. übermitteln. Zu den Brillen- und Helmkameras für Fared S. sagt die in Polen geborene Frau auf der Anklagebank: "Was er damit machen wollte, hat er mir nicht gesagt." Von den Taten und der Ideologie des IS distanziert sie sich.

Zum Ende der Schulzeit sei sie zum Islam konvertiert; über die Gründe dafür möchte sie nicht reden. Dann habe sie Fared S. geheiratet und ein Kind von ihm bekommen. Fared S. machte zuletzt mehrfach durch martialische "Grußbotschaften" aus dem syrischen Kriegsgebiet von sich reden. Zu sehen ist er etwa, wie er gemeinsam mit dem bekannten Islamisten Denis Cuspert stolz inmitten getöteter Männer posiert.

Sie habe, teilt die 26-Jährige mit, ein "Leben nach islamischen Regeln" führen wollen und "wohl zu romantische Vorstellungen gehabt". Etwa die, dass das Leben in einem islamischen Land leichter fallen würde, berichtet sie. Dass die Wahl auf Syrien fiel, lag nahe, denn dort kämpfte bereits ihr Mann gegen die Assad-Regierung. Im Dorf Atera habe Fared S. Kontakte zu Tschetschenen gepflegt und sich während eines Deutschlandaufenthalts von Karolina R. dort eine Zweitfrau genommen. "Nach islamischem Glauben hat er das Recht, mehrere Frauen zu haben. Das war ein Grund für mich, zum zweiten Mal nach Syrien zu gehen, um um meinen Mann zu kämpfen", erinnert sie sich.

Inzwischen hatte sich Fared S. einer Gruppe namens Daula angeschlossen - was schlicht ein Synonym für den Islamischen Staat ist. Von diesem distanziert sich Karolina R. sodann klar: "Ich hatte keine Ahnung, dass mein Mann für eine Organisation wie den IS in einem solchen Ausmaß im Internet auftreten könnte. Ich will nicht unterstützen, was er da macht. Heute weiß ich, dass dort Muslime andere Muslime niedermetzeln." Für sie gehe es nun ausschließlich darum, sich um ihren Sohn zu kümmern, der seit einem Jahr mit ihr im Gefängnis lebt - "damit er in Frieden und Sicherheit aufwachsen kann".

Eine ungewöhnliche Situation ist zum Zeitpunkt ihrer Aussage bereits passé: Am Morgen hatte sich eine Gruppe Demonstranten vor dem Gericht zu einer Solidaritätskundgebung für Metin Kaplan versammelt. Der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene und vor zehn Jahren in sein Heimatland abgeschobene Islamist verbüßt dort eine lebenslange Haftstrafe. Nach Beendigung der Kundgebung schauten knapp 30 der überwiegend türkischstämmigen Teilnehmer, unter ihnen mehrere voll verschleierte Frauen, noch als Zuschauer im Gerichtssaal vorbei. Als ein Großteil von ihnen bei Eintreten des Senats sitzen bleibt, lässt die Vorsitzende Barbara Havlitza den Saal räumen.

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