Kolumne "Bonner Stadtleben" Erinnerungen an durchtanzte Nächte

Meinung | BONN · Zwei Institutionen des Bonner Nachtlebens und ihre Fans blicken einer ungewissen Zukunft entgegen. Was tun ohne Pizza aus dem Cala Dor am Bahnhof und ohne das plüschige Blow Up?

Am Samstag war ich mitten in der Nacht noch bei Cala-Dor – und wurde über einer halben Vegetariana ganz nostalgisch. Wer weiß, wie lange es die Mini-Pizzeria direkt gegenüber dem Bonner Hauptbahnhof noch gibt. Denn die Südüberbauung wird bekanntlich bald weichen. Der Imbiss war, genau wie das unmittelbar vor dem Aus stehende Blow Up im Viktoriakarree, eine Institution meines studentischen Nachtlebens – und davon hat Bonn bekanntlich nicht allzu viele zu bieten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich möchte hier nicht für den Erhalt der Südüberbauung plädieren, damit Cala-Dor so bleiben kann, wie es ist. Dem rostigen Klotz wird wohl kaum jemand eine Träne nachweinen, auch wenn es zu der Gestaltung eines Nachfolgers durchaus verschiedene Vorstellungen und Wünsche gibt. Aber ein Bonner Nachtleben ohne das Blow Up und Cala-Dor: Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Natürlich lässt sich mit einer gewissen Berechtigung sagen: Wenn die Läden gut sind, dann können sie doch woanders weitermachen. Für die Betreiber wäre es wünschenswert. Meine Nostalgie aber könnte das sicherlich nicht sättigen.

Wohl wahr ist – es sind nicht eben zwei Schönheiten, die jetzt aus dem nächtlichen Stadtleben verschwinden sollen. Beide verbindet vor allem die eine Eigenart, spät – oder besser gesagt früh – noch geöffnet zu sein.

Ein Nachtclub in einer ehemaligen Rotlichtbar mit schwülstigem Ambiente und kleiner, meist rappelvoller Tanzfläche und eine Miniatur-Pizzeria, die nach einem mallorquinischen Ort übersetzt „Goldene Bucht“ heißt und in der auf einem Quadratmeter ein kleiner, schwitzender Mann Hunderte Pizzen in der Stunde mit Zutaten bewirft und in den Ofen schmeißt, um die langen Schlangen hungriger Partygänger abzuspeisen, die zur Tür hinaus und vor dem Fenster stehen – Kult eben.

Aber für uns, die wir dort regelmäßig waren, ist es natürlich auch die Summe unserer Erinnerungen, Erinnerungen an durchgetanzte Nächte und höchst philosophische Gespräche an der Bar mit Menschen, die wir im Studium gefunden und die auch Jahre später noch zu den Besten in unserem Leben gehören, an aufregende Flirts und ein paar Richtige und ein paar Falsche, die wir von dort mit nach Hause genommen haben. So hat wahrscheinlich jede Generation ihre Abschiede genommen – Imbisse und Nachtclubs sind selten für die Ewigkeit – und kann verstehen, was ich meine.

Die Pizza bei Cala-Dor schmeckt übrigens tatsächlich nicht nur um sechs Uhr morgens nach einer Nacht auf der Tanzfläche und mit besoffenem Kopf, sondern auch generell ganz ordentlich – vor allem für die studentischen Preise und dafür, dass es sich um einen Laden handelt, in dem die berühmt-berüchtigte Knoblauchsoße in einer ausgedienten Spülmittelflasche serviert wird.

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