Beiern soll wieder populär werden Erfüllende Schwerstarbeit an den Glocken

BONN · Drei Glocken, drei Töne. Mehr nicht. Nur mit f, g und a ein Lied zu spielen, ist gar nicht so leicht. Brigitte Dickten-Struck kann es, ganz oben im Turm der Namen-Jesu-Kirche an der Bonngasse.

 Das Beiern ist richtig anstrengend. Brigitte Dickten-Struck bringt die Klöppel über Seile in Bewegung.

Das Beiern ist richtig anstrengend. Brigitte Dickten-Struck bringt die Klöppel über Seile in Bewegung.

Foto: Ewert-Rings

Zwölf Melodien hat sie sich mittlerweile erarbeitet - neben geistlichen Stücken wie ein Gloria und Laudate Dominum auch "Bruder Jakob", "Spannenlanger Hansel" oder "Schlaf, Kindchen, schlaf". Die Beuelerin will in Bonn die alte Tradition des Beierns aufrechterhalten. Mit viel Herzblut und Gefühl.

Frömmigkeit gehört für die Alt-Katholikin auch dazu, denn "Glocken läuten ja auch zu Ehren Gottes", sagt sie. "Für mich ist Beiern eine ganz besondere Art des Betens." So steigt sie die steilen Treppen des Südturms hoch, um "Kyrieeleison" mit "Herr, erbarme dich unser" zu verbinden. Von den Passanten registrieren es an diesem Morgen leider nur wenige, dass hoch über ihnen - deutlich hörbar - Lieder von Hand gespielt werden. Sie wissen es auch nicht. Doch wer genau hinhört, entdeckt die Emotionalität im Spiel: Es gibt nur die drei Noten, doch sie können leise und laut erklingen, Dickten-Struck kann richtige Spannungsbögen in ihre Musik einbringen.

Doch bevor es losgeht, muss die Beierfrau erst einmal das elektrische Läutewerk der drei Glocken - Schöpfer-, Christus- und Heiliggeistglocke - ausschalten, damit die nicht plötzlich die Stunde schlagen. Um jeden Klöppel hat sie ein Seil geschlungen, damit die für das Spiel nur noch zwei Zentimeter vom Schlagring am inneren Glockenrand entfernt sind. So muss sie die Glocken nur über die Seilzüge in bestimmten Rhythmen anschlagen.

Aber von wegen nur noch: "Das ist körperlich anstrengend und erfordert äußerste Konzentration", sagt die 68-Jährige, die 2012 den Dienst in der alt-katholischen Bischofskirche übernahm. Von Hause aus spielt sie Gitarre, Akkordeon, Keyboard und Flöte. Das Beiern samt seiner Improvisationen übt sie daheim auf einem Xylofon. Zudem leitet die Beuelerin den Singkreis im Schwarzrheindorfer Tenten-Haus der Begegnung, damit die Senioren ihre Alltagsbeschwerden ein wenig hinter sich lassen können und weniger vereinsamen.

Der Glockensachverständige Andreas Dziewior hatte vor zwei Jahren die Idee, dass die 2011 bei Perner in Passau gegossenen Glocken fürs Beiern genutzt werden können. "Bei der Anschaffung wurde der Klang mit den Nachbarkirchen abgestimmt", sagt Gisela Ewert-Rings, Gründerin der Stiftung Namen-Jesu-Kirche, die die beiden größten Glocken gestiftet und auch deren Ornamente mitentworfen hat.

Ohne fest sitzenden Gehörschutz geht im Turm gar nichts. "Das ist oben richtig laut. Da vibriert alles", sagt Brigitte Dickten-Struck, die am liebsten im Winter im Turm steht. Dann ist der Klang am besten, die größte Glocke mit einem Durchmesser von 1,23 Metern und einem Gewicht von 1200 Kilogramm dröhnt bei Eiseskälte am wenigsten. Durch die acht Lamellenfenster zieht es dann auch, und trotzdem kommt die Musikerin gehörig ins Schwitzen. Immerhin sind die drei Seile armweit auseinander, mit der rechten Hand muss sie zwei Glocken bedienen. Dabei achtet sie immer auch auf den Nachhall, denn die Töne dürfen nicht zu schnell aufeinanderfolgen, damit die Melodie gut zu erkennen ist.

Nach jedem Spiel signiert Brigitte Dickten-Struck das Mauerwerk und steigt dann vorsichtig die Treppen wieder hinunter. "Ich bin dann einfach glücklich."

Die Tradition des Beierns

Das Wort beiern kann aus dem altfranzösischen Wort baier abgeleitet werden. Das bedeutet das Bellen, sagt Brigitte Dickten-Struck und verweist auf Beiträge zur rheinischen Volkskunde von Alois Döring. Die Tradition ist im Rheinland seit dem 14. Jahrhundert bezeugt. "Das Beiern wurde entweder vom jeweiligen Küster oder von besonders ausgebildeten Beierleuten besorgt, die dafür entlohnt wurden", heißt es. Das Amt hat oft eine lange Familientradition, häufig übernahmen es aber auch Junggesellen oder Schützenbruderschaften. Noch im vergangenen Jahrhundert hat es Döring zufolge einen lebendigen Läutebrauch im Bonner Raum gegeben, etwa in Mehlem, Duisdorf, Graurheindorf, Auerberg, Küdinghoven, Bornheim und Röttgen.

An diesen Tagen wird gebeiert

Das Beiern fand früher an kirchlichen Hochfesten statt. Auch die Namen-Jesu-Kirche hat einige Termine fest eingeplant.

  • 17. August und 28. September, 12.30 Uhr nach der Kinder-Sommer-Kirche
  • 5. Oktober, 12.30 Uhr, Erntedank
  • 1. November, 16 Uhr, Allerheiligen
  • 16. November, 12.30 Uhr, Volkstrauertag 23. November, 12.30 Uhr, Totensonntag
  • Die Samstage vor dem ersten bis vierten Advent, 17 Uhr
  • 30. Dezember, Jahresausklang, 17 Uhr
  • 1. Januar 2015, 13.30 Uhr, Patronatsfest, nach dem Gottesdienst

Weitere Informationen auf www.namenjesukirche.de

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