GA-Serie "Neue Nachbarn" Entscheidende Faktoren: Sprachkurs und Ausbildung

BONN · Um Flüchtlinge schnell in den Arbeitsmarkt zu bringen, wollen die Arbeitsvermittler so früh wie möglich mit einer Förderung beginnen

 Jakob Hackenberg und Martin Andrés (rechts) in einem Informationszentrum der Agentur für Arbeit in Duisdorf: Hier finden Flüchtlinge Hilfe.

Jakob Hackenberg und Martin Andrés (rechts) in einem Informationszentrum der Agentur für Arbeit in Duisdorf: Hier finden Flüchtlinge Hilfe.

Foto: Axel Vogel

Wie bekommt man Flüchtlinge schnell in Arbeit? Das ist bei der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg kein neues Thema, betonen Jakob Hackenberg, Fachmann für die Arbeitsvermittlung und Beratung von Asylbewerbern und Flüchtlingen, und sein Kollege Martin Andrés, Teamleiter des Arbeitgeber-Service. Aber eines, das wegen der hohen Flüchtlingszahlen immer wichtiger wird.

Noch gibt es keine Zahlen, wie viele Flüchtlinge etwa in Bonn Arbeit suchen. Das hängt laut Hackenberg damit zusammen, dass Flüchtlinge bisher statistisch noch nicht genau erfasst werden konnten – auch weil sie dem Arbeitsmarkt noch nicht zur Verfügung standen. Gleichwohl habe man mit Maßnahmen für diese Personengruppe reagiert: Früh ansprechen und fördern, laute die Devise.

Liegt noch keine Anerkennung oder nur eine Duldung vor, steht den Bewerbern vom vierten bis zum 15. Monat des rechtmäßigen Aufenthaltes lediglich „ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang zur Verfügung“, erklärt Hackenberg. Den vorrangigen Arbeitsmarktzugang, den Fachleute oft kritisieren, haben laut Teamleiter Andrés alle EU-Bürger, aber auch alle anerkannten Flüchtlinge, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Sobald nicht genügend vorrangige Bewerber für eine Stelle zur Verfügung stehen, können Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung ab dem 4. Monat eine Arbeit aufnehmen. „Wir müssen die Flüchtlinge möglichst ab dem ersten Tag erreichen“, betont Hackenberg. Das soll auch durch Netzwerksarbeit und Multiplikatoren wie Kammern, karitative Einrichtungen und Ausländerämter funktionieren.

„Wir können auch in der Zeit zwischen dem ersten und dem 16. Monat viel für die Menschen tun“, führt Hackenberg aus. Er verweist auf positive Erfahrungen des vor zwei Jahren gestarteten Projekts „Early Intervention“ der Bundesagentur und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Schnelle Vermittlung der deutschen Sprache sowie Unterstützung bei der Anerkennung im Ausland erworbener Studien- und Berufsabschlüsse sind der Ansatz: „Wir wollen Menschen nachhaltig integrieren“, so Hackenberg. Und das stößt seiner Ansicht nach auf Gegenliebe: „Fast jeder, der zu uns kommt, ist hochmotiviert.“

Das Wissen aus dem ausgelaufenen Projekt „Early Intervention“ fließt in die neuen zentralen Anlaufstellen, „Integration Point“ (IP) genannt: Am 1. Februar ist der erste in der Region in Troisdorf eröffnet worden, ab Anfang April soll der in Bonn folgen. Dort arbeiten Beschäftigte des Jobcenters, der Arbeitsagentur und der Ausländerbehörden unter einem Dach, um Flüchtlingen einen Überblick über das deutsche Beschäftigungssystem zu geben.

Dort sollen möglichst alle Flüchtlinge erreicht werden. Aber erklärtes Ziel sei, sich auf jene Gruppe zu konzentrieren, „die eine hohe Bleibeperspektive hat“, führt Jakob Hackenberg aus. Sie besteht qua Asylgesetz aus jenen Menschen, die aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea kommen. Neben Sprachkursen sollen durch spezielle Förderangebote berufsbezogene Kenntnisse und Grundlagen zur Integration vermittelt werden.

In Sachen Ausbildung gilt: Ein Bewerber sollte ein B 2-Sprachniveau gemäß des Europäischen Referenzrahmens nachweisen, was etwa ein Verständnis von Inhalten komplexer Texte einschließt; eine schulische Ausbildung kann sofort, eine betriebliche Ausbildung jedoch erst ab dem vierten Monat des Aufenthaltes begonnen werden. Seit Mitte 2015 steht Flüchtlingen und Asylbewerbern mit der Einstiegsqualifizierung, einem ausbildungsvorbereitenden Langzeitpraktikum, ein bewährtes Instrument zur Verfügung. Sie soll jugendliche Flüchtlinge fördern und ihnen zur Ausbildungsreife verhelfen. Mittlerweile richtet es sich auch an junge Erwachsene.

„Gerade die Ausbildung von Asylbewerbern sowie von Flüchtlingen verlangt eine große Beratungsleistung“, betont Hackenberg. „Unser duales Ausbildungssystem ist in vielen Ländern nicht bekannt.“ Wer eine Ausbildung hat, ohne Nachweise zu besitzen, kommt in den Genuss des Anerkennungsgesetzes. Demnach hat jede Person mit ausländischem Berufsabschluss einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Anerkennung seiner oder ihrer ausländischen Qualifikation.

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