Viva Viktoria Ein Verein mischt die Kommunalpolitik auf

Bonn · Die Initiative Viva Viktoria will mehr als nur Signa bei deren Ansinnen stoppen, im Viktoriakarree ein Einkaufszentrum zu bauen. Die kleine Gruppe will die Kommunalpolitik umkrempeln.

Café Blau, natürlich. Wer ein Gespräch mit Bonns lautester Bürgerinitiative führen will, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Szenelokal an der Franziskanerstraße eingeladen. Hier im Viktoriakarree hat vor einem Jahr alles angefangen; es ist die Geburtsstätte des Bürgerbegehrens, das die umstrittenen Baupläne der Signa-Holding für ein Einkaufszentrum und eine Universitätsbibliothek hinwegfegte. Mehr als 20.000 Unterschriften machten die Initiative Viva Viktoria stark. Und jetzt will sie längst mehr, als nur Signa zu stoppen. Die kleine Gruppe will die Kommunalpolitik umkrempeln.

Axel Bergfeld (55) und Bernd Eder (49) sind die Vorsitzenden des Vereins Viva Viktoria, der nach ihren Angaben bisher zehn Mitglieder hat. Gegründet haben sie ihn, um die Ausgaben für das Bürgerbegehren abzuwickeln, für Flugblätter, Plakate, Anstecker – bezahlt aus der eigenen Tasche. Jetzt streben sie eine vierstellige Zahl von Fördermitgliedern an, um den Verein zu finanzieren.

„Wir haben uns damals selbst ermächtigt, etwas zu tun“, sagt Bergfeld, während im Café Blau ein frischer Kaffee vor seiner Nase dampft. Der 55-Jährige ist ein smarter Geschäftsmann mit Wurzeln in der Anti-Atom-Bewegung, der in Bonn drei Biomärkte betreibt, einen davon an der Stockenstraße im Viktoriakarree.

Er ist das Gesicht der Gruppe – und spürbar stolz auf ihren Erfolg. „Heute geht es um mehr als das Viktoriakarree“, umreißt er seinen Anspruch. „Es geht um eine neue Kultur der Bürgerbeteiligung. Wie soll Stadtentwicklung laufen: als partnerschaftliches Projekt oder so, dass Bürger nur die Rolle der Protestierenden spielen?“

Zum Beispiel bei den Neubauplänen am Hauptbahnhof. Als eine Bonnerin kürzlich zum Bürgerbegehren gegen den Ratsbeschluss aufrief, erklärte Viva Viktoria sofort die Unterstützung – bis sich zeigte, dass dieses Begehren ins Leere laufen würde. In scharfen Worten warfen Bergfeld & Co. der Stadtverwaltung vor, mit dem raschen Verkauf kommunaler Flächen an der Südüberbauung ein mögliches Bürgerbegehren ausgehebelt zu haben.

Typisch für Viva Viktoria: äußerst zugespitzte, gut formulierte Angriffe in Pressemitteilungen und den sozialen Netzwerken vor allem auf die Signa, der eine Entmietungspolitik in ihren Häusern im Karree vorgehalten wird. Auch ansonsten zieht der Verein alle Register: Demos, Info-Container, Flugblätter – und viele kreative Aktionen. Dass Viva Viktoria einen Untermietvertrag mit dem Blow Up abgeschlossen hat, bringt den Verein genau wie den Nachtclub vors Landgericht: Signa hat eine Räumungsklage angestrengt.

Die auffällige Schlagkraft von Viva Viktoria erklärt Bernd Eder damit, dass die Kerntruppe aus Kleinunternehmern besteht. „Wir warten nicht, sondern handeln. Und verstehen was von Marketing.“ Eder programmiert vor Ort Internetseiten, Johannes Roth betreibt einen Fahrradladen, Ludwig Eick das Café Blau. Sie wissen, dass Ratspolitiker ihnen deshalb gern Eigeninteressen vorhalten.

„Aber das treibt uns nicht an“, kontert Axel Bergfeld. „Mein Biomarkt wäre vom Einkaufszentrum kaum betroffen gewesen, weil wir Stammkunden haben.“ Für die Bürgerwerkstatt zum Viktoriakarree hat der Verein klare Forderungen. Es müsse ein „begeisterndes“ Projekt werden, am besten im verwaisten Viktoriabad, mit einem Begleitgremium, in dem Vertreter aller Interessengruppen das Verfahren steuerten. Anders als Bergfeld hat Eder leichte Zweifel am Effekt:

„Am Ende könnte der Rat sagen, das Ergebnis sei zu unkonkret“, fürchtet er. Dann bliebe der Initiative nur, dem grollenden Hinweis zu folgen, der aus Koalitionskreisen zu hören ist: „Sollen sie doch selbst für den Rat kandidieren...“

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