Interview mit Dirk Vianden Eigentümerverein kritisiert Verkehrssituation in Bonn

Bonn · Mit 6500 Mitgliedern ist Haus & Grund der zweitgrößte Verein Bonns. Sein Vorsitzender Dirk Vianden stellt der Verkehrssituation und der Sauberkeit in der Stadt ein miserables Zeugnis aus und macht konkrete Vorschläge zur Stadtentwicklung.

Dirk Vianden: Ein ganz großes Thema ist die Erreichbarkeit unserer Stadt und ihres Zentrums. Schon jetzt sind die Verkehrsprobleme massiv, was Ihnen jeder Pendler bestätigen wird. Mit der Sanierung des Tausendfüßlers ab 2020 wird sich das noch verschärfen. Wir brauchen eine Antwort auf den Stau-Gau. Bonn ist in einer Mobilitätskrise.

Warum ist die Verkehrspolitik das A und O aus Sicht eines Hauseigentümervereins?

Vianden: Es macht einen Unterschied, ob meine Immobilie in der Bonner Innenstadt beispielsweise aus dem Kölner Süden in 20 Minuten oder eineinhalb Stunden zu erreichen ist. Da geht es nicht nur um Besitzerstolz, sondern um den Standortfaktor und damit die Wertbeständigkeit. Was nützt die schönste Immobilie, wenn ich sie wegen Dauerstaus nicht erreichen kann und sie deshalb unattraktiv wird? Straßenbauprojekte wie Römerstraße oder Viktoriabrücke werfen – bei aller rheinischen Gelassenheit – durchaus Fragen auf. Die großen Herausforderungen kommen ja erst noch. Was soll denn passieren, wenn Tausendfüßler, Rheinbrücken oder womöglich die Fahrbahn der Reuterstraße saniert werden, und das womöglich auch noch zeitgleich?

Warum ist das in Bonn denn so schwierig?

Vianden: Mit etwas mehr Mut und Tatkraft und etwas weniger Verzagtheit wären manche Probleme heute deutlich kleiner. Wir sind weiter Verfechter des Venusbergtunnels als Verbindung von Hardtberg und Südbrücke und damit als Entlastung von Stadtautobahn, Reuterstraße und B 9.

Was sagen Sie zu den drohenden Fahrverboten?

Vianden: Regelungen für Menschen, die beruflich auf eines der betroffenen Fahrzeugmodelle angewiesen sind, sind unverzichtbar. Wir müssen in Bonn nun Wege finden, die Grenzwerte wieder zu unterscheiten, anstatt uns jetzt einfach auf die Suche nach Ausweichstrecken zu begeben. Die Sternenburgstraße wird die Reuterstraße nicht ersetzen können. Und mit der Rheinuferstraße haben wir hoffentlich anderes vor als sie zu einer Ausweichstrecke für den Belderberg zu machen.

Ein Standortfaktor ist auch die Sicherheit. Hinsichtlich der Einbruchstatistik schreibt sich die Bonner Polizei seit einiger Zeit kontinuierliche Verbesserungen auf die Fahnen. Was hören Sie aus Ihren Reihen, ist das ein Thema?

Vianden: O ja. Mit der Bonner Polizei arbeiten wir seit vielen Jahren Hand in Hand. Die Einbruchsprävention ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit, und das nicht nur beim jährlichen „Haus & Grund“-Tag.

Hat sich denn die Bedrohung durch Einbrecher verringert?

Vianden: Die Lage hat sich zumindest nicht verschlechtert, und das ist für mich auch ein Resultat der genannten Bemühungen. Hauseigentümer investieren verantwortungsvoll in den Einbruchsschutz. Die allgemeine Sicherheit in der Stadt hingegen – dies ist meine subjektive Wahrnehmung – hat sich verschlechtert.

Ein weicher Standortfaktor ist das Image einer Stadt. Bonn hat gerade bei Großprojekten mehrere Rückschläge hinter sich, die manchen Kratzer hinterlassen haben. Schwächt so etwas aus Ihrer Sicht die Marktposition?

Vianden: Wir haben mit dem 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens 2020 eine Riesenchance. Und ich hoffe, dass unsere Stadt diese Chance nutzt. Wenn Sie von Kratzern sprechen, erinnere ich an die verpasste Chance, der Stadt aus privaten Mitteln ein Festspielhaus zu bescheren. Wären wir diesen Weg weiter gegangen, hätten wir an prominenter Stelle etwas Neues gehabt – und das gestützt auf bürgerschaftlichem Engagement mit seiner integrativen Kraft.

Nun saniert man die Beethovenhalle …

Vianden: ….und das wird für die Stadt in jedem Fall teurer. Im Lichte des WCCB kann ich die Zaghaftigkeit bei dem Thema verstehen; aber es ganz gelassen zu haben und nur auf die Beethovenhalle zu setzen, war falsch. Das macht mich als Bonner traurig. Ex-OB Jürgen Nimptsch hat zutreffend gesagt: Wenn wir das Festspielhaus nicht bauen, ist Ludwig van Beethoven nicht nur in Wien gestorben, sondern auch in Wien geboren.

Die Beethovenhalle muss überhaupt rechtzeitig fertig werden. Glauben Sie dran?

Vianden: Ich bin Realist, insofern nein. Wenn wir in die Aula der Universität oder ins WCCB, das akustisch den Ansprüchen in keiner Weise gewachsen ist, ausweichen können, ist das nur eine Verlegenheitslösung. Aber das entspricht nicht dem großen Wurf, den wir hätten haben können. Am 17. Dezember 2019, dem Tauftag Beethovens, geht es los. Und dann haben wir unsere Stadt als eine großartige Kulturstadt zu zeigen und herauszuputzen. Hierfür muss noch viel Motivationsarbeit geleistet werden.

Stichwort Herausputzen: Wie zufrieden sind Sie denn mit der Sauberkeit in der Stadt?

Vianden: Eine Katastrophe. Hinzu kommen Vandalismus und Sachbeschädigung durch Graffiti. Fassungslos macht es mich auch, wenn kaputte Gehwegplatten einfach zubetoniert werden. All das ist eine Blamage für die Stadt. Und noch etwas, ohne hier jemandem die Schuld geben zu wollen: Dass die Universität ausgerechnet in ihrem Jubiläumsjahr von einem bekritzelten Bauzaun verdeckt wird, ist in gewisser Weise symptomatisch. Jeder Jubilar will sich zu seinem 50. oder 60. Geburtstag doch von seiner besten Seite zeigen, in einem „Haus voll Glorie schauet“….

Gibt es konkrete städtebauliche Veränderungen, die Sie wünschen?

Vianden: Es wäre schön, wenn der Rhein durch Bonn hindurch- und nicht an Bonn vorbeiflösse. Leider schieben wir dieses Thema seit Jahren vor uns her und haben bei der Regionale 2010 viel Geld liegen gelassen. Der bauliche Flickenteppich am Rheinufer unterhalb der Innenstadt ist unerträglich und passt so gar nicht zu der sich bietenden Attraktion – sowohl für die Bonner als auch für die Touristen. Konzepte aus den Reihen der Alanus-Hochschule liegen ja längst vor. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang übrigens noch eine ganz andere Frage: Inwieweit müssen die Parks von Villa Hammerschmidt und Palais Schaumburg in ihrer jetzigen Größe der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben?

Sie wollen das Gartentor des Bundespräsidenten für alle öffnen?

Vianden: Mir ist völlig klar, dass es Einschränkungen geben muss, wenn das Staatsoberhaupt anwesend ist. Aber bei der weiteren Entwicklung und Verschönerung des ehemaligen Regierungsviertels und heutigen UN-Quartiers müssen wir doch auch fragen: Warum versuchen wir dann nicht, den Rhein und beide Parks zumindest teilweise zu verknüpfen. Auch das würde unsere Stadt näher an den Fluss rücken.

Damit hauchen Sie dem Begriff des „öffentlichen Eigentums“ ganz neues Leben ein. Ähnlich wenig Spielraum gibt es derzeit allerdings beim Privateigentum, denn der Immobilienmarkt in Bonn ist sehr eng. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht, und wie stehen Sie zu dem Thema Nachverdichtung?

Vianden: Wer sein 3000-Quadratmeter-Traumgrundstück mit altem Baumbestand bei zugleich fünfminütiger Erreichbarkeit der Innenstadt sucht, ist in Bonn sicher falsch und sollte sich lieber außerhalb der Stadt umschauen. Innerhalb Bonns brauchen wir bezahlbaren Wohnraum sowohl in Eigentumswohnungen als auch in Mehrfamilienhäusern. Eine behutsame Nachverdichtung halte ich für vertretbar – so lange sich Alteingesessene und Zuzügler dort dann noch wohl fühlen. Es kann keine singuläre Lösung für Bonn geben.

Also konkrete interkommunale Konzepte in der Wohnbaupolitik mit dem Rhein-Sieg-Kreis?

Vianden: Richtig. Landrat Sebastian Schuster hat doch recht: Bonn wächst im Rhein-Sieg-Kreis. Wenn wir diesen Satz wie in der Gewerbeansiedlung auch in Bezug auf den Wohnraum beherzigen, sind wir auf dem richtigen Weg. Signifikant große Flächen, die sich für neue Wohngebiete eignen, sehe ich auf Bonner Stadtgebiet nicht.

Um bei Bonn zu bleiben: Was hören Sie aus den eigenen Reihen zum modus operandi der Verwaltung?

Vianden: Die Straßenreinigung ist ein Ärgernis, weil dort aus meiner Sicht jede Innovation fehlt. Was nützt es denn, wenn eine Straße in der Mitte gekehrt wird, aber rechts und links der Rinnstein ungereinigt bleibt. Ein regelmäßiges Ärgernis sind wegen ihrer Intransparenz Anliegerbeiträge beim Kanal- und Straßenausbau. Hier würden wir uns wünschen, dass die Abrechnung zeitnah nach Abschluss einer Baumaßnahme stattfinden. Ich kenne Bauarbeiten, die nach Jahrzehnten abgerechnet werden und bei denen die Erben die Beiträge bezahlen müssen. Das geht so nicht. So etwas kann für Familien zum Damoklesschwert werden. Und noch ein Thema kocht bei uns immer wieder hoch: Teilweise tragen uralte Bebauungspläne der heutigen Situation nicht mehr Rechnung und gehörten dringend angepackt. Oftmals bin ich im Sinne des Klimas in dieser Stadt froh, dass unser Verein in solchen Fällen zwischen Privatleuten und Stadt vermittelt.

Dringen Sie in ihrer Mittlerfunktion und mit Ihren Anliegen bei den entscheidenden Stellen in Politik und Verwaltung ausreichend durch?

Vianden: Ja, das ist so. Zum einen treffen wir uns mit der Stadtspitze, mit den Ratsfraktionen zu regelmäßigen Gesprächen, zum anderen sind wir in der Stadt bestens vernetzt Und das ausdrücklich über Parteigrenzen hinweg. Das gilt auch für unsere Wirtschaftsverbände.

Hat sich der Streit um den Mietspiegel gelegt?

Vianden: Ja, weil Haus & Grund den anderen an der Erstellung des Mietspiegels Beteiligten entgegen gekommen ist. Wir vertreten zwar weiterhin die Meinung, dass ein einfacher Mietspiegel völlig ausreicht. Die Stadtspitze beharrt auf einem qualifizierten Mietspiegel. Daran wollen wir jetzt konstruktiv mitarbeiten. Sollte sich im Laufe der Verhandlung herausstellen, dass der qualifizierte Mietspiegel wissenschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht wird, bleibt uns nichts anderes übrig, als aus den Verhandlungen auszusteigen. Ich hoffe aber, dass es dazu nicht kommt.

Bei der Grunderwerbsteuer gehört das Land NRW mit 6,5 zu den Spitzenreitern. In Bayern und Sachsen liegt sie bei 3,5 Prozent. Was folgern Sie daraus?

Vianden: Dass man die schwarz-gelbe Landesregierung an ihr Versprechen erinnern muss, diese Steuer zu senken. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die aktuelle Situation führt dazu, dass Immobilienkäufe aufgrund der Kaufnebenkosten unerschwinglich werden. Leidtragende sind oftmals junge Familien.

Was hat aus Ihrer Sicht die so genannte Mietpreisbremse bewirkt?

Vianden: Nichts. Wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht, sind alle gefragt, auch die Planungs- und Genehmigungsbehörden. Durch die Mietpreisbremse ist keine Wohnung mehr gebaut worden, stattdessen wurde an der Marktnotwendigkeit vorbei agiert.

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