Interview mit Rockpalast-Chef "Du musst offen bleiben für Neues"

Bonn · Rockpalast-Chef Peter Sommer über die frühen Kultnächt, die Idee hinter dem Crossroads-Festival und die beste Band aller Zeiten. Seit zehn Jahren veranstaltet der WDR zweimal im Jahr das Crossroads-Festival in der Harmonie in Endenich. Das Interview führte Cem Akalin.

 Peter Sommer leitet die Rockpalast-Redaktion.

Peter Sommer leitet die Rockpalast-Redaktion.

Foto: WDR/NÄKEL

GA: Roger Chapman, der kürzlich Gast in der Harmonie war, hat von den frühen Rockpalast-Nächten geschwärmt. Die seien unvergesslich, Kult. Ist die Zeit für ein solches Format in Zeiten von YouTube vorbei?
Peter Sommer: Ich denk schon. Ich glaube aber nicht, dass das nur mit YouTube zu tun hat. Wir reden ja jetzt von den 70er und 80er Jahren. Da gab es gerademal drei Fernsehprogramme.

Und dann kam das MTV-Zeitalter...
Sommer: Es waren viele Faktoren. Heute prasseln ja so viele Angebote auf die Menschen ein: auf dem Handy, Computer, im Fernsehen. Außerdem hat sich das Ausgehverhalten geändert.

Früher setzte der Rockpalast auf große Namen: Rory Gallagher, ZZ Top, Peter Gabriel, Police, Mother's Finest...
Sommer: Das stimmt nur aus der Retrospektive: ZZ Top oder Police kannte bis dahin kein Mensch.

Was war die Idee bei den Live-Nächten?
Sommer: Das waren echte Live-Events: Aus der Grugahalle in die Welt. Es gab ja damals schon Musiksendungen wie den Beat-Club. Aber diese Strecke, Konzerte von fünf, sechs Stunden live zu senden, das war etwas komplett Neues. Und für die Leute war es auch ein Ereignis, da wurden Feten gefeiert.

Und Alan Bangs interviewte mit seinem charmanten britischen Akzent zwischendurch die Musiker. Doch das mit dem Event hörte dann auf.
Sommer: Ich hatte ja solche Rockpalast-Partys organisiert und dabei immer auch die Bands mitgeschnitten. Aber irgendwann ließ das Interesse nach. Warum auch immer. Die erste Rockpalast-Sendung, die ich nicht auf einer eigene Party gesehen habe, war die mit Patty Smith. Ich war in einer Disco, wo der Rockpalast im Nebenraum übertragen wurde. Da konnte ich eine sternhagelvolle Frau Smith mit ihrer Klarinette über die Bühne torkeln sehen.

Zurück zum Crossroads-Festival: Da stellen Sie Bands aus dem Dunstkreis Singer-/Songwriter, Indie, Americana, Bluesrock, Garage vor ...
Sommer: Genau. Kein Metall, kein HipHop... eben nicht die gesamte musikalische Bandbreite, die wir sonst präsentieren.

Sie bringen einen schönen Mix von relativ bekannten Bands wie zuletzt Crippled Black Phoenix und einigen echten Perlen, die kaum jemand kennt, wie Kill It Kid. Woher kennen Sie sie?
Sommer: Am Anfang steht die Liebe zur Musik. Ich sammle Musik seit ich 13 bin. Da hörte man Deep Purple, Led Zeppelin und Black Sabbath. Meine Kumpels und ich hatten schon immer diesen Spleen, auch Sachen hören zu wollen, die andere nicht hören. Und das ist bis heute geblieben. Du musst offen bleiben für Neues, das ist die simple Botschaft. Natürlich bekommen wir auch Vorschläge von Zuschauern, aber die meisten kommen aus dem Crossroads Team selbst.

Woher kennen Sie etwa so eine fantastische Band wie Brother & Bones?
Sommer: Gutes Beispiel: Das war der Tipp einer Frau, den wir über unsere Facebook-Seite erhielten. Daraufhin haben wir uns die Band angehört und waren begeistert.

Ihr Geheimtipp für das nächste Festival?
Sommer: Brother & Bones ist ein guter Tipp. Rival Sons, Hong Faux. Ich kann mich gar nicht festlegen.

Was ist mit Flowerpornoes? Das ist so was wie Philipp Poisel für Erwachsene.
Sommer: Ja, so ähnlich. Leider läuft dieser Abend nicht so gut im Vorverkauf. Was mich übrigens immer wieder sehr erstaunt: In einer Unistadt wie Bonn bekommen die Studenten den Hintern nicht so richtig hoch, um solch eine Veranstaltung zu stürmen.

Zurückblickend: Was war bislang die größte Enttäuschung für Sie?
Sommer: Das war wohl der große Mann von den Stones, Mick Taylor, den ich eigentlich sehr verehre. Die Gitarrensaiten waren verstimmt, dann ging er nach einer Viertelstunde raus, verschwand eine ganze Weile, die Band wusste gar nicht, was los war. Dann kam er wieder und spielte auf der ungestimmten Gitarre weiter. Eine Zumutung!

Die größte Überraschung?
Sommer: "Größte" könnte ich nicht sagen, aber eine große Überraschung war damals Olli Schulz. Das war ein sehr überzeugender Auftritt. Aber tolle Momente gab es sehr viele.

Ihre absolute, unsterbliche Band aller Zeiten?
Sommer: Grand Funk Railroad. Das war "meine" Band, als ich 13 war. Ich liebe sie heute noch, wahrscheinlich, weil gute Eindrücke aus der Jugend ein ganzes Leben halten.


Zur Person:
Peter Sommer studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Niederländische Philologie in Bonn und Köln. Seit 1988 arbeitet er beim WDR Fernsehen, unter anderem als Regisseur für "Boulevard Bio". Seit 2003 ist Sommer verantwortlich für Rockpalast und west.art jazzline. Der 54-Jährige ist verheiratet, hat zwei Kinder, drei Enkel und lebt in Gummersbach.

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