Bonner Caféhaus-Tradition Drinnen gemütlich, draußen nur Kännchen

BONN · Ein Film von Georg Divossen und eine Ausstellung im Stadtmuseum lassen die 166 Jahre alte Bonner Caféhaus-Tradition aufleben.

 Das Café Krimmling an der Ecke Post-/Maximilianstraße.

Das Café Krimmling an der Ecke Post-/Maximilianstraße.

Foto: Stadtmuseum

Nein, Fräulein von Hoppenstedt würde so etwas nie in die Hand nehmen. „Niemals“, wendet sie sich angewidert ab. Diesmal ist ihre Freundin Bärbel Pagel wirklich zu weit gegangen. Mitten auf der Sternstraße ertappt die pensionierte Oberstudienrätin ihre frühere Kollegin dabei, wie sie mit einem Pappbecher – „diesem neuartigen Coffee-to-go“ – in der Hand die Auslagen der Geschäfte betrachtet. „Aber meine Liebe“, pustet das Fräulein und ringt nach Luft.

Dabei hätten die beiden Damen – die Schauspielerinnen und Kabarettistinnen Babette Dörmer und Karin Kroemer – seit den 1850er Jahren wirklich genügend Möglichkeiten, in Bonn stilvoll einen Kaffee zu genießen. Allein in der Innenstadt gab es einst mehr als 70 Cafés. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es noch einige Dutzend, darunter so prominente wie das Café Dahmen, Krimmling, Rittershaus oder Stockamp. Doch die Geschmäcker haben sich geändert, und die klassischen Häuser sind nach und nach aus dem Stadtbild verschwunden.

Schnatternde Kaffeetanten

166 Jahre Bonner Cafés
12 Bilder

166 Jahre Bonner Cafés

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Grund genug für Georg Divossen, einen Film über die Geschichte der Bonner Caféhäuser zu drehen. Unter dem Titel „Drinnen Gemütlichkeit, draußen nur Kännchen – 166 Jahre Bonner Cafés“ lädt er mit den schnatternden Kaffeetanten zu einer Zeitreise ein. Unterlegt ist der 64 Minuten lange Streifen mit rund 100 alten Postkarten aus dem Archiv von Hans-Werner Greuel.

Erzählt wird unter anderem die Geschichte der „Süßen Ecke“. „So nannte man die Poststraße“, weiß der Filmemacher. Denn innerhalb weniger Meter standen dort Dahmen, Krimmling, Fürstenhof und Wieschen. „Gleich um die Ecke, in der Sürst, gab es fünf weitere.“ Divossen hat zudem einige Anekdoten ausgegraben. Beispielsweise die Geschichte von dem Affen, der seinem Besitzer, einem Blumenhändler am Bahnhof, ausgebüxt und durch das Oberlicht in die Toi᠆lette des Cafés Wieschen geklettert war. Dort versetzte er einem Gast einen so großen Schrecken, dass dieser halb nackt durch den Gastraum gelaufen sein soll.

Legendäre "Studentenburger"

Auch in der Sternstraße gab es einige gute Adressen. Legendär waren die „Studentenburger“ vom Café Hau. Darin waren die Teilchen vom Vortag verarbeitet und mit Schokolade sowie einem kräftigen Schluck Punsch abgeschmeckt. Oder der Rollkuchen im Café Tondorff, den vor allem die Marktleute schätzten.

Heute existieren nur noch zwei der alten Kaffeehäuser: das Kleimann, 1895 als Bäckerei- und Konditorei gegründet, und das Müller-Langhardt am Markt, das 1913 öffnete. „Beide haben ihren ganz eigenen Charme über Jahre erhalten“, schwärmt Divossen, der mindestens dreimal in der Woche auswärts einen guten Kaffee und ein Stück Kuchen genießt. Zwar trafen sich schon 1793 ausschließlich Männer in einem Kaffeehaus in Bonn, doch Johann Niederstein eröffnete 1850 in der Stockenstraße das erste „schickliche“ Café.

In seinem Streifzug nimmt der Filmemacher die Zuschauer auch mit ins Café Stockamp nach Poppelsdorf oder in die Konditorei Schöner nach Bad Godesberg. Dort soll übrigens die Schwarzwälder Kirschtorte erfunden worden sein.

Noch heute nach Originalrezept gebacken

Im Ersten Weltkrieg, so Erzählungen, soll der Soldat Josef Keller in einer Backstube an der Moltkestraße einen Kuchen aus Kirschen, einem Wiener Boden sowie einer Schokoladensahne kreiert haben. Ein Vorfahre der Familie Schöner soll damals in der Backstube geholfen haben. „Noch heute wird bei Schöner nach dem Originalrezept gebacken“, weiß Divossen.

Zu Hauptstadtzeiten gingen prominente Gäste regelmäßig im Café Rittershaus an der Kaiserstraße ein und aus. So soll sich Ludwig Erhard dort gerne eine Pralinenauswahl zusammengestellt haben, während Herbert Wehner immer samstags kam, einen Kaffee trank und das ganze Lokal mit seinem Pfeifenqualm vernebelte.

Welche Erinnerungen und Fotos haben Sie an Bonner Cafés? Schreiben Sie uns bei Facebook oder mailen Sie uns an online@ga.de.

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