Bonn-Tannenbusch Drei Ordensschwestern haben eine Kommunität aufgebaut

TANNENBUSCH · Vor der Tür des Hochhauses Oppelner Straße 53 gehen sich zwei Männer an die Kehle. Daneben lehnen Jugendliche gelangweilt an schmutzigen Müllcontainern. Drinnen im Treppenhaus bedrängen Gerüche und Müllreste den Besucher. "Unser Hauseingang ist aber noch vergleichsweise sauber", sagt im zweiten Stock Schwester Pia in der Tür einer Vier-Zimmer-Wohnung.

 Hilfe für die Menschen in Tannenbusch: Freundlich empfangen die Ordensschwestern Pia, Nicola und Paulo Maria (von links) ihre Besucher.

Hilfe für die Menschen in Tannenbusch: Freundlich empfangen die Ordensschwestern Pia, Nicola und Paulo Maria (von links) ihre Besucher.

Foto: EMANUEL SCHNEIDER-BARTHOLD

Die Schwester des Ordens vom armen Kinde Jesu lächelt freundlich und einladend. Hinter ihr öffnet sich mitten im lärmenden Tannenbusch ganz plötzlich eine Oase der Stille. Helle, sparsam möblierte Räume mit Tischen und Stühlen als Treffpunkte. Mit Blick auf das hektische Einkaufszentrum ist eine kleine Kapelle eingerichtet. Über Döner-Läden und Arbeitslosenzentrum hängt hier groß der Gekreuzigte an der Wand. Während draußen das Leben brodelt, kniet Schwester Pia täglich in regelmäßigen Gebeten mit zwei Mitschwestern vor dem Herrn.

"Was, Sie wollen hier einziehen? Hier will doch niemand hin", hätten die Nachbarn sie 2011 bei ihrer Ankunft fassungslos gefragt, blickt Schwester Nicola, eine Dernbacher Schwester, zurück auf die Anfänge. Nachdem sie erst einmal wochenlang die völlig verwahrloste Wohnung renoviert hätten, sei von Jugendlichen dann plötzlich zu hören gewesen: "Das finden wir cool, was Sie hier machen."

Ja, was machen denn nun die Ordensschwestern, zu denen sich vor zwei Monaten eine dritte, nämlich Schwester Paulo Maria ebenfalls von den Schwestern vom armen Kinde Jesus, gesellte? Nein, auf keinen Fall missionieren. "In den sozialen Brennpunkt gehen. Mitten unter den Menschen wohnen. Zuerst einmal nur präsent sein", antwortet Schwester Pia kurz und bündig. Ja, und das alles gezielt in einem Stadtteil, der die Bonner Bronx geschimpft werde. Bewusst mitten in Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Drogen, Kriminalität, Alkohol, Ungeziefer, Ratten und Schmutz.

Schwester Pia schaut ihr Gegenüber direkt und ruhig an. Genau hier haben die Drei ihre kleine Kommunität aufgebaut. Es gehe darum, zu helfen, dass mehr Tannenbuscher ein menschenwürdigeres Leben haben können, ergänzen Schwester Nicola und Schwester Paulo Maria. Sie würden natürlich die Welt nicht verändern können, sind sich die drei Ordensschwestern bewusst. Aber man könne Menschen begleiten, dass sie für ihre Rechte kämpften und sich selbst auf den Weg machten, ihr Leben zu verbessern.

"Es tut mir sehr weh, wenn ich sehe, wie fast aussichtslos die Lage für viele Kinder hier ist", ergänzt Schwester Nicola, die zahlreichen Kindern und Jugendlichen mit Nachhilfestunden und nicht zuletzt auch seelsorgerisch beisteht. Schwester Paulo Maria ist die Musikalische unter den Dreien. Sie träumt davon, ein Kinderflötenensemble auf den Weg zu bringen. Anfänge seien dank gespendeter Instrumente schon gemacht. Im Gegenzug habe sie von den begeisterten Kindern übrigens auch schon etwas gelernt: nämlich Billard zu spielen. Die Ordensfrauen lachen schallend.

Es lohne sich, gerade Migrantenfrauen zu unterstützen, meint Schwester Pia, die über ihren Minijob im Arbeitslosenzentrum Dutzende von Familien kennenlernt. "Diese Frauen brauchen ihre ganze Kraft für ihre Familien." Begeistert berichtet sie über das starke Zusammengehörigkeitsgefühl vieler Migrantenfamilien, von deren Lust am Leben, der Kinderliebe. "Viele kennen aber unsere Kultur nicht", klagt Schwester Pia. Es reiche also nicht, Neuankömmlingen einen Sprach- und Orientierungskursus einzurichten und sie dann allein zu lassen.

Die kleine Tannenbuscher Kommunität will Menschen helfen, selbst ihren Weg zu finden, ohne dass sie ihre Würde verlieren. "Wir kennen also unsere Grenzen", sagt Schwester Pia, die wie die zwei anderen im Tannenbusch laufend auf der Straße angesprochen wird. "Und wissen Sie, was wir zu Muttertag bekamen?" fragen die Drei strahlend. Die türkische Nachbarin habe mit ihren Kindern vor der Tür gestanden. "Mit drei Rosensträußen."

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