Verkehr in der Innenstadt So könnte die neue Verkehrsführung in Bonn aussehen

Bonn · Der City-Ring gibt seit Jahrzehnten Anlass für hitzige Diskussionen. Jetzt prüft die Stadt auf Wunsch der Jamaika-Koalition und der SPD eine neue Verkehrsführung am Hofgarten entlang, die auf einer alten Idee beruht.

Zehntausende Autos fahren jeden Tag über den City-Ring durch Bonn. Dazu zählen nicht nur Besucher auf dem Weg in die Fußgängerzone, sondern auch Autofahrer, die über die Kennedybrücke nach Beuel wollen oder in umgekehrter Richtung unterwegs sind. Wie anfällig der Ring für Staus und zähfließenden Verkehr ist, ist jedes Mal dann zu sehen, wenn Bauarbeiten auf den zugehörigen Straßen den Verkehr einschränken oder gar zu Sperrungen führen. Aktuelles Beispiel ist die Sperrung eines Teils der Maximilianstraße, die planmäßig Ende Mai ihr Ende finden wird.

Autos kommen seit Beginn des Jahres wegen unvermeidlicher Tiefbauarbeiten für das Maximilian-Center (ehemalige Südüberbauung) von Rathausgasse und Wesselstraße nicht mehr vor den Hauptbahnhof. Autofahrer klagen in der Folge über lange Wartezeiten auf den Umleitungsstrecken, die am Hofgarten entlang auf die B9 führten. Nicht nur die Beobachtung von Taxifahrern und GA-Lesern, sondern auch regelmäßige Blicke auf Staukarten im Internet zeigen, dass der Verkehr in der Bonner Innenstadt auf andere dichtbefahrene Routen wie Reuterstraße, Bonner Talweg, Endenicher Straße und B9 als wichtige Zu- und Abfahrtsstraßen für Pendler zäh fließt. Und durch die Umleitungen fällt die Kaiserstraße als Bypass aus.

Mehr Qualität für Fußgänger

Nun wird die Maximilianstraße ab Juni wieder offen sein, und das Problem könnte man zunächst zu den Akten legen. Aber so einfach ist es nicht. Die Bebauung gegenüber dem Hauptbahnhof mit Maximilian-Center und „Urban Soul“ (Nordfeld) zieht eine Neuordnung der Verkehrsteilnehmer auf der Straße Am Hauptbahnhof nach sich. Und für die Stadt steht die derzeit auf Eis gelegte Umgestaltung des Zentralen Omnibusbahnhofs an.

Bonns Stadtbaurat Helmut Wiesner hatte im vergangenen Jahr den politischen Gremien eine alte Planung vorgelegt, die in den Reihen der Ratskoalition mehrheitlich auf wenig Gegenliebe stieß. Der Autoverkehr aus der Wesselstraße sollte mitten durch den Busbahnhof fahren und erst nach dem Passieren von vier Ampeln vor den Hauptbahnhof führen. Im November zog Wiesner in einem GA-Interview eine Kappung des City-Rings vor dem Hauptbahnhof in Erwägung. Er legte damit den Finger in eine Wunde.

Die weitgehende Verkehrsberuhigung von Rathausgasse, Wesselstraße und der Straße Am Neutor hätte den Charme, dass die Innenstadt sich zum Hofgarten hin ausweiten und für Fußgänger mehr Aufenthaltsqualität bedeutet. Nur: Die Einzelhändler, vertreten durch den Verein City-Marketing, den Einzelhandelsverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen und die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg befürchten, dass Autofahrer die City vermehrt meiden würden. Nach IHK-Befragungen von rund 50 Bonner Händlern, haben die Geschäftsleute mit Beginn der Sperre der Maximilianstraße durchschnittlich 12,3 Prozent Umsatz eingebüßt. „Das ist existenzbedrohend“, sagte IHK-Geschäftsführer Stephan Wimmers.

Der aktuelle Plan: Einen Handlungsdruck verspürte offenbar auch die Ratskoalition aus CDU, Grünen und FDP. Nachdem abzusehen war, dass die Idee der Verwaltung, die Sperrung der Maximilianstraße nach Ende der Baustelle weiter aufrechtzuerhalten und die bislang Bussen vorbehaltene ÖPNV-Spur vor dem Universitätshauptgebäude in eine Radspur in umgekehrter Fahrtrichtung umzuwandeln, keine politische Mehrheit finden wird, schlugen sie einen Zielbeschluss für einen „erweiterten City-Ring“ vor. Die Planungssprecher Bert Moll (CDU), Hartwig Lohmeyer (Grüne) und Frank Thomas (FDP) begründeten ihren Vorstoß folgendermaßen: „Ziel ist die Entlastung des citynahen Bereichs der Universität und Fußgängerzone bei gleichzeitiger Stärkung des ÖPNV und des Fahrradverkehrs, ohne die Erreichbarkeit der Innenstadt für den Individualverkehr weiterhin über einen City-Ring zu beeinträchtigen“.

Mögliche Nadelöhre

Der Stadtrat hat das mittlerweile beschlossen. Die Verwaltung soll prüfen, ob der Autoverkehr nicht am Hofgarten vorbei über die Straßen Am Hofgarten, Fritz-Tillmann-, Kaiser- und Maximilianstraße vor den Hauptbahnhof fahren kann. Dieser Verlauf würde aus Sicht der Jamaika-Koalition einige Änderungen an anderen Stellen nach sich ziehen. In die Rathausgasse dürften nur noch Busse, Anlieferer, Fahrräder und Anwohner einfahren. Um die Marktgarage zu erreichen, wäre die Stockenstraße weiter befahrbar, die Franziskanerstraße müsste als Einbahnstraße umgekehrt werden, damit Autos von dort wieder zurück auf die B9 kämen.

Ausfahrende Autos aus der Marktgarage könnten über die Straßen Am Hof und Am Neutor auf die B 9 gelangen oder vor den Hauptbahnhof über die Fritz-Tillmann-Straße. Ob diese Überlegungen funktionieren können, muss die Verwaltung nun mit Auswertung vorliegender Verkehrsdaten oder neuen Messungen ermitteln. Zur Anschauung: Laut den Planern verkehren abzüglich Bussen, Bahnen und und Taxen täglich 5000 Pkw die Rathausgasse, 7000 die Straße Am Hof, 5000 die Wesselstraße. 9000 die Maximilianstraße, 13.000 den Hauptbahnhof und 10.000 die Rabinstraße.

Die Grafik als Download: City-Ring.pdf

Mögliche Nadelöhre beim Koalitionsvorschlag: Die Fritz-Tillmann-Straße soll zwar zur Einbahnstraße Richtung Kaiserstraße werden, aber sie bleibt eine enge Straße. Ohne absolutes Park- und Halteverbot funktioniert das sicher nicht. An der Ampel vor der Fritz-Tillmann-Straße begegnen sich Autofahrer, die aus der Marktgarage kommen, und diejenigen, die von der B 9 zur Kaiserstraße wollen. Verkehrsanalysen müssen klären, ob das klappen kann. Im Ungefähren lässt die Koalition, was auf der übrigen Kaiserstraße geschehen soll. „In der Kaiserstraße soll der Verkehr in Richtung Süden für einen guten Verkehrsfluss insbesondere des ÖPNV und mehr Sicherheit und Raum für Radfahrer neu geregelt werden.“ Für Radler und Fußgänger soll die Verwaltung eine „attraktive Ost-West-Verbindung“ von der Poppelsdorfer Allee bis zur Kennedybrücke erarbeiten. Statt der von der Verwaltung ins Spiel gebrachten Umwidmung der Busspur vor der Uni schlägt die Koalition einen Radweg zwischen Uni und Hofgarten vor.

Die SPD hat übrigens eine etwas andere Verkehrsführung vor dem Hauptbahnhof als Prüfauftrag an die Verwaltung durchsetzen können: die Fahrt der Pkw über den ZOB über die linke Spur (siehe Grafik). Sollten diese Vorschläge der städtischen Verkehrsplaner durchführbar sein, hätte das eine positive Begleiterscheinung. Die Koalition hält ihre Ideen jedenfalls für so zukunftsfähig, dass sie als Dauerlösung infrage kämen und die anstehende Neustrukturierung am Busbahnhof weitgehend abgekoppelt vom motorisierten Verkehr laufen könnte.

Direkte Anfahrt des Bahnhofs

Über den Bertha-von-Suttner-Platz zum Hauptbahnhof: Breite Mehrheit erfährt eine Fortsetzung des Feldversuchs eines Linksabbiegers für Autos, die vom Belderberg aus südlicher Richtung kommen. Sie können seit Anfang des Jahres auf den Bertha-von-Suttner-Platz abbiegen und damit die Parkgaragen entlang der Oxfordstraße auf direkterem Weg erreichen. Der Test hat sich bislang bewährt. Allerdings hegt Tiefbauamtsleiter Peter Esch Zweifel, dass die Kreuzung Belderberg, Suttner-Platz, Berliner Freiheit, Sandkaule weiter so gut funktionieren wird, wenn die Baustelle in der Römerstraße planmäßig im Sommer ein Ende finden wird. Dann kommt aus eben dieser Straße wieder verstärkt Verkehr aus nördlicher Richtung. Ein funktionierender Linksabbieger wäre noch für Wiesner aus einem anderem Grund „Gold wert“. Er könnte die Anbindung für Autofahrer aus südlicher Richtung an das Parkhaus Rabinstraße verbessern, das zurzeit gebaut wird. Auch das gilt den Planern als ein wichtiger Schlüssel zur Verkehrsberuhigung der City. Dort wäre die direkte Anfahrt des Hauptbahnhofs möglich. Ein Gehweg, den die Stadt bauen will, soll zu Gleis 1 führen. Um die Anfahrt aus Norden zu erleichtern, ist die Stadt schon vor den Großprojekten am Hauptbahnhof in Vorleistung gegangen. Sie hat den Kreisel am Alten Friedhof gebaut und zielt mit einer Rampe von der Viktoriabrücke darauf ab, dass der Verkehr über die Thomastraße abfließen kann. Davon versprechen sich die Planer eine Entlastung der chronisch überlasteten Bornheimer Straße.

Die Meinungen: Für Verbände wie ADFC, VCD und das Verkehrsforum Bonner Bürgerinitiativen nehmen in all diesen Planungen Autos einen viel zu großen Raum ein. Die Radspur vor der Uni und das gleichzeitige Heraushalten der Autos an dieser Stelle hielten sie für zielführender als die neue Planung. Werner Böttcher, Planungssprecher des ADFC, sagt: „Wir begrüßen Schritte, die zu einer Verkehrsberuhigung führen. Und wir sind davon überzeugt, dass sie die Aufenthaltsqualität in unserer Stadt verbessert und damit allen Menschen zugutekommt.“ Böttcher sieht in dem neuen Vorschlag allenfalls eine Übergangslösung. Er fordert, wie auch der Bonner Verkehrsplaner Heiner Monheim, dass Autofahrer sternförmig an die Innenstadt heran- und wieder hinausgeführt werden.

Zwiespältige Meinungen

Die Kaiserstraße Richtung Süden sollte Radlern, Fußgängern und Bussen vorbehalten sein und Autos höchstens gen Süden als Einbahnstraße zur Verfügung stehen. Das Befahren der Kaiserstraße in beide Richtungen unterstützt Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands. Mit einer Umleitung der Autos am Hofgarten vorbei könnte er sich anfreunden. Monheim – Langzeitkämpfer für alternative Verkehrsmittel – hält den erweiterten Ring für eine willkommene Chance, „um den verkorksten City-Ring wenigstens etwas zu verbessern“. Einen Ringverkehr hält er allerdings gar nicht für zwingend notwendig. Es würde aus seiner Sicht ausreichen, wenn Autos aus vier Richtungen V-förmig bis zu den Parkplätzen kämen und auf selbem Wege wieder zurück.

Das sagen die Bürger: Eine Online-Befragung des GA zu den neuen Plänen der Ratskoalition ergab ganz unterschiedliche Meinungen. Antje Aquaria hält sie für eine gute Idee: „Jeder Schritt, der dazu führt, die Stadt für Fußgänger und RadlerInnen sicherer zu machen, ist gut für unsere Gesundheit.“ Nana Großmann glaubt nicht, „dass eine neue Hauptverkehrsführung durch die schmalen Straßen Am Hofgarten, Fritz-Tillmann-Straße und Kaiserstraße die Lösung ist“. Die Aufhebung der Sperrung begrüßt Carsten Röger: „Insgesamt wurde mit der Sperrung doch kaum Verkehr gelöst. Eher wurde Verkehr verlagert, und die Umwege haben die Umwelt mehr belastet, als wenn man die Sperrung nicht gemacht hätte.“ Patrick Alt kritisiert, dass neue Verkehrskonzepte oft nach kurzer Zeit begraben würden.

Wie lange Planer, Politik und Interessenverbände schon an Verbesserungen des Rings herumdoktern, zeigt ein Blick ins Archiv. Der „neue Vorschlag“ der Koalition stammt ursprünglich aus der Verwaltung. Seit Jahrzehnten schlummert er in den Schreibtischschubladen des Planungsamts.

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