Kommentar Digitaler Holzweg

Bonn · Digitaler Wandel hin oder her: Dass das Karnevalsticket nicht am Automaten oder Schalter zu bekommen ist, hält Redakteurin Bettina Köhl für falsch. Echte Teilhabe sehe anders aus.

Das Karnevalsticket für Bus und Bahn gibt es nur noch digital – nach der „Kurzstrecke ohne Umsteigen“ ist das der neue Ticketstreich des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS). Warum diese Regelung? Das sehr allgemeine Argument der fortschreitenden Digitalisierung überzeugt ebenso wenig wie der Hinweis, dass ja inzwischen fast jeder Drucker oder Smartphone habe. Die neue Regelung sorgt dafür, dass Menschen ausgeschlossen werden. Eine Verbesserung oder Erleichterung bringt sie nicht.

Offenbar haben es noch nicht alle beim VRS verstanden: Um echte Teilhabe für alle zu ermöglichen, reicht es nicht, Haltestellen barrierefrei umzubauen und Leitsysteme anzubringen. An dieser Stelle muss mal der sperrige Begriff Inklusion her: Er bedeutet, dass jeder Mensch – egal ob mit oder ohne Behinderung – überall dabei sein kann, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Wohnviertel, in der Freizeit. Es soll normal sein, verschieden zu sein.

Das schließt auch Menschen ein, die das Handy nur zum Telefonieren benutzen, die keine Kreditkarte haben oder einfach Digitalisierungsverweigerer sind. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen spielt keine Rolle. Wenn es im Karneval nur um die breite Masse gehen soll, dann müsste der Bonner Festausschuss seine Proklamation auch nicht in Gebärdensprache übersetzen lassen.

Der VRS sollte schnell zur alten Praxis zurückkehren und die Karnevalstickets wie bisher auch am Automaten verkaufen. Wer dort das Tagesticket für fünf Personen als Karnevalsticket zieht, zahlt zwar 80 Cent mehr. Das dürfte es den Kunden wert sein, die das wirklich tolle Angebot des Karnevalstickets nutzen möchten.

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