Bibliothek in Bonn Die ZB Med ist in Gefahr

Bonn · In den Bibliotheken der Universität Bonn finden Studierende und andere Interessierte Bücher zu zahlreichen Fachgebieten. Ein besonders vielfältiges Angebot bietet dabei die Zweigstelle für Medizin, Naturwissenschaften und Landwirtschaft: Dort ist mit der „ZB Med“ bislang die größte Fachbibliothek für Lebenswissenschaften in Europa beheimatet.

 Auch im Online-Zeitalter gilt: Ohne ordentliche Bibliothek (hier die Henrich Heine Universität Düsseldorf) geht das Studium nur schwer voran.

Auch im Online-Zeitalter gilt: Ohne ordentliche Bibliothek (hier die Henrich Heine Universität Düsseldorf) geht das Studium nur schwer voran.

Foto: picture alliance / dpa

Knapp 3000 Zeitschriften hat sie abonniert – so viel wie keine andere Bibliothek in Deutschland.

Bücher und Zeitschriften kann jeder ausleihen, der einen Bibliotheks-Ausweis der Uni Bonn besitzt. „Wir haben in den letzten Jahren außerdem eine Suchmaschine entwickelt, die mit nur einer Suchanfrage 40 Datenbanken durchsucht“, berichtet Ulrike Ostrzinski von der Marketing-Abteilung der Institution. Mit all dem könnte jedoch bald Schluss sein: Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat beschlossen, die ZB Med nicht mehr zu finanzieren.

Als „Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften“ an den Standorten Köln und Bonn gehört die Bibliothek der Leibniz-Gemeinschaft an und wurde vom Land NRW sowie mit Bundesmitteln getragen. „Normalerweise werden sämtliche Leibniz-Einrichtungen alle sieben Jahre evaluiert“, erläutert Ostrzinski. Bei der letzten Evaluierung im Jahr 2011 wurde die Förderung der Bibliothek unter Auflagen für weitere vier Jahre verlängert. Die Bibliothek sollte beispielsweise ihre Fachbereiche enger verzahnen. Aber: „Für vieles sind vier Jahre eine kurze Zeit“, sagt Ostrzinski dazu – und eine Umwandlung der ZB Med in eine eigenständige Institution müsse der Landtag beschließen.

Schwerpunkt der Fachbibliothek für Lebenswissenschaften (dazu gehören Medizin, Zahnmedizin, Agrar-, Ernährungs- und Umweltwissenschaften) war bislang die Bereitstellung von Fachliteratur und die fachliche Beratung der Bibliotheksnutzer – das sind Studierende und Forschende, auch von anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Mitarbeiter unterstützen sie auch bei der Suche nach passender Literatur zu ihren Gebieten. „Für Wissenschaftler ist die ZB Med ein hervorragender Ansprechpartner bei Fragen rund um die Publikation von Arbeiten und Aufsätzen“, sagt Daniel Dejcman, Medizin-Student an der Uni Bonn. „Damit erleichtert sie insbesondere dem akademischen Nachwuchs den Einstieg in die Wissenschaft.“

Die Auflagen von 2011 sahen vor, aus der ZB Med auch eine selbst forschende Institution zu machen. Dazu sollten in Kooperation mit den Unis Bonn und Köln zwei Professuren besetzt werden – im März und im April 2016. Für die erneute Evaluierung 2015 kam dies zu spät. „Das Gutachten im Herbst war kritisch, aber fair“, sagt Ostrzinski. „In der Empfehlung der Leibniz-Gemeinschaft vom 17. März jedoch findet man aus unserer Sicht nur die negativen Aspekte.“ Einen eigenen Forschungsbereich hätte man erst aufbauen können, sobald die Professuren ihre Arbeit aufgenommen hätten. „Anscheinend war der entscheidende Punkt, dass wir in der Forschung noch nicht so weit waren.“

Um die überregional bedeutsame ZB Med mit ihrer Medizin-Abteilung in Köln und den Umwelt-, Ernährungs- und Agrarwissenschaften in Bonn zu erhalten, hat Rudolf Mummenthaler, Professor für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur, jetzt eine Petition gestartet. Ostrzinski und die anderen Mitarbeiter warten auf die Entscheidung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 24. Mai, wo über die weitere Finanzierung entschieden wird. „Bisher hat die Konferenz nie anders entschieden als der Senat der Leibniz-Gemeinschaft“, sagt Ostrzinski. „Wir hoffen, dass wir auf anderer Gesetzesgrundlage weiterbestehen können – zum Beispiel mit Mitteln des Bundesgesundheitsministeriums, die uns bereits fördern.“

Für Bonn als Wissenschaftsstadt hätte die Abwicklung der ZB Med weitreichende Folgen: „Zeitschriften müssten abbestellt werden und es würden weniger neue Bücher gekauft werden“, sagt Ostrzinski. „Zudem würde Bonn eines seiner Leibniz-Institute verlieren.“ Auch in Zeiten des Internets sind Fachbibliotheken nicht überflüssig, denn nicht alle Bestände sind digitalisiert und nur wenige Zeitschriften digital erhältlich.

„Das Internet ersetzt keine Fachberatung, die man in der ZB Med gegen geringe Gebühren in Anspruch nehmen kann“, ergänzt Dejcman. „Die Universität selbst hat zur Schließung noch nicht öffentlich Stellung genommen. Die geplante Professur wäre die 18. wegfallende Professur an der Uni Bonn seit vergangenem Jahr.“

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