Menschlichkeit Die Würde bleibt auch ohne Krone

Auerberg · Diakon Ralf Knoblauch möchte Menschen Zuversicht schenken. An verschiedenen orten der Stadt steht er daher mit einer Königsfigur aus Holz. Denn die symbolisiert etwas Besonderes.

 Der König des Diakons Ralf Knobauch lädt mit abgenommener Krone die Passanten zum Gespräch ein.

Der König des Diakons Ralf Knobauch lädt mit abgenommener Krone die Passanten zum Gespräch ein.

Foto: Stefan Hermes

„Esti pretios“, so ist in der Übersetzungs-App zu lesen, heißt auf Rumänisch „Du bist wertvoll“. Stefan, der vielleicht 60 Jahre alte, aus Rumänien stammende Bettler vor dem Supermarkt in der „Neue Mitte“ genannten Einkaufsmeile Auerbergs, hat soeben einen Kaffee von Diakon Ralf Knoblauch angeboten bekommen und stempelt „Du bist wertvoll“ auf eine nur wenige Zentimeter große Eibenholzscheibe. Er versteht nicht, was das soll. Auch die Übersetzung zaubert kein Lächeln auf sein Gesicht. Mit ernstem Gesichtsausdruck entfernt er sich mit der Holzscheibe. Das ist nicht seine Welt.

Knoblauch hat einen seiner etwa 50 Zentimeter großen, schon über hundert Exemplare zählenden, aus Eibenholz geschnitzten Könige vor einem Stehtisch aufgebaut und wartet darauf, dass ihn Passanten darauf ansprechen. Dass sie ihn fragen, was der kleine König mit seiner in der Hand gehaltenen Krone, auf der zugigen neuen Mitte des Viertels zu bedeuten hat. Der Diakon in seiner orangefarbenen Outdoorjacke bietet ihnen dann einen Kaffee aus der Pumpkanne an und möchte mit ihnen über Würde sprechen. Über Königswürde. Über Menschenwürde.

So, wie er es an den vergangenen vier Donnerstagen an der Fähre in Graurheindorf, am Nordfriedhof, vor der Flüchtlingsunterkunft in Buschdorf oder in der Buchhandlung am Paulusplatz getan hat. Es ist ihm nicht genug, nur an den für religiösen Austausch gedachten Orten zur Verfügung zu stehen. Nur außerhalb der Kirche kann er auch Menschen erreichen, die sich abgewandt haben. Menschen, die niemand auf ihre Würde aufmerksam macht.

Über die Frage, ob diese Menschen „gottlos“, von Gott verlassen seien, muss Knoblauch lange nachdenken. Für den Moment findet er keine Antwort. Vielleicht ist sie darin zu sehen, dass es ihm nicht genug ist, nur regelmäßig im Flüchtlingscafé der katholischen Thomas-Morus-Gemeinde als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Doch Knoblauch will nicht missionieren.

Er will nicht zum Thema machen, dass der Mensch nach biblischem Verständnis ein Abbild Gottes und damit auch wie Christus ein König ist. Er will den Ausgegrenzten Mut machen und Halt geben. Denen, die sich davon entfernt haben, über ihre eigene Würde nachzudenken. Den Arbeitslosen, die sich wertlos vorkommen oder den Flüchtlingen, die zwar versorgt sind, denen jedoch die Wertschätzung fehlt.

Knoblauch kann ihnen Mut machen. Er weiß, dass niemandem die Menschenwürde genommen werden kann, auch wenn man sie noch so sehr beschädigt. Man kann dem König die Krone wegnehmen, dann verliert er seine Königswürde. Doch seine Menschenwürde bleibt.

An dem Stehtisch auf der Neuen Mitte finden sich einige Menschen ein. Eine Frau hat Kekse mitgebracht. Aus dem Pfarrbrief hat sie von Knoblauchs Aktion erfahren. Es treffen sich die, deren Würde niemand antastet.

Sie freuen sich über den Stempel „Du bist wertvoll“ auf dem geschliffenen Eibenholz. „Ein schönes Geschenk für meinen Mann“, sagt ein Gemeindemitglied, „der hat bald Geburtstag.“ Knoblauch lächelt. Die Stunde in Auerberg ist gleich um. Am nächsten Donnerstag, den 12. Oktober wird er mit Kaffee und König ab 15.30 Uhr in Tannenbuschs neuer Mitte stehen.

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