Bombe von Bonn Die Spur führt zu den Islamisten

BONN/KÖLN · Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen nach dem Sprengstofffund am Bonner Hauptbahnhof übernommen. Nach Angaben eines Behördensprechers liegen nun "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" dafür vor, dass es sich bei dem Geschehen um einen fehlgeschlagenen Sprengstoffanschlag einer terroristischen Vereinigung radikal-islamistischer Prägung handelt. Die Stadtspitze zeigte am Freitagabend Flagge auf dem Weihnachtsmarkt.

Am Nachmittag kommt die erwartete und befürchtete Nachricht: "Die umfangreichen Ermittlungen der Kölner Polizei haben ergeben, dass die Täter des versuchten Bonner Bombenanschlags mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der islamistischen Szene stammen." Mit dieser offiziellen Mitteilung beendet das NRW-Innenministerium die Spekulationen der vergangenen Tage. Und die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erklärt: Aufgrund der aktuellen Erkenntnisse der Ermittler gehe nun auch der Generalbundesanwalt von einem terroristischen Anschlag aus. Er habe das Verfahren übernommen.

Diese Entwicklung bestätigt für NRW-Innenminister Ralf Jäger die Einschätzung der Sicherheitsbehörden, wonach Deutschland und deutsche Einrichtungen im Ausland im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus sind.

Schon seit dem Vormittag sorgte am Freitag eine aus Kölner Ermittlerkreisen inoffiziell bestätigte Meldung für Aufregung und befeuerte die Spekulationen: Die Bombe sei aus sicherer Entfernung gezündet worden, aufgrund fehlerhafter Konstruktion aber nicht detoniert. "Das aber", so teilten die Ermittler später mit, "stellt eine von mehreren Ermittlungsthesen dar, die zur Verifizierung weiterer Untersuchungen der Spezialisten des LKA bedarf." Die Bombe, in einer blauen Tasche am Bahnhof deponiert, bestand nach vorläufigen Erkenntnissen der Beamten aus einem 40 Zentimeter langen Metallrohr, das zündfähiges Ammoniumnitrat enthielt und mit vier Druckgaspatronen umwickelt war. Ein Wecker und verschiedene Batterien sollten als Zündvorrichtung dienen.

"Weswegen der Sprengsatz nicht detonierte, bedarf weiterer Ermittlungen", erklärt dazu die Polizei. Und teilt weiter mit: Seit der Pressekonferenz am Mittwoch und den anschließenden Medienveröffentlichungen mit dem Videomaterial, das einen hellhäutigen Mann bei McDonald's mit der fraglichen blauen Tasche zeigt, seien rund 300 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Nach GA-Informationen führte jedoch keine zu weiteren Erkenntnissen über den oder die Täter. Außerdem hätten mehr als 20 Ermittler, so die Polizei, inzwischen Videomaterial im Gesamtvolumen von rund 50 Terrabyte ausgewertet.

Aus Karlsruhe kommt schließlich die Nachricht: "Es liegen nunmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Geschehen um einen versuchten Sprengstoffanschlag einer terroristischen Vereinigung radikal-islamistischer Prägung handelt", teilte die Behörde am Freitag in Karlsruhe mit. Es lägen "belastbare Hinweise dafür vor, dass die verdächtige Person über Verbindungen in radikal-islamistische Kreise verfügt."

Deshalb bestehe der Anfangsverdacht, dass der Mann "als Mitglied einer terroristischen Vereinigung einen Sprengstoffanschlag verüben wollte". Der Generalbundesanwalt schaltet sich ein, das Bundeskriminalamt übernimmt die polizeilichen Ermittlungen. Unterstützung kommt "in vollem Umfang" von der Polizei Köln, sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger. Auch die Bonner Behörde ist weiterhin involviert. Die meldet sich am Abend in Bonn zu Wort.

Um 18.45 Uhr auf dem Bonner Weihnachtsmarkt. Eine bewusste Demonstration? Im Schatten des Münsters, an der Wache Weihnachtsmarkt, stehen Bonns Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa und Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, bei näherer Betrachtung aber für die vorbeieilenden Bonner eine eher "kafkaeske" Vorstellung: Das Thema der eilig einberufenen Pressekonferenz steht in krassem Gegensatz zu dem bunten Treiben an Glühwein-, Bratwurst- und Handwerksständen.

Während Weihnachtsmarktbesucher Geschenke einkaufen und sich fröhlich mit Freunden treffen, sprechen Brohl-Sowa und Nimptsch über den versuchten Bombenanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof. Und über die radikal-islamistische Bedrohung, über Videoüberwachung und die Verstärkung von Polizeipräsenz und Ordnungsdienst.

Tatsächlich ist der Ort der absurd anmutenden Pressekonferenz wohl durchdacht: "Wir wollen ein Zeichen setzen", sagt Brohl-Sowa. Denn auch nachdem sich herausgestellt hat, dass die am Montag auf Gleis 1 ablegte Bombe nur dank einer Fehlkonstruktion nicht detonierte, wünschen sich Polizeipräsidentin und Oberbürgermeister, dass die Bürger sich nicht einschüchtern lassen. Und weiterhin Weihnachtsmarkt und Innenstadt aufsuchen. Dass alle ihr Leben weiterführen wie bisher. Denn genau das sei eins der Ziele terroristischer Anschläge: Angst und Schrecken zu verbreiten und die Menschen so in ihrem alltäglichen Leben einzuschränken. Deshalb stehen sie nun auf dem Weihnachtsmarkt und wollen mit gutem mit gutem Beispiel voran.

"Ich habe mit einigen Bonnern gesprochen und stelle fest, dass die Menschen nicht bereit sind, ihre Grundhaltung zu verändern", sagt Nimptsch. Dennoch rüsten Polizei und Ordnungsdienst auf. Statt vier sind nun acht städtische Mitarbeiter in der Stadt unterwegs. Und: "Wir haben die sichtbare Präsenz bereits verstärkt und werden das fortsetzen", sagt Brohl-Sowa und versichert, die Beamten seien "äußerst engagiert". Soll heißen, dass sie freiwillig teilweise 20- bis 25-Stunden-Schichten fahren.

"Die gesamte Bonner Polizei ist sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst", so Brohl-Sowa. Trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass der Generalbundesanwalt von "Anhaltspunkten für einen radikal-islamistischen Hintergrund" gesprochen habe. Ihr liege auch daran, "dass nun nicht alle muslimischen Mitbürger in Sippenhaft genommen werden". Das liegt auch Nimptsch am Herzen: "Hier leben ungefähr 28.000 Menschen muslimischen Glaubens. Wir achten uns und achten aufeinander."

So wie es der 14-Jährige getan hat, dem die Tasche samt Sprengstoff aufgefallen war und der daraufhin die Polizei alarmiert hatte. "Ich möchte ihm an dieser Stelle danken. Das ist auch als Wunsch vieler Bonner an mich herangetragen worden", so Nimptsch. Die sollen vor allem wachsam und aufmerksam sein, appelliert Brohl-Sowa. Es seien bereits zahlreiche Hinweise bei der Polizei eingegangen. "Man soll sich lieber einmal zu viel als einmal zu wenig melden."

Für das öffentliche Leben soll der versuchte Anschlag übrigens keine Folgen haben: "Eine Ausweitung der Videoüberwachung ist nicht beabsichtigt", betont Nimptsch.

Die Suche nach den Tätern geht weiter.

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