"Der Rheinauenplan war sechs Meter lang" Die Rheinaue in Bonn wird 40 Jahre alt

Bonn · Bonns Central Park, grüne Lunge der Stadt oder Wohnzimmer unter freiem Himmel - die Rheinaue schreibt 40 Jahre Erfolgsgeschichte. Der Landschaftsarchitekt Gottfried Hansjakob hat die Planung für den Bürgerpark entworfen. Im Interview gibt er Einblicke in die Arbeit damals.

Herr Hansjakob, als Sie nach einer Ausschreibung die Gestaltung der Rheinaue übernehmen durften, was bedeutete das für Sie als junger Landschaftsarchitekt?

Gottfried Hansjakob: Es war nicht das erste große Projekt für uns. Wir hatten uns für die Wiener Gartenschau beworben, in Hamburg einen großen Wettbewerb gewonnen und durften für die Olympiade in München die Kanustrecke in Augsburg gestalten. Augsburg lief damals aber zeitlich parallel zur Rheinaue. Insofern war die Rheinaue für unser Büro schon ein epochaler Einschnitt. In beiden Städten haben wir eigene Büros eröffnet. Wir hatten vorher vier Mitarbeiter, in der Folge dann 20. Ich musste ständig zwischen München und Bonn pendeln. Es war aber eine unheimlich reizvolle Aufgabe.

Welche Vorgaben hatten Sie seitens der Stadt zu erfüllen?

Hansjakob: Im Mittelpunkt aller Überlegungen stand die Aufgabe, einen Park zu entwerfen, in dem die Gartenschau zu Gast ist. Die Pläne waren darauf ausgelegt, dass eine Nutzung nach der Gartenschau möglich ist.

Wie sind Sie an die Aufgabe herangegangen?

Hansjakob: Die Hallen und Aufbauten haben wir an den Rand gelegt, alles schon geleitet von der Idee, sie später recht unkompliziert zurückbauen zu können. Die Blumenwiesen sind dagegen in die Mitte gelegt worden. Sie sollten schließlich in Teilen auch nach dem Ende der Bundesgartenschau und dem Rückbau der Hallen erhalten bleiben. Der Park, das war immer so vorgesehen, sollte auf Dauer angelegt sein. Dass das funktioniert hat, zeigen die vergangenen vier Jahrzehnte.

Sind die Pläne alle mit der Hand entstanden?

Hansjakob: So ist es. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir etwa 100 verschiedene Pläne entworfen. Der für den Gesamtpark war sechs Meter lang im Maßstab 1:500. Dann gab es wiederum kleinere Ausschnitte wie beispielsweise die für die Plätze und Pflanzbeete im Maßstab 1:200 oder 1:100.

Der damalige Oberstadtdirektor Wolfgang Hesse soll seinerzeit nach New York geflogen sein, um fehlende Grundstücke für die Stadt zu erwerben. Fanden diese Reisen nach dem Zuschlag statt?

Hansjakob: Aus heutiger Sicht ist das natürlich unvorstellbar. Die Familie Carstanjen, der Name des Hauses Carstanjen erinnert noch daran, hatte große Parzellen, die für die Umsetzung notwendig waren. Es war eine andere Zeit, in der ein solches Vorgehen noch möglich war.

Die Umsetzung erstreckte sich über einen Zeitraum von fast zehn Jahren. Mit welchen Problemen hatte Ihr Büro zu kämpfen?

Hansjakob: Es schwebten ständig Gefahren über diesem Projekt. Das lässt sich bei einem langen Zeitraum nicht vermeiden. Da war zum einen die Gefahr von Hochwasser, da hatten wir Glück. 1976/77 herrschte große Trockenheit. Viele Pflanzen gingen ein. Und ein paar Jahre zuvor, im Jahr 1975, setzte eine Rezession ein. Die Stadt stellte in dieser Zeit tatsächlich die Teilnahme an der Bundesgartenschau aus Kostengründen infrage.

Wo Sie gerade die Kosten erwähnen: Sind Sie mit dem veranschlagten Geld hingekommen?

Hansjakob: Die Anlage des Parks sollte 75 Millionen Mark kosten. Dieser Betrag hat ausgereicht. Es gab allerdings einen Preisanstieg der Gartenschau selbst, für die aber die Stadt verantwortlich war.

Eigentlich sollte die Rheinaue für Bebauungen unangetastet bleiben. 2001 erfolgte dann aber doch der erste Spatenstich am Rande für das heutige Forschungsinstitut Caesar. Was hielten Sie von dieser Idee?

Hansjakob: Begeistert war ich nicht. Eine gewisse Gefahr besteht immer, dass die Stadt oder andere meinen, sie könnten Baugebiete in einem Park errichten. Letzten Endes hat mein Büro dann die Gartengestaltung für das Institut übernommen.

Sie sprachen es gerade an. Die Verlockung scheint groß zu sein, immer wieder Teile dieses Erholungsraums abzuknapsen, um sie für eine Bebauung freizugeben. Der ehemalige OB Jürgen Nimptsch hatte ein Festspielhaus in der Rheinaue vorgeschlagen...

Hansjakob: Neben der Rheinaue hätte ein Festspielhaus durchaus eine Aufwertung bedeuten können, aber doch nicht auf dem Gelände selbst! Mir scheint, dass ein Teil der städtischen Verwaltung heute nicht mehr erkennt, welcher Glücksfall die Rheinaue für Bonn ist. Aus diesem Grund habe ich mich auch über die Unterschutzstellung aus kulturlandschaftlichen Gründen sehr gefreut.

Muss sich die Rheinaue nicht auch verändern können, um weiter attraktiv für die Bürger bleiben zu können?

Hansjakob: Sie ist ein Park für alle, für Spaziergänger, Radfahrer, Jogger oder Sportler. Eine Veränderung der Nutzung durch wechselnde Einrichtungen kann es geben. Doch der Park sollte im Kern bleiben, wie er ist.

Steht die geplante Verbreiterung der Radwege für eine attraktivere Pendlerstrecke diesem Anspruch entgegen?

Hansjakob: Soweit ich informiert bin, wäre dieses Vorhaben erträglich. Allerdings halte ich eine Radstrecke an der Ludwig-Erhard-Allee für sinnvoller, damit die Rheinaue ein Erholungsgebiet bleibt.

Haben Sie den Eindruck, die Bürger wissen diesen Erholungsraum in seinem Umfang noch zu schätzen?

Hansjakob: Das Wissen um die Geschichte der Entstehung geht 40 Jahre nach der Bundesgartenschau zunehmend verloren. Aus diesem Grund habe ich vor fünf Jahren das Buch „Die Rheinaue in Bonn – Geschichte eines Parks“ geschrieben, um die Bonnerinnen und Bonner daran zu erinnern, welches Kleinod sie da haben. Mit dem Leiter des Grünflächenamts, Dieter Fuchs, haben ich für dieses Buch eng zusammengearbeitet. Ich war allerdings überrascht, dass die Stadt selbst keine Exemplare gekauft hat und auch sonst keine Reaktionen kamen.

Wird denn die Pflege der Anlage in Ihrem Sinne weitergeführt?

Hansjakob: Im Grünflächenamt bringt man meines Erachtens ein großes Verständnis für die Rheinaue auf. Dieter Fuchs macht seine Sache gut. Da habe ich bei Parkpflegern in München ganz andere Erfahrungen gemacht.

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