Interview mit Barbara Marnach "Die Pflegenote ist nur ein erster Anhaltspunkt"

Wer sich über die Qualitätssicherung eines Heims informieren will, bekommt über Noten einen ersten Leitfaden an die Hand. Für die Prüfungen in einer Einrichtung ist der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zuständig. Mit Sprecherin Barbara Marnach sprach Richard Bongartz.

Was ist Ihre Aufgabe als Medizinischer Dienst?
Barbara Marnach: Der MDK ist der unabhängige Beratungs- und Gutachterdienst, der die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in medizinischen und pflegerischen Fragen unterstützt. Dazu gehören auch die Qualitätsprüfungen in Pflegeheimen.

Dabei soll Ihnen in Dottendorf im vergangenen März ein Fehler unterlaufen sein, wie die Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter und bei Behinderung sagt...
Marnach: Der Fehler kam durch eine Aktualisierung im verwendeten Computerprogramm zustande und ist inzwischen korrigiert. In Dottendorf ist der Fehler erst bei der Anlassprüfung am Montag aufgefallen - ausgerechnet da. Im Detail geht es nur um einzelne Darstellungsformen der Prüfergebnisse. Die Noten bleiben identisch.

Werden alle Seniorenheime, privat oder städtisch, bewertet?
Marnach: Jede Pflegeeinrichtung wird vom MDK oder dem Prüfdienst der privaten Krankenversicherung mindestens einmal jährlich unangemeldet geprüft. Wer für sich selbst oder für Angehörige eine geeignete Pflegeeinrichtung sucht, hat viele Fragen. Neben persönlichen Aspekten, wie zum Beispiel die räumliche Nähe zur Familie, stehen die Qualität der Pflege und die medizinische Versorgung im Vordergrund. Gerade diese Gesichtspunkte sind für Außenstehende schwer zu beurteilen. Damit Verbraucher die Leistungen einzelner Einrichtungen besser beurteilen und vergleichen können, hat der Gesetzgeber 2009 die Transparenzberichte eingeführt. Sie enthalten Ergebnisse der Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes und werden veröffentlicht.

Was wird bewertet?
Marnach: Für den Ablauf einer Qualitätsprüfung gelten überall in Deutschland dieselben Regeln. MDK-Gutachter bewerten einzelne Kriterien und ordnen sie fünf Qualitätsbereichen zu: Pflege und medizinische Betreuung, Umgang mit demenzkranken Bewohnern, soziale Betreuung und Alltagsgestaltung, Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene sowie Befragung der Bewohner. Bei der Qualitätsprüfung geht es dem MDK vor allem um Pflege und medizinische Betreuung. Vor Ort wird etwa gefragt: Wie wird im Einzelfall Wundliegen (Dekubitus) vorgebeugt? Wie werden chronische Wunden oder Schmerzen versorgt? Werden die vom Arzt verordneten Medikamente gegeben? Wissen alle Bescheid, wenn ein Bewohner etwas nicht essen oder trinken darf? Ist bekannt, welche Bewohner leicht stürzen? Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten oder Zahnärzten? Bekommen alle Bewohner genug zu trinken?

Wie kann es sein, dass ein Haus eine glatte Eins bekommt und ihm zehn Monate später "gefährliche Pflege" bescheinigt wird?
Marnach: Es kann aufgrund von Veränderungen in der Einrichtung, etwa im Personalbereich, geschehen, dass die Versorgungsqualität in einer Einrichtung plötzlich schlechter wird. Grundsätzlich entsprechen aber die Pflegenoten nur auf den ersten Blick den Schulnoten. Ein Schüler bekommt ein Sehr Gut für eine überdurchschnittliche Leistung. Eine Pflegeeinrichtung bekommt ein Sehr Gut dagegen bereits, wenn sie Mindeststandards erfüllt. Transparenzbericht und Pflegenote sind deshalb für die Suche nach einem geeigneten Heim nur ein erster Anhaltspunkt und ersetzen nicht den persönlichen Eindruck vor Ort. Aus unserer Sicht muss das Bewertungssystem dringend weiterentwickelt werden.

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