Streit bei Bonner Sozialverbänden Die Diakonie verlässt Bonner Behinderten-Gemeinschaft

Bonn · Es gibt heftige Kritik am Umgang der Vereinsspitze mit psychisch Kranken. Die Brisanz des Vorgangs: Der Verein dient als offizieller Behindertenbeauftragter der Stadt Bonn und erhält einen jährlichen Zuschuss von fast 200.000 Euro.

Die Behinderten-Gemeinschaft Bonn ist offenbar in schwere See geraten. Wie Birgit Niepmann, Direktorin des Amtsgerichts, dem GA bestätigte, verfügt der als gemeinnützig anerkannte Verein derzeit über keinen ordentlichen Vorstand. Eine Neuwahl wäre nach der zweijährigen Amtsperiode im März 2017 fällig gewesen. Wenn eines der Vereinsmitglieder einen Antrag stelle, könne das Amtsgericht nun einen Notvorstand bestellen, um Schaden vom Verein oder seinen Gläubigern abzuwenden, so Niepmann.

Stadt zahlt Zuschuss – und hält sich raus

„Wir leben hier in einem kleinen Paradies, weil Konsens zwischen den Gruppen besteht“, hatte der geschäftsführende Vorsitzende, Hans-Hermann R. Heyland, noch 2016 bei einem Besuch der Landesbehindertenbeauftragten gegenüber dem GA geäußert. Ganz die Wahrheit war das offenbar schon damals nicht: Wie jetzt bekannt wurde, hat das Diakonische Werk nach schweren Differenzen mit dem Vereinsvorstand bereits 2016 seine Mitgliedschaft gekündigt. Dem Vorstand gehören neben Heyland auch Wilfried Ring aus Remagen und Ulrike Graepp an. „Wir sind ausgetreten, weil wir mit dem amtierenden Vorstand nicht mehr zusammenarbeiten konnten“, so Diakonie-Geschäftsführer Ulrich Hamacher. Auch der ehrenamtliche Koordinator für Tiefbau und Verkehr, Johannes Wiedemann, kündigte seine Mitarbeit.

Zum Eklat war es gekommen, nachdem Heyland, ein Rechtsanwalt aus Königswinter, bei einer öffentlichen Versammlung einem undeutlich sprechenden Teilnehmer unwirsch das Wort entzogen hatte. Die Vertreterin der Diakonie verbat sich dieses Verhalten und verließ später den Raum. Das bestreitet auch der geschäftsführende Vereinsvorstand nicht. Allerdings sei der Betroffene „ein sehr eloquenter, akademisch gebildeter und juristisch teilgebildeter Mensch mit Psychiatrieerfahrung, der sich energisch dagegen verwahrt, als schwerbehindert dargestellt zu werden.“ Er, Heyland, habe zur „Wahrung der Ordnung“ einem anderen Behinderten „beistehen müssen“, dem der Mann ins Wort gefallen sei.

Hamacher erwidert, das Diakonische Werk habe seinen Austritt zwar anlässlich des Vorfalls, aber aus inhaltlichen Gründen erklärt: „Wir teilen das vom geschäftsführenden Vorsitzenden praktizierte Inklusionsverständnis nicht und sehen analog zur UN-Behindertenrechtskonvention auch psychisch behinderte Menschen als Menschen mit Behinderung an, deren Würde umfassend zu wahren ist“, so Hamacher. Ihre Interessen zu vertreten, sei eine wichtige Aufgabe der BG, der sie aus Diakonie-Sicht nicht gerecht werde.

Heyland pflegt straffes Regiment

Wie aus internen E-Mails hervorgeht, pflegt Heyland auch in anderen Fällen ein straffes Regiment. Das stoße manchem sauer auf, ist aus Mitgliedskreisen zu hören. Allerdings dreht sich der entbrannte Streit offenbar auch inhaltlich um diverse Satzungsänderungen, die bei der kommenden Mitgliederversammlung beschlossen werden sollen. Der Fall ist über das Vereinsinterne hinaus von Bedeutung: Die 1998 als Verein gegründete Gemeinschaft übt nach einem Ratsbeschluss aus dem Jahr 2005 für die Stadt Bonn das gesetzlich vorgeschriebene Amt des Behindertenbeauftragten aus. Ein solches Konstrukt ist einmalig in Deutschland.

Es wird zwar einerseits gelobt, weil die Aufgabe damit auf eine breite Basis gestellt wird. In dem Verein sind praktisch sämtliche Träger der Behindertenhilfe und etliche Selbsthilfegruppen versammelt. Für eine neutrale Ombudsinstanz, die etwa Beschwerden von Heimbewohnern aufgreift, könnte die Konstruktion des Vereins allerdings hinderlich sein. Vielleicht will sich auch deshalb außer der Diakonie kein großer Träger – weder die Caritas, noch die Lebenshilfe oder Deutsche Rote Kreuz – inhaltlich zu den Vorgängen äußern.

Für seine Aufgabe erhält der Verein nach Angaben des Presseamts im Jahr 2017 bis zu 198.800 Euro aus dem Bonner Haushalt. 2018 sind es 4000 Euro mehr. Wie der allein sprechberechtigte Vorstand Heyland auf GA-Anfrage bestätigt, sei bis dato kein Kassenbericht für 2016 vorgelegt worden. Eine Mitgliederversammlung sei nun für Ende September geplant.

Die Zustände innerhalb des Vereins sind auch dem Bonner Sozialamt und dessen Leitung seit Längerem bekannt, ist aus internen Schriftverkehren zu entnehmen. Zum Handeln sieht man sich indessen nicht veranlasst. Nach außen demonstriert die Stadtverwaltung Gelassenheit. Zu Vereinsinterna äußere man sich nicht, lässt das Presseamt wissen.

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