Kommentar Die Decke ist zu kurz

BONN · Wenn Gewerkschafter mehr Personal in Behörden fordern, kann ein wenig Skepsis nicht schaden. Sie sind Interessenvertreter der Beamten und Beschäftigten, und da gehört es zum guten Ton, gelegentlich Alarm zu schlagen. An den Warnungen aus dem Bonner Polizeipräsidium scheint allerdings mehr dran zu sein.

Die Behörde hat ein spezielles Problem: Zu Hauptstadtzeiten war sie üppig ausgestattet, musste aber nach dem Regierungsumzug auf jetzt 1184 Beamte abspecken. Jahrelang gab es deshalb kaum Nachersatz mit jungen Polizisten, was zu einem hohen Altersdurchschnitt mit Folgeerscheinungen führte: hoher Krankenstand, viele Beamte, die keine Streifen- oder Schichtdienste mehr übernehmen können. Um so stärker belastet sind die fitteren Kollegen.

Zu welchen Engpässen es im Präsidium kommt, zeigte kürzlich ein Fall aus Beuel. Drei Männer hatten nachts einen Einbrecher auf frischer Tat gestellt. Sie mussten 28 Minuten warten, bis ein Streifenwagen kam, weil zeitgleich drei weitere Einsätze liefen. Drei Alarmierungen - und die Bonner Polizei ist gelähmt? Wenn eine Decke zu kurz ist, kann man sie in jede Richtung zerren: Irgendein Körperteil wird immer kalt.

Noch ist Bonn eine relativ sichere Stadt. Das Vertrauen der Bürger in die Polizei nimmt aber spürbar ab; in Bad Godesberg haben Bewohner des Villenviertels sogar schon eine Privatstreife engagiert. Natürlich muss das Land NRW Personalkosten reduzieren, um seinen Schuldenhaushalt zu entlasten. Bei der Polizei zu sparen, wäre jedoch fatal. Schon jetzt ist fraglich, ob die 1500 Kommissaranwärter, die jährlich landesweit eingestellt werden, ausreichen werden, um die Pensionierungswelle ab 2017 aufzufangen.

Das Innenministerium verteilt den Nachwuchs je nach Anzahl der Straftaten vor Ort auf die 50 Polizeibehörden. Bonn hat zwar 2013 mehr Verstärkung erhalten, als nach diesem Schlüssel zu erwarten war. Diesmal kommt aber deutlich weniger Nachersatz als geplant. Die Altersstruktur der Bonner Behörde spielt bei der Zahl der zugewiesenen Beamten keine Rolle. Das kann nicht richtig sein. Es ist jetzt an Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa, sich im Ministerium für ihre Leute stark zu machen.

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