GA-Serie "Bonn baut" Bauarbeiten sind wie eine Operation am offenen Herzen

Bonn · Die Projekte rund um den Hauptbahnhof gelten als wegweisend nach jahrelangem Stillstand. Kritiker fürchten, dass das schmuddelige "Bonner Loch" nur durch Häuserschluchten ersetzt wird. Wir geben eine Übersicht.

Rund um den Hauptbahnhof bleibt in den kommenden Jahren kaum ein Stein auf dem anderen. Die Bauarbeiten am wichtigsten Bonner Verkehrsknoten und am Tor zur Innenstadt sind wie eine Operation am offenen Herzen. Alles muss Hand in Hand gehen, damit sich Baustellenfahrzeuge, Straßenbahnen, Lieferverkehr und Innenstadtbesucher nicht gegenseitig ausbremsen.

Mehrere große Bauprojekte werden in den kommenden Jahren das Bahnhofsumfeld komplett verändern. Parallel dazu sortiert die Stadt den Busbahnhof sowie die Wegeverbindungen für alle anderen Verkehrsteilnehmer neu. "Wir brechen hier gerade in die Zukunft auf", sagte Oberbürgermeister Ashok Sridharan in der vergangenen Woche beim Abrissbeginn an der Südüberbauung. "Wir werden das Bahnhofsumfeld so attraktiv gestalten, wie es die Stadt verdient hat."

Mit der Südüberbauung wird bis zum Mai 2017 ein Gebäude abgerissen, das als eine der größten Bonner Bausünden gilt. Es klemmt zu nah am Bahnhof und macht - vor allem außen - einen zunehmend verwahrlosten Eindruck. Dabei war das Haus damals ebenfalls als repräsentatives Tor zur Innenstadt geplant, zu den Alteigentümern gehörten bekannte Bonner Persönlichkeiten.

Die gründerzeitliche Häuserzeile, die gegenüber dem Bahnhof stand, und die sogenannte Kaiserhalle mussten nicht für die Südüberbauung, sondern für den Bau der Bonner U-Bahn Anfang der 70er Jahre weichen. Für die neuen Freiflächen gab es in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Ideen, so Ende der 80er Jahre den Bau der "Ungers-Halle" über dem Bonner Loch. Ein Solitär sollte die Südüberbauung nie bleiben.

Der Bahnhof soll die Hauptrolle spielen

Auch das Maximilian-Center, der Neubau des Investors Ten Brinke, ist nicht als markantes Einzelbauwerk geplant. "Das schönste Kompliment, das ich als Architekt in fünf Jahren bekommen kann, ist, dass das neue Gebäude unwichtig geworden ist", sagte Louis de Jager, der das Maximilian-Center geplant hat. Für den Architekten spielt der Bahnhof die Hauptrolle. "Deshalb schneiden wir in allen Richtungen ein Stück weg. Alles ist besser, als das, was hier jetzt steht", sagt er. Einen Kompromiss zwischen Nutzung (12 000 Quadratmeter Geschäftsfläche) und der gewünschten Transparenz galt es dabei zu finden. Die Architekten haben eine helle Fassade und großzügige Fenster geplant. "Wie diese später wirken und gestaltet werden, da sind die Mieter gefragt", sagt de Jager. Die Modekette Primark, Rewe, dm und Kentucky Fried Chicken stehen bereits fest. Sie entscheiden selbst, wie sie die Fenster dekorieren oder ob sie Plakate und Monitore anbringen.

Albert ten Brinke war offenbar zur richtigen Zeit am richtigen Ort. "Viele waren die Verhandlungen leid", sagt er. Der Niederländer schaffte es, die Alteigentümer unter einen Hut zu bringen und alle Flächen des Altbaus zu kaufen. Letzter Einzeleigentümer bleibt ein Kioskbesitzer in der Passage. Er soll während des Umbaus schließen und anschließend neu eröffnen.

"Es war ein Vorteil, dass wir in Bonn einen guten Namen haben. Es war bekannt, dass wir etwas umsetzen können", sagt ten Brinke. Der Investor errichtet auch den Neubau für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) an der Friedrich-Ebert-Allee. Kosten: 150 Millionen Euro. Am Bahnhof kommen nun noch einmal 100 Millionen Euro für das Maximilian-Center hinzu. Der Rohbau soll bis Ende Mai 2018 stehen, Hauptmieter Primark dann Anfang 2019 eröffnen.

Ten Brinke hat den Anfang gemacht, aber schon im Herbst soll die Bebauung des nebenan liegenden Nordfelds durch die Investoren "Die Developer" beginnen. Das Düsseldorfer Unternehmen wird deutlich mehr als 100 Millionen Euro in das Projekt "Urban Soul" stecken. Geplant sind drei Gebäude. An der Poststraße entstehen Flächen für Einzelhandel, Gastronomie und Wohnungen. Kritiker sehen angesichts der Größe der Gebäude eine Häuserschlucht entstehen.

Neues Parkhaus an der Rabinstraße geplant

In einem schlankeren Bau zur Thomas-Mann-Straße hin ist ein Hotel mit 230 Zimmern und Bistro vorgesehen. An der Rabinstraße sind Räume für Büros und Einzelhandel, ab dem ersten Obergeschoss Parkplätze für 250 Autos geplant. Die Bauanträge liegen allerdings noch nicht vor. "Wir werden sie im März oder April einreichen", sagt Bastian Julius, zuständiger Stadtplaner bei den "Developern". Bis dahin gibt es noch eine entscheidende Frage zu klären: Was passiert mit der geplanten Aufgangstreppe zur Poststraße? Sie verläuft gegen die Laufrichtung der Passanten und Bahnkunden, die mehrheitlich von der Innenstadt zum Bahnhof oder vom Bahnhof in Richtung Innenstadt gehen. Die Ratsmehrheit verlangt eine neuerliche Prüfung von Alternativen. "Wir werden das Gespräch mit der Stadt suchen, aber es besteht wenig Handlungsspielraum", erklärt Julius.

Diese Treppe und eine weitere zur Straße "Am Hauptbahnhof" sind deshalb so wichtig, weil sie bereits bis Herbst fertig sein müssen, um das "Bonner Loch" mit dem eigentlichen Baubeginn schließen zu können. Der Parkhausbau beginnt etwas später. "Dieser Teil ist aber weniger kompliziert, deshalb sind wir guter Dinge, dass alles gleichzeitig fertig wird", so Julius. Ob die Parkplätze vielleicht schon vor Abschluss der gesamten Baumaßnahme zur Verfügung stehen, hängt auch von Genehmigungsverfahren ab. Julius sagt dazu: "Natürlich ist uns die Parksituation in Bonn aus eigener Erfahrung gut bekannt, und wir werden uns bemühen, dort schnell voranzukommen." Mitte 2019 soll "Urban Soul" mit sämtlichen Außenanlagen stehen, Vorabeinzug einzelner Betreiber nicht ausgeschlossen.

Wie sich die Baustelle auf dem Nordfeld auf den Betrieb der angrenzenden Münstergarage auswirkt, kann nach Auskunft der City Parkraum GmbH erst geklärt werden, wenn der Bauantrag vorliegt. Da die Tiefgarage ins Baufeld ragt, ist zumindest wahrscheinlich, dass es Einschränkungen geben wird. Der oberirdische Parkplatz vor dem Bahnhof fällt ganz weg. Ab 2018 steht auch noch der Abbruch des DB-Parkhauses hinter dem Bahnhof im Raum. Dafür soll die seit Jahren leerstehende Unigarage unter dem Hofgarten Ende 2019 wieder öffnen.

Ende 2019 wird wohl auch der Bonner Hauptbahnhof fertig sein. Die denkmalgeschützte Gussstahlkonstruktion der Hallendächer von 1883/84 wird restauriert, das neue Hallendach bekommt mehr gläserne Elemente. Zudem werden neue Lampen und Lautsprecher angebracht.

Die Kosten für die Sanierung von rund 13 Millionen Euro tragen Bund, Nahverkehr Rheinland (NVR) und Deutsche Bahn. Aktuell ist Gleis eins gesperrt, bei 67 000 Fahrgästen täglich eine echte Einschränkung, denn die meisten Züge fahren jetzt von den gegenüberliegenden Bahnsteigen zwei und drei ab. Im ersten Arbeitsschritt werden Bahnsteigabhängungen zurückgebaut, Kanalarbeiten durchgeführt und Oberleitungsmasten aufgestellt. Bereits abgeschlossen sind die Fassadenreinigung (60 000 Euro) und die Toilettensanierung (500 000 Euro).

Auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs, an der Quantiusstraße, ist ein Teil des Wandels bereits vollzogen. Seit fast vier Jahren betreibt Steigenberger dort das Intercity-Hotel. Der Bonner Privatinvestor Detlev Klaudt vermietet außerdem an Ärzte, Geschäftsleute und einen Alnatura-Biomarkt. Das Grundstück an den Gleisen Richtung Südstadt gehört der Cosimo Gruppe mit Sitz in Duisburg. Wetterbedingt ist der Zeitplan etwas durcheinander geraten, aber Geschäftsführer Oral Coskun rechnet damit, dass Ende 2017 das das gesamte Gebäude steht. Die Cosimo Gruppe wolle nach bisherigem Stand "die Wohnungen und die Gewerbeeinheiten vermieten", so Coskun.

Bauprojekte rund um den Bonner Hauptbahnhof

In den nächsten Monaten entsteht der Rohbau für das neue Studentenwohnheim mit 234 Appartements von jeweils etwa 25 Quadratmetern Größe, das nach Angaben des Investors 20 Millionen Euro kosten wird. Neben der Radstation ist Platz für zwei gastronomische Betriebe. Darunter kommt eine Tiefgarage. Die fünf Geschosse plus Staffelgeschoss sollen die Höhe des Intercity-Hotels nicht übersteigen. Erst mit der Fertigstellung dieser Immobilie rückt das alte Parkhaus der Deutschen Bahn wieder in den Fokus. Hintergrund: Im Erdgeschoss ist die von der Caritas betriebene Radstation provisorisch (und äußerst zugig) untergebracht. Erst mit dem Umzug in den Neubau kann es dort weitergehen.

Besitzer des Parkhauses, in dem es so eng ist, dass es nur die besten Autofahrer ohne Blechschaden durchfahren können, ist die Deutsche Bahn. "Wir gehen derzeit davon aus, dass die finale Radstation im Studentenwohnhaus entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen spätestens im ersten Quartal 2018 hergestellt sein wird. Dies ist gleichzeitig der früheste Zeitpunkt, ab dem der Abbruch des Parkhauses tatsächlich erfolgen kann", teilt Dirk Pohlmann, Sprecher der Deutschen Bahn mit. Was die Bahn dort vorhat, steht in den Sternen.

"Derzeit laufen auf verschiedenen Ebenen Gespräche über die Zukunft des Grundstücks, die noch keine Aussage über das künftige Nutzungskonzept und einen Realisierungshorizont zulassen", so Pohlmann. Was den Verkehr betrifft, ist die Lage an der Quantiusstraße weniger heikel als die Situation rund um den Bahnhofsvorplatz. Zum 1. Februar hat Investor Ten Brinke für die Abrissarbeiten die Ausweitung der Baustelle bei der Stadt beantragt. Das betrifft unter anderem die Fußgänger, die einen weiteren Bogen um das Baufeld laufen müssen. Unterirdisch wird der Tunnel mit der früheren Ladenzeile bis zum Herbst 2018 gesperrt.

Baustellenverkehr läuft über den Cityring

Ab Ende März wird für ein gutes Jahr die Rampe zum Zentralen Omnibusbahnhof dicht gemacht sowie der Zugang durch den südlichen Tunnel zu den Gleisen der Deutschen Bahn. Der nördliche Tunnel bleibt offen. Sobald das "Bonner Loch ab Herbst dieses Jahres abgedeckt wird, ist der Aus- und Zugang über die bis dahin neu gebauten Treppenanlagen möglich.

Auch für den Autoverkehr ist das große Baufeld eine Belastung. Das Tiefbauamt verfolgt folgenden Plan: Ten Brinke fährt seine Baustelle nur über den Cityring an - und zwar nach einem genauen Zeitplan und zu verkehrsarmen Zeiten. Das Nordfeld wird dagegen von der anderen Seite beliefert. Die Stadt stellt zu diesem Zweck den neuen Kreisverkehr am Alten Friedhof rechtzeitig fertig. Nur Baustellenfahrzeuge für das Nordfeld und Taxis dürfen dann die Rabinstraße Richtung Hauptbahnhof befahren. Die Ampel an der Einmündung Thomas-Mann-Straße muss entsprechend umgebaut werden, damit der Verkehr an dieser Stelle gefahrlos fließen kann.

Der Umbau des zentralen Busbahnhofs steht ebenfalls schon lange auf der Wunschliste von Stadt und Politik. Bislang ist der durch den Cityring von der Fußgängerzone abgetrennt. Letzte Pläne sahen vor, den Verkehr von der Wesselstraße außen um den Platz herumzuführen, damit der Busbahnhof seine Insellage verliert. Zurzeit ändere die Verwaltung die ZOB-Planung, die auf den Bestand der Südüberbauung angelegt war, um sie Gremien erneut zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen, teilte das Presseamt mit.

Wenn alles im Zeitplan bleibt, dann sind die Hochbauten rund um den Bonner Hauptbahnhof in drei Jahren fertig. Die Verkehrsprojekte werden voraussichtlich etwas länger dauern. Bis dahin brauchen die Bonner vor allem eins: Geduld. Und eine ruhige Hand bei der Operation am offenen Herzen der Stadt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort