Digitalsierung in der Unibibliothek Bonn und das Urheberrecht Der jahrelange Rechtsstreit um König Inhalt

Die Gegner des weltgrößten Digitalisierungsprojekts Google Books kämpften mehr als zehn Jahre gegen den Suchmaschinen-Giganten und für ihr Verständnis des Urheberrechts. In Deutschland mangelt es an einer nationalen Strategie für das Scannen von Büchern.

Wenn Thomas Mantel im Keller der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) an der Adenauerallee Dokumente scannt, sieht es aus, als ob sich die Seiten in einem großen Solarium sonnen. Er lichtet die Musikaliensammlung eines schlesischen Kantors mit dem Hochleistungsgerät ab.

Adressbücher, Zeitschriften, Inkunabeln, die Werke, die der gelernte Fotograf digitalisiert, sind so vielfältig, wie der Bücherschatz der ULB eben ist.

Seit 20 Jahren ist die Bibliothek dabei, ihre Bestände, aber auch fremde Inhalte nach und nach digital zur Verfügung zu stellen. Nach den Vorgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit mindestens 300 DPI, also Punkten pro Zoll.

Die größte Bibliothek der Welt

Ein kleines Vorhaben im Vergleich zum wohl weltweit prominentesten Projekt der Bücherdigitalisierung namens Google Books. Frei nach dem Motto „Der Inhalt ist König“ griffen die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin nach den Sternen der Literatur.

Im Oktober 2004 stellten die beiden auf der Frankfurter Buchmesse ihren Plan vor, die größte Bibliothek der Welt im Netz zu schaffen. 15 Millionen Bücher, 4,5 Milliarden Seiten.

Los ging es 2005 mit dem kompletten Bestand der University of Michigan sowie großen Teilen der Bibliotheken in Stanford und Harvard. In Europa beteiligte sich zunächst die Bodleian Library in Oxford. Es folgten zunächst weitere Universitäten, dann Nationalbibliotheken. Im März 2007 gab die Bayerische Staatsbibliothek in München bekannt, als erstes deutsches Institut mit Google zu kooperieren.

Mammutprojekt zwischenzeitlich gestoppt

Doch das Mammutprojekt machte sich nicht nur Freunde, sondern stieß auch auf den erbitterten Widerstand derer, die um Urheberrechte fürchteten. Autoren und Verleger brachten Google dazu, das Scannen von urheberrechtlich geschützten Büchern zwischenzeitlich bis zum November 2005 auszusetzen.

Bis dahin sollten Rechteinhaber Widerspruch anmelden, damit Google ihre Werke ausnimmt. Ein wohl vom amerikanischen Recht gedecktes Vorgehen, dass aber dennoch auf Verlagsseite und bei Autorenverbänden zu Protesten und Klagen führte.

Sie forderten, dass Google umgekehrt eine ausdrückliche Genehmigung für die Digitalisierung einholen müsse. Es folgte eine mehr als zehnjährige Prozesswelle, die erst im April 2016 vor dem Obersten US-Gerichtshof endete – zugunsten von Google.

Wie Hohn klang für die Gegenseite, dass die rechtliche Grundlage, die es Google erlaubt, Werke Dritter auch ohne deren Zustimmung zu nutzen, ausgerechnet „Fair use“ heißt. Allerdings deckt dieses Recht nur die Veröffentlichung von Ausschnitten der urheberrechtsgeschützten Werke ab. Und die Richter argumentierten, dass sich auf diese Weise kein Buch „zusammengoogeln“ lasse.

Keine europäische Konkurrenz

Hinfällig war damit auch die Idee des französischen Historikers Jean-Noël Jeanneney, Google ein europäisches Projekt entgegenzusetzen. Mit Hilfe der Nationalbibliotheken. Eine Struktur, die Deutschland nicht kennt.

„Weil wir eine föderale Geschichte haben, gibt es nicht wie zum Beispiel in England eine zentrale Sammelstelle“, erläutert Experte Michael Herkenhoff. Stattdessen arbeiten die deutschen Bibliotheken kooperativ zusammen.

Was fehle, sei dabei aber „eine nationale Digitalisierungsstrategie“, so Herkenhoff. Und das unabhängig von allen Bedenken über die Haltbarkeit von Digitalisaten oder der Sorge, das Bewusstsein für das Echte könne verloren gehen.⋌

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