"Crash Kurs NRW" im Robert-Wetzlar-Kolleg Der gefährliche Blick aufs Handy

Bonn · Mit Erfahrungsberichten und Schockfilmen will die Polizei Jugendliche für sicheres Fahren sensibilisieren. Im Rahmen des Projekts "Crash Kurs NRW" berichteten jetzt Polizisten und Sanitäter im Robert-Wetzlar-Kolleg über ihre Erfahrungen.

An diesen Sonntagmorgen vor fast zehn Jahren kann sich Dirk Lötschert noch ganz genau erinnern. Als Notfallsanitäter kam er als Erster an eine Unfallstelle auf der Landstraße kurz hinter der Bonner Stadtgrenze. „Ich wusste sofort, dass das kein normaler Einsatz werden wird“, erinnert er sich.

Drei Jugendliche, so ergaben die späteren Ermittlungen der Polizei, hatten sich einen Wagen gemietet und eine Spritztour unternommen. „Ein typischer Fall von jugendlichem Leichtsinn gepaart mit Selbstüberschätzung“, so Lötschert. Bei einem gescheiterten Überholmanöver hatte der junge Fahrer einen unbeteiligten Wagen touchiert, der daraufhin von der Fahrbahn abkam und total zerstört am Straßenrand landete. Darin saß eine Familie, die auf dem Weg zur Kirche war. Bilanz des Unfalls: Drei Tote sowie zwei Schwerverletzte. „Wir funktionieren in solchen Situationen und machen das, was wir gelernt haben“, berichtete der Sanitäter den Schülern des Robert-Wetzlar-Berufskollegs. „Aber wenn man die Toten in Leichensäcke legt und in ihren Brieftaschen dann Bilder von Kindern findet, dann ist so eine Situation kaum zu ertragen.“

Mit solchen drastischen Erfahrungsberichten sowie Bildern und Schockfilmen wurde den 17- bis 25-Jährigen des Kollegs im Rahmen des Projekts „Crash Kurs NRW“ gezeigt, wie schnell Leichtsinn und Überheblichkeit das Leben vieler Menschen von einer Minute auf die andere verändern. „Nicht nur das eigene Leben, sondern auch das von Unbeteiligten sowie von Polizisten, Notärzten und Sanitätern“, ergänzte Ursula Maria Heine. Die stellvertretende Schulleiterin des Kollegs engagiert sich in ihrer Freizeit auch als ehrenamtliche Notfallseelsorgerin in Bonn und der Region.

Sie schilderte den Schülern ein Ereignis, das bis heute ihr Leben prägt: „Ich bin einmal zu einem Unfallort gerufen worden und sah eine meiner Schülerinnen auf der Straße liegen. Sie war so schwer verletzt, dass sie nicht mehr aus dem Koma erwachte. An ihrem 19. Geburtstag ließ die Familie die Maschinen abstellen. Es ist mir wichtig, dass ihr auch wisst, was solche Einsätze mit uns Helfern machen. Denn wir sind keine Unbeteiligten. Uns berühren die Schicksale ebenso“, so Heine.

Manchmal kann auch Stefan Grün seinen Job nur schwer ertragen. „An einem einzigen Tag musste ich einmal zu Unfällen raus, bei denen jeweils junge Menschen starben. Erst eine 17-jährige Schülerin, später dann ein 20-jähriger Motorradfahrer. Glaubt mir, so etwas vergisst man nie“, berichtete der Motorradpolizist den Kollegschülern. Rasen, Drogen und Handy am Steuer sind die häufigsten Ursachen für schwere Verkehrsunfälle mit Jugendlichen. „Die Gründe kennen eigentlich alle.

Aber durch die Erzählungen von Polizisten, Feuerwehrleuten, Notfallseelsorgern und Notärzten stellen wir Emotionen in den Vordergrund und hoffen, dass wir bei den jungen Fahranfängern ein realitätsnahes Gefahrenbewusstsein schaffen“, so Heine. Bei Sarah, 18 Jahre, war dieses Konzept erfolgreich. „Ich bin gerade dabei, den Führerschein zu machen. Rasen kommt für mich nicht infrage. Jemand aus meinem Freundeskreis hatte gerade selbst einen schweren Unfall. Das hat mir die Augen geöffnet“, erklärte die Schülerin.

Doch auch die Helfer, die sich um Opfer und die Hinterbliebenen kümmern, müssen einen Weg finden, um das Erlebte zu verarbeiten. „Reden hilft. Egal mit wem. Mit Kollegen, Freunden oder der Familie. Sonst lässt man die Schicksale zu nahe an sich heran. Und das wäre auf Dauer nicht gut“, sagt Dirk Lötschert.

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