Kommentar Der Verzicht des Bonner OB - Es wird nicht einfacher

Bonn · Dass er sich um das Amt gerissen hat, kann man nicht behaupten. Dass er im Amt ein Überflieger ist, auch nicht. Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat am Freitag seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit erklärt. Etwas wehleidig zwar, aber im Kern mit guten Gründen.

Denn in einem hat Bonns bisheriger erster Mann recht: Das konnte nichts mehr werden mit ihm und diesem Stadtrat. Jedes Volk, so sagt man salopp, hat die Regierung, die es verdient. Auf Bonn gemünzt heißt das: den OB, den es verdient. Aber man muss sofort hinzusetzen: auch das Gemeindeparlament, das es verdient.

Anders gesagt: Diese Stadt hat das Gehänge und Gewürge, das ihre Bürgerinnen und Bürger die vergangenen Jahre erleben mussten, nicht verdient. Zu einem guten Gelingen aber gehören zwei: ein OB, der führt, und ein Stadtparlament, das konstruktiv mitarbeitet. Beides ist nicht geschehen.

Doch die Fairness gebührt eben zu sagen, dass das bei weitem nicht die Schuld des Sozialdemokraten Jürgen Nimptsch allein ist. Zumal die äußeren Daten ja stimmen. Bonn boomt. Mehr Einwohner, mehr Arbeitsplätze, mehr Einkommen. Das ist nicht wenig.

Auf der Sollseite aber steht zu vieles: die fehlende Haushaltskonsolidierung, der unklare Weitergang der WCCB-Skandal-Aufarbeitung (inklusive aller juristischen Unwägbarkeiten auch für Nimptsch und seine Vorgängerin), das Ringen um ein Festspielhaus, die Verödung der City. Und und und. Das alles dem OB anzulasten, hieße, seine Möglichkeiten zu überschätzen.

Gewiss: Der (Integrations-)Lehrer und Verwaltungslaie Nimptsch hätte mehr möglich machen können. Er hätte mehr entscheiden können, weniger in die Hand der Bürger legen dürfen - hätte, hätte, Fahrradkette..., sagt in solchen Fällen ein prominenterer Bonner Sozialdemokrat. Nimptsch hat die Bürger seiner Stadt enttäuscht. Führung war sein Ding nicht. Dazu fehlt ihm die Härte, dazu ist er zu harmoniebedürftig.

Jürgen Nimptsch hat von Bärbel Dieckmann ein gutes Erbe übernommen, was die großen Linien angeht - und ein schwieriges, was den WCCB-Vertuschungs- und Überforderungsskandal betrifft. Er hatte, wie fast jeder OB in Deutschland, finanziell so gut wie keine Spielräume und, das war das Schwierigste, er hatte keine Mehrheit. Er war - und ist noch ein Jahr - ein OB ohne Unterbau.

Der Bonner OB hat es also nicht leicht gehabt und er hat es anderen nicht leicht gemacht - übrigens auch dem General-Anzeiger nicht. Oft, zu oft, ist da der Überbringer schlechter Nachrichten zum Verursacher dieser Nachrichten gemacht worden. Aber das nur am Rande.

Nimptschs Abschiedserklärung ist eine Aufforderung. Vielleicht wird die wenigstens ernst genommen. Der scheidende OB sagt, er hätte sich eine zweite Amtszeit in konstruktivem Geist vorstellen können. Aber diesen Geist gab und gibt es in Bonn nicht. Er will mit seinem Schritt das "Zesammestonn" in Bonn wieder möglich machen. Und in der Tat: Es wird Zeit, dass das passiert. Viel zu lange hat sich diese Stadt ein provinzielles Hickhack und Kleinklein ihrer Mandatsträger geleistet.

Die Aufgaben sind gigantisch. Bei der Haushaltskonsolidierung, bei der Sicherung Bonns als Bundesstadt. Da reicht es nicht, immer nur Nein zu sagen oder draufzuklopfen, wenn mal einer, und sei es der OB, sich aus der Furche wagt und Ungewöhnliches zu denken traut. Wird diese Botschaft des OB verstanden, hat sein gestriger Schritt etwas Gutes.

Und noch eine Bemerkung: Ein Nachfolger von Format ist weit und breit nicht in Sicht, auch nicht bei der jetzt frohlockenden Ratsmehrheit. Wer denkt, es werde jetzt leichter in Bonn, irrt: Auf die Stadt kommen keine einfacheren Zeiten zu.

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