Interview mit Bernhard Spies Der "Retter" der Bundeskunsthalle geht von Bord

Bonn · Bernhard Spies hat den Job des Geschäftsführers der Bundeskunsthalle in schwieriger Zeit übernommen. Über seine Zeit in Bonn, die kommunalpolitischen Aktivitäten und seine Rolle als karnevalistischer Botschafter der Bundesstadt spricht er im Interview.

Bernhard Spies beim Interview in der GA-Redaktion.

Bernhard Spies beim Interview in der GA-Redaktion.

Foto: Benjamin Westhoff

Sie kamen nach dem Horrorjahr 2007 an die Bundeskunsthalle. Bundesrechnungshof im Haus, Vorwürfe unter anderem wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten lagen in der Luft, ein Defizit war da, Intendant Wenzel Jacob und kaufmännischer Geschäftsführer Wilfried Gatzweiler kaltgestellt. Dann kamen Sie nach Bonn und drehten die Sache. Sind Sie der Retter der Bundeskunsthalle?

Bernhard Spies: Der Retter wohl nicht. Aber es musste einiges aufgearbeitet werden. Und aus den Fehlentwicklungen von 2007 haben sich natürlich Konsequenzen ergeben. Ich glaube, ich habe das soweit reorganisiert, dass wir nach einem Jahr wieder in den schwarzen Zahlen waren und seitdem immer schwarze Zahlen geschrieben haben. Wir haben mit minus 1,7 Millionen Euro angefangen, und letztes Jahr hatten wir einen Gewinnvortrag von 14 Millionen – und das ohne Zuwendungen aus Steuergeldern zu erhalten. Das Haus steht sehr gesund da. Wir werden dieses Jahr mit einem Gewinnvortrag von vier bis fünf Millionen abschließen.

Was war zu tun? Was haben Sie in groben Zügen getan?

Spies: Es war eine schwierige Situation im Hause. Wenzel Jacob war und ist sehr beliebt. Ich musste einen vierjährigen Prozess gegen ihn führen. Es gab weder einen Grund für eine ordentliche noch außerordentliche Kündigung. Man hätte sich eine anständigere Lösung vorstellen können. Er war mitverantwortlich, trug Verantwortung, aber ein so langer Prozess wäre nicht nötig gewesen.

Wenzel Jacob ist inzwischen vor Gericht rehabilitiert. Wilfried Gatz-weiler kämpft unseres Wissens noch.

Spies: Wir haben einen Prozess gegen den Wirtschaftsprüfer geführt. Er hat, da er Fehler der Geschäftsführung hätte erkennen müssen, der Bundeskunsthalle einen Schadensersatz von einer Million Euro gezahlt. Da darf ich ja wohl behaupten, dass in der Geschäftsführung nicht alles korrekt gelaufen ist, auch, was die Abwicklung und Abrechnung angeht. Wenn da wirklich nichts drangewesen wäre, hätte der Wirtschaftsprüfer nicht dem Vergleich zugestimmt.

Was genau haben Sie gemacht?

Spies: Ich habe neue Strukturen eingeführt, Leitungsfunktionen gestrafft, eine Führungsebene gestrichen. Wir haben parallel dazu elektronische Rechnungs- und Kontrollsysteme eingeführt, die unterm Strich zu erheblichen Einsparungen geführt haben. Es gibt eine sehr strenge Budgetierung. Seit 2009 hat es da keine Überschreitungen gegeben.

Wir können festhalten, dass Sie zumindest maßgeblich an der Rettung der Bundeskunsthalle beteiligt waren. Uneingeschränktes Lob haben Sie dafür nicht bekommen, denn viele Bonner haben Ihnen das Aus der Museumsplatzkonzerte übel genommen. Hätte es da nicht einen Mittelweg gegeben?

Spies: Bei mir hat sich neulich jemand beklagt, es sei so tot auf dem Museumsplatz. Da sage ich: Wir hatten dieses Jahr auf dem Museumsplatz im Persischen Garten mit über 120.000 Besuchern doppelt so viele wie in einer Konzertsaison. Wir haben den Platz dadurch, dass wir das dunkle Zelt weggenommen haben, zum Leben erweckt. Ich gebe zu: Wenn unter dem Zelt ein Konzert stattfand, war das ein Erlebnis. Aber schon am nächsten Tag war tote Hose. Der Normalbesucher der Bundeskunsthalle hat diese tote Situation erlebt, nicht die Konzertsituation. Die Konzerte vor 2007 mit Liza Minnelli und Elton John waren eine tolle Sache – Elton John vor 6500 Besuchern, so nah kam man sonst nie an ihn ran. Finanziell hat sich das jedoch nie gerechnet.

Und der Bund wollte Konzerte von solcher Qualität nicht finanzieren?

Spies: Da wäre ein Schrei aus Köln, vom Tanzbrunnen oder anderen Orten gekommen.

Haben Sie denn beim Bund angefragt?

Spies: Ich habe das angedeutet. Und die Antwort des Bundes war eindeutig ablehnend. Der Bund kann nicht in Konkurrenz zu kommerziellen Konzertanbietern treten. Das wäre unfair.

Gibt es denn ein Konzept für die künftige Nutzung des Platzes?

Spies: Wir haben ihn immer bespielt. Im kommenden Jahr kommt „Play-Grounds“. Das Dach und der Platz sind Ausstellungsflächen der Bundeskunsthalle.

Der Platz ist ein Sanierungsfall. Tut sich da etwas?

Spies: Dank der Steuernachzahlung können wir das jetzt in Angriff nehmen. Die Ausschreibungen laufen.

Woher kommt der Geldsegen?

Spies: Das Umsatzsteuergesetz sagt, dass eine museumsähnliche Einrichtung einem Museum gleichgestellt werden kann. Ein Museum besitzt eine Sammlung, wir aber haben keine. Trotzdem gab es 1995 eine Bescheinigung des Regierungspräsidenten, dass wir einem Museum gleichgestellt und von der Umsatzsteuer befreit sind. Dagegen haben wir Einspruch eingelegt, geklagt. Schließlich haben wir vor dem Finanzgericht Köln eine Entscheidung bekommen, die besagt: Wir haben keine Sammlung, sind damit zur Umsatzsteuer verpflichtet. Heißt: Wir müssen auf die Eintrittsgelder Steuern zahlen, aber wir können für alle Leistungen, die wir einkaufen, die Vorsteuer geltend machen.

Das macht zwei Millionen pro Jahr. Da sich dieses Verfahren von 2008 bis 2016 hinzog, und ich Widerspruch gegen alle Einkommenssteuerbescheide eingelegt hatte, gab es eine Rückzahlung von 21 Millionen Euro plus fünf Millionen Zinsen. Wir haben uns mit dem Bund geeinigt, haben für die nächsten Jahre jeweils eine Million mehr zur Verfügung und vier Millionen für Sanierungen.

Die Bonner erwarten jetzt ein Ausstellungsfeuerwerk. Die Bundeskunsthalle hat sich auf einem Niveau von rund 500 000 Besuchern pro Jahr mehr oder weniger konsolidiert. In der Ära Jacob waren es in manchen Jahren 750 000. Woran liegt das?

Spies: Ich bin nicht für das Programm zuständig, aber die Bundeskunsthalle zählt zu den besucherstärksten Ausstellungshäusern der Bundesrepublik. Ich glaube aber nicht, dass die Qualität eines Programms sich immer an der Besucherzahl festmachen lässt. Manchmal ist eine bundesweite Presse wichtiger.

Sie sind sicherlich ein passionierter Museumsgänger. Was waren Ihre schönsten Erlebnisse, welche Ihre schönsten Ausstellungen in der Bundeskunsthalle?

Spies: Ich war nie ein Museumsgänger. Das war völlig neu für mich. Technikmuseen vielleicht, aber keine Kunstmuseen. Ich fand es spannend, mich jetzt dienstlich damit befassen zu müssen. Meine Arbeit hat mit sich gebracht, dass sich meine beiden Töchter für Ausstellungen interessieren. Ich habe sie einfach mitgeschleppt. Das hat sie nachhaltig geprägt. Jetzt ist meine eine Tochter aus freien Stücken durch den Louvre und andere Museen gegangen. Das hätte ich vor 30 Jahren nie getan.

Was hat Ihnen persönlich gefallen?

Spies: Die Ausstellung über Florenz war spannend, Impressionismus in Japan und Iran waren spannend. Gregor Schneider fand ich interessant.

Aber richtig gefallen hat er Ihnen nicht.

Spies: Die Machart fand ich spannend. Das waren Erinnerungen, die bleiben.

Wenn Sie als Abschiedsgeschenk eine Ausstellung machen dürften, was würden wir sehen?

Spies: Ich komme aus Norddeutschland, da ist Worpswede, da ist Barlach. Das würde ich gerne zeigen.

Sie haben ja auch Gestaltungsmöglichkeiten als CDU-Vorsitzender in Bad Honnef. Am Rande einer Veranstaltung im Kulturforum kam neulich der Vorwurf auf, diese reiche Kommune gebe nichts für Kultur aus. Was meinen Sie dazu?

Spies: Bad Honnef ist keine reiche Kommune. Das Durchschnittseinkommen ist hoch, ansonsten ist es eine arme Kommune unter dem Haushaltssicherungskonzept. Große Unternehmen sind weggegangen, die Belastungen durch die Pflichtaufgaben, die der Bund den Kommunen aufdrückt, sind groß. Bad Honnef hat für Flüchtlinge viel getan, sie sind alle gut untergebracht. Das kostet viel Geld. Und der Bund zahlt zu wenig. Natürlich sollte die Kultur unterstützt werden, aber den Kommunen fehlt das Geld.

Sie wurden 2014 CDU-Vorsitzender aus der Not heraus...

Spies: Ich habe den Vorsitz eher unfreiwillig in einer sehr schwierigen Situation übernommen – nach der verlorenen Bürgermeister- und Kommunalwahl. Ich bekam den Auftrag, Ruhe in die sehr zerstrittenen Flügel der Partei zu bringen. Ich glaube, das ist mir gelungen. Was mir nicht gelungen ist: Einen jüngeren Nachfolger zu finden. Es kann doch nicht sein, dass ich mich mit dem Vorsitzenden der Senioren-Union darüber unterhalte, wer von uns macht jetzt was – wer ist zwei Jahre jünger und macht den Vorsitz der Partei und wer macht den Vorsitz der Senioren-Union. Es ist schwierig, junge Leute zu finden, gerade in einer Kommune, die einen sehr hohen Altersdurchschnitt hat.

Selbst der Senioren-Union behagt der Kuschelkurs zum parteilosen Bürgermeister Otto Neuhoff nicht immer.

Spies: Herr Neuhoff macht eine gute Politik. Und die CDU hat gut daran getan, nicht gegen den Bürgermeister zu arbeiten. Wo wir einer Meinung sind, unterstützen wir ihn kräftig. Neuhoff hat nach Jahren der Stagnation geschafft, die Verwaltung zu reorganisieren, er hat gute Leute an die richtigen Stellen gesetzt.

Was muss man denn tun, um Politik attraktiver für junge Menschen zu machen?

Spies: Es ist schwierig, wenn es keine Punkte der Auseinandersetzung gibt. Das war im Wahlkampf so, das ist es auch danach. Als ich in die Politik ging, das war 1968, da hatten wir andere Auseinandersetzungen, da musste man sich schon in der Schule positionieren. Das ist heute anders. Die Frage ist, wo ich mich engagiere, zum Beispiel in Vereinen, in Gruppen, für Themen.

Sie sind im Karneval aktiv, haben erreicht, dass sich die Bundeskunsthalle am Rosenmontagszug beteiligt.

Spies: Das gab es früher auch schon. Ich bin Bremer, habe mit Karneval nichts zu tun. Im ersten Jahr an der Bundeskunsthalle habe ich mich zurückgehalten. Dann kam Stephan Eisel und sagte: Das geht so nicht, das ist eine Bonner Institution, du musst was tun. Seitdem machten wir bis letztes Jahr unseren Karnevalswagen zu einem Thema einer laufenden Ausstellung. Für mich war das immer eine erfolgreiche Marketingmaßnahme. Ein Freund des Karnevals bin ich erst geworden, als mich die Deutsche Botschaft in Rom bat, den Karneval in Venedig mit dem Bonner Kinderprinzenpaar mitzugestalten. Das hat viel Freude gemacht. Der Höhepunkt war für mich 2017, als ich, ich bin Ehrenleutnant, mit 150 Stadtsoldaten über den Markusplatz marschiert bin – nicht für die Bundeskunsthalle.

2016 bekamen Sie den Mäuseorden verliehen. Mussten Sie denn nach Ihrem Fischer-Outfit für den Empfang lange in der Kostümtruhe kramen?

Spies: Ich bin Segler, insofern ist das weniger ein Kostüm gewesen. Über die Verleihung habe ich mich sehr gefreut. Meine Karnevalsrede habe ich auf Plattdeutsch gehalten. Die meisten haben sie sogar verstanden – weil ich per Beamer Untertitel an die Wand geworfen habe.

Was werden Sie ab Januar 2018 machen? Werden Sie sich zum Beispiel eine Art-Card für die Bundeskunsthalle kaufen?

Spies: Bestimmt nicht. Ich habe etliche Anfragen für Vorträge, die werde ich wahrnehmen. Das werde ich ganz entspannt tun.

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